Text: David Schnapp
Antonio Colaianni & der weisse Trüffel. Er ist der erklärte italienische Lieblingskoch vieler Zürcherinnen und Zürcher: Antonio Colaianni erhält im «Ornellaia» einen Punkt mehr und ist damit einer von drei Aufsteