Text: Urs Heller I Fotos: Thomas Buchwalder, Olivia Pulver
# 1: Die sichere Bank: Hugues Blanchard. Ins Grand Casino Luzern geht man zum Zocken. Und für eine Gourmet-Experience mit Gelinggarantie. Der gebürtige Franzose Hugues Blanchard kocht dort im ersten Stock, seit 18 Jahren schon und immer für starke 16 Punkte. Der Chef ist Grossmeister der mediterranen Küche und kann Pasta besonders gut. Hausgemachte «Gnocchetti Sardi» etwa mit Broccoli und Lardo di Colonnata. Grossartig im Biss, mit wunderbar leichter Sauce. Auch die hausgemachten Tagliolini mit Calamari und Pulpo oder die Spaghettini mit Hummer kann ich wärmstens empfehlen. Gross auch seine grossen Fische: Mal Wildsteinbutt-Filets mit kleinen sautierten Eierschwämmli und überraschender Bohnenkraut-Sauce, mal ein riesiger, saftiger Steinbutt, an der Gräte gebraten. Geheimtipp für die Vorweihnachtszeit: Blanchards Martini-Gans, sieben Stunden bei 120 Grad im Ofen, ist eine kleine Sensation. Guido Egli, der langjährige Casino-Verwaltungsratspräsident, hat den Chef gefördert und diskret gecoacht, kriegt dafür einen Extragang auf der Karte: «Fritto Misto di Mare», mit Calamari, Gamberi rossi und Crevetten - so gut wie in den besten Ristoranti am Meer. Serviert wird im eleganten Restaurant, im Sommer mit angenehmem Abstand zwischen den Tischen auf der Traumsicht-Terrasse. Grosses Bild oben: Hummer vom «Reussbad», Hugues Blanchard, Gericht vom «Thai Garden».
# 2: Michèle Meier und ihre Ravioli. Das «Lucide» im KKL gleich neben dem Bahnhof Luzern gehört zu den Top-Restaurants der Stadt. Nur: Man muss es erst finden! Es liegt versteckt im ersten Stock des von Jean Nouvel genial gebauten Kulturtempels. Einen Hinweis darauf an der Fassade ist seltsamerweise nicht auszumachen. Suchen lohnt sich: Michèle Meier ist eine leidenschaftliche, begabte Chefin. Man kann GaultMillaus «Köchin des Jahres 2021» bei der Arbeit zusehen. Manchmal fragt man sich schon, ob ihre Chefs wissen, welches Juwel in er offenen, hell beleuchteten Küche steht. Michèle Meier hat so ihre Macken, aber die mag ich sehr: Ravioli gibt’s immer, in allen Formen und Grössen, mit immer wieder neuen Füllungen. Die Variante Fleisch ist klar die beste: Mal gezupftes Schulterfleisch von der Wildsau, mal ganz klassisch Brasato. Gemeinsamer Nenner: Ein vernünftig dicker Teig. Und erstklassiger Sbrinz drüber. Die Speiskarte der 16-Punkteköchin liest sich harmlos, aber hinter jedem Gang steckt mehr als der Gast erwartet. Beispiel Modefisch Kabeljau: Da machen die Limettenkruste und vor allem die rote Currysauce den Unterschied; die Musterschülerin des leider verstorbenen Meisterkochs Nik Gygax kann auch Thai.
# 3: Grossansturm? Kein Problem für Breedijk. Johan Breedijk kocht an bester Lage, im Art Deco Hotel Montana hoch über der Stadt. Das Haus wurde mit viel Liebe und Stil umgebaut (zwei Millionen Franken, verbaut in zehn Tagen), am Küchenkonzept ändert sich nix. Der gebürtige Holländer legt eine riesige Karte auf, und dass jedem Abend sehr viele Gäste einchecken, beunruhigt ihn wenig. «Best of» in diesem Sommer: Ein Vitello Tonnato für Fortgeschrittene (Tuna aus dem Espumabläser!), Kingfish Ceviche, «Trio vom Lamm», das bei unserem Besuch zu einem «Duo vom Lamm» mutierte, was nicht wirklich schlimm war. Der 15-Punktechef bleibt sich treu: Lieber drei Komponenten zu viel als eine zu wenig.
