Text: Thomas Renggli

Ein Fels in der Brandung. Ein Mann wie ein Berg, ein Fels in der Brandung in einer schnelllebigen Zeit. Die «Bilanz» adelte ihn als «Urgestein der Schweizer Spitzengastronomie». Wenn Jakob Andrea Donatz die Gäste im Restaurant Sonnenberg zu empfangen pflegte, breitete er die Arme aus und zeigt auf den braunen Lederstuhl im Eingangsbereich seines Lokals: «Nimm Platz, chum obänabä und lass d‘ärs guät gah». 

Foto: Joseph Khakshouri : 27.12.2016 Sepp Blatter shählr Kartoffeln und Jacky Donatz Reibt Trüffel im Restaurant Sonnenberg Zürich (ZH) SI_2016_52 FIFA

Sepp Blatter war sein Chef. Und sein Freund: Jacky Donatz war der erste und einzige Fifa-Koch der Welt.

Beruf? «Cuoco»! Egal, wo Donatz kochte, der «Cuoco» wie er sich auf der Visitenkarte vorstellte, war der Herr in seinem Reich und lenkte seine Mitarbeiter mit einer Mischung aus patriarchischer Strenge und alpinem Charme: «Hopp, hopp, wenn Leipzig so langsam spielen würde, wäre der Klub in der Bundesliga Letzter», trieb er die sächsische Kellnerin an. Servicefachfrau ist heute die politisch korrekte Berufsbezeichnung. Doch Jacky Donatz stammt aus einer Zeit, als man das Essen noch bei Serviertöchtern bestellte und ein saloppes Kompliment nicht gleich als Nötigung verstanden wurde.

Kalbskotelett & Mezzelune. Donatz erkochte sich 15 Gault-Millau-Punkte, erlangte mit seinem Kalbskotelett, dem Siedfleisch und seinen «Mezzelune» landesweite Bekanntheit. Er war ein Vertreter einer aussterbenden Spezies – der grossen Wirte, der aufmerksamen und spürigen Gastgeber, die dem Besucher hofieren und ihm jeden Wunsch erfüllen, die von Tisch zu Tisch gehen, ein Schwätzchen halten und Empfehlungen abgeben. 

Der Koch der Fifa. In den 17 Jahren im Restaurant Sonneberg hoch über den Dächern von Zürich hatte er vieles gesehen und erlebt – und vieles sofort wieder vergessen. Diskretion war oberstes Gebot. «Wenn ich erfahre, dass Interna rausgehen, gibt’s dafür die gelbe Karte. Und zweimal Gelb gibt Rot.» Jacky Donatz, der sich gerne als erster und einziger offizieller Fifa-Koch bezeichnete, wurde am 27. Dezember 1951 in Samedan geboren, der «Schaltstelle des Kantons», wie er sagte. «Auf unserem Flugplatz landet und startet die Welt». Das strahlt weit über die Alpengipfel hinaus: «Wir Bündner haben die Schweiz geprägt», sagte er. «Was wäre das Zürcher Kunsthaus ohne die Skulpturen und Bilder von Alberto Giacometti? Was wäre die Schweizer Musik-Geschichte ohne Vico Torriani? Was ist eine Bäckerei ohne eine richtige Bündner Nusstorte? Was wäre der ZSC ohne die Hunderte von Toren, die wir Bündner geschossen haben? Und was würden die Schweizer Essen, wenn wir Bergler nicht zu Kochlöffel und Pfanne greifen würden?». Seinen Rufnamen allerdings verdankte Jacky den Zürchern. «Ich wurde als Jakob Andrea getauft, die Zürcher aber sagten nur Jacky. So behielt ich diesen Namen.» 

«Die Küche ist wie ein Boxring.» Am Arbeitsplatz lernte er auch zu kämpfen. «In der Küche ist es wie im Boxring – man muss austeilen, aber auch einstecken können», sagte Donatz. Nur in der Praxis erwerbe man jene Fähigkeiten, die es brauche, um im Job erfolgreich zu sein: Disziplin, Präzision, Sauberkeit, Produktekenntnis, Leidenschaft, Hartnäckigkeit - Kreativität: «Es war für meine Karriere entscheidend, dass ich aus meiner Welt ausgebrochen bin und meinen Horizont erweitert habe. So schön die Berge sind, sie können den Blick einschränken und die Entfaltung hemmen. Ein Koch lebt von fremden Einflüssen und lässt sich von neuen Ideen inspirieren.»

Ein Abschied mit Wehmut. Jacky Donatz lebte dieses Gefühl – und er vermittelte es den Gästen auf die Teller. Zuletzt als Gastkoch bei Ljuba Manz im Hotel St. Gotthard. Und trotzdem war bei Donatz seit dem Abgang vom Sonnenberg vor sieben Jahren und seit dem Tod seiner Ehefrau Regula nichts mehr wie es einmal war. Wer ihn zuletzt sah, spürte einen Hauch von Traurigkeit und Wehmut in seinem Blick. Das Wissen um die Vergänglichkeit schien die Lebensfreunde zu vertreiben. Am vergangenen Montag verabschiedete sich Jacky Donatz in die Ewigkeit. Er hinterlässt eine grosse Fangemeinde und eine nicht zu schliessende Lücke im Schweizer Gastgewerbe. Aber die Engel werden sich über den neuen Küchenchef freuen.

 

Fotos: David Biedert, Katja Lehner, Marcus Gyger, Joseph Khakshouri, Keystone