# 4: 300 Kilo Hummer im «Reussbad». Bei Ralf Thomas (15 Punkte) ist Wohlfühlküche angesagt, wie früher mit viel Butter und viel Rahm. Seine Bestseller: Entenleberterrine mit Muskatgelee. Rindsfilet Rossini (vom Mittelstück). Und immer im Januar Hummerwoche: 300 Main-Lobster werden dann in einem siebengängigen Menü verarbeitet, bis zur letzten Schere («Queue de homard au beurre Danieli»). Empfehlenswert das «Rendez-vous culinaire»: Kürbis-Kokossuppe mit Jakobsmuscheln, Wachtelbrüstchen, Hirschmedaillon, Rehrücken-Entrecôte. Thomas hat einen finanzstarken Partner: Mirko Stierli ist der Mann im Hintergrund.
# 5: Milke & Wollschwein im «Wilden Mann». Sascha Behrendt ist im Traditionshotel der Chef und gibt Vollgas: Milke mit einer fantastischen Miso-Hollandaise. Makrele, in der Salzlake mariniert und dann abgeflämmt. Monkfish (Seeteufel) mit Kujo Negi (japanische Frühlingszwiebeln) unter einer Schaumsauce. Moderne 15 Punkteküche in einem Hotel mit Baujahr 1517. Für den Hauptgang kaufte der Chef bei Holzen in Ennetbürgen ein: Wollschwein! Behrendt tranchiert das Kotelett mit berechtigtem Stolz persönlich am Tisch; wer Glück hat, kriegt den Knochen. Schweinefleisch vom anderen Stern und aus der höheren Preisklasse. Wie gerne und hart die Küchenbrigade arbeitet, zeigen die «Beilagen»: Ein hübsch geformtes Ravioli. Morchel. Rhabarber. Umeboshi. Behrendt verabschiedet sich mit einem eigenwilligen Käsegang: Ziegenfrischkäse aus Dallenwil, zubereitet wie eine Crême brulée. Friandises? Der Berliner Behrendt serviert einen (Mini-)Berliner!
# 6: Cacciucco! Das «Mamma Leone» wird immer besser. Luzerner sind für Fine Dining schon zu haben. Hie und da. Aber noch viel mehr hat man in dieser wunderschönen Stadt die «Italiener». Es gibt sie im GaultMillau im halben Dutzend, und sie sind immer sehr gut besucht. Schwer vermisst wird das «La Perla», das einem Immobilienprojekt weichen musste. Nicola Punzi war 33 Jahre lang ein herzlicher Gastgeber und sein Ristorante für viele eine Art Wohnzimmer. Wohin jetzt? Ich bin gerade vom «Mamma Leone» am Mühlenplatz ziemlich begeistert. «Mamma mia, war das gut», notierte ich nach meinem letzten Besuch. Die Cacciucco, also die toskanische Fischsuppe, war genial. Betriebsgeheimnis? Chef José da Silva verarbeitet die Krebsköpfe für seine Bisque, sorgt so für Power. Auch gut: Ossobucco, 48 Stunden lang sous-vide gegart und butterzart. Das «Mamma Leone» (neu 14 Punkte) ist 365 Tage im Jahr offen, warme Küche gibt’s auch nachmittags.
# 7: «La Cucina»: Calabria calling! Die Süditaliener Marco Colucci (Chef) und Roberto Mazzitelli (Gastgeber) rocken für Unternehmer Urs Karli den Laden, in dem Abend für Abend ein halbes Dutzend Gäste ausgelassen Geburtstag feiern und mit Kerzen, Kuchen und Ständchen geehrt werden. Die hausgemachten, hauchdünnen Ravioli sind der Stolz. Weitere «Italiener» im GaultMillau 2025: «Barbatti» (13 Punkte), «Klingler’s» (14 Punkte) – und ein Neuzugang: Das «Daniele» ist erstmals gelistet (13 Punkte). der Chef setzt ebenfalls auf die Cacciucco und gibt noch einen Prachtkrebs aus Mazara del Vallo (Gambero rosso) in den tiefen Teller. Der beste Pasta-Gang: «Il scoglio», Linguine (Mancini Pastifico Agricolo aus Gragnano), mit einem ordentlichen Seafood-Package.
# 8: «Thai Garden»: Nur nichts verändern. Baujahr 1991. Und immer noch ein Erfolgsmodell! Der «Thai Garden» im Hotel Astoria ist in Luzern auch nach über 30 Jahre noch immer sehr beliebt und (fast) jeden Abend rappelvoll. Urs Karlis Konzept: Ein wunderbares Ambiente mit grosser Showtreppe, thailändischer Hackbrett-Spielerin und nicht zu wenig Buddhas an den Wänden. Und vor allem eine thailändische Küche, die sehr zugänglich ist, Ferienstimmung aufkommen lässt und die Gäste nie überfordert, auch nicht von der Schärfe her. Auf Chef Narong ist Verlass: Er kocht seit Jahren hier, sehr verlässlich. Und er richtet auch instagram-tauglich an. Dass auf der Karte kaum neue Gerichte auftauchen, wollen wir ihm nicht anlasten. Auch das ist Teil des Erfolgsmodells. Best of: «Po Pia» (die besten Frühlingsrollen der Stadt!), «Som Tom Gung» (Papaya-Salat), Panaeng-Curry, Wolfsbarsch-Filets an Zitronensauce. «Thai-Box» für den Mittagslunch.
# 9: «Galliker»: Chögelipastetli & Bordeaux. Im ehrwürdigen «Galliker» gibt’s den legendären Pot-au-feu noch immer (Dienstag, Donnerstag, Samstag). Vier Generationen und 45 Jahre lang wirtete hier ein Galliker, zuletzt der freundliche Patron Peter. Neuer Besitzer ist der erfolgreiche Unternehmer Tobias Meier und der macht das einzig richtige: Die Speisekarte bleibt unverändert, die Weinkarte wurde spektakulär ausgebaut. Also bestellt man weiterhin die echten Lozärner Chögelipastetli mit weisser Sauce und trinkt eine ordentliche Flasche Bordeaux dazu. Für «Entrecôte Café de Paris» und für erstklassige Bordeaux (auch für verblüffende Zweitweine!) gibt es zwei Adressen: «Bodu», die neuerdings rauchfreie Brasserie beim Rathaus. Und das «Café de Ville» beim Schwanenplatz. Nadja Scherrer, die allseits beliebte Gastgeberin hat Sorgen. In einem Jahr läuft der Mietvertrag aus, die Zukunft ist noch nicht geregelt. Das «Des Balances» lebt von seiner privilegierten Lage direkt an der Reuss und vom Talent des Chefs Andreas Fluri. Das hippe «Drei Könige» an der Klosterstrasse kriegt einen Punkt mehr (neu 14). «La Grande Bouffe» heisst das Menü vielversprechend. Souschef Lenny Hartmann taucht in der Reuss zweimal wöchentlich nach Muscheln!
# 10: «Balm» Meggen: «Tout Lucerne» fährt hin! Eine der Lieblingsadressen für Luzerner Foodies liegt ausserhalb der Stadt: Beat Stofers «Balm» in Meggen. Der immer gut gelaunte Chef verwertet Berge von Hummer-Karkassen für seine wunderbare Bisque, und mit seinen «Bretonischen Wochen» hat der Jeune Restaurateur auf Anhieb Erfolg. Da gibt es bereits zum Start das volle Programm, bereits zum Start: Vichysoisse mit einem Tatar vom Balfego Tuna und einem Löffel Kaviar. Pulpo-Salat mit Gazpacho. Ceviche von der Jakobsmuschel mit Kokosmilch, Zitronengras und Shitake. Kingfish-Sashimi mit Fingerlimes und Gurke. Man spürt bereits bei den vier elegant angerichteten Starters: Der Stofer kann’s. Und das Abenteuer «Bretonische Wochen» macht ihm auch selbst Spass. Highlights auf der Karte: Wolfsbarsch, schonend nach japanischer Ike Jime-Technik getötet, mit einer feinen Beurre Blanc mit Verjus. Steinbutt gibt’s mit Sauce Grenoblaise, also mit Kapern, Kalbsjus und einem kleinen Kartoffelgitter. Den Hummer gibt’s im Bouillabaisse Style, also in einer Safrannage mit ziemlich vielen Gemüsewürfeli. Zwei Klassiker des Hauses: Siedfleisch-Terrine, Brasato-Ravioli, grandiose Risotti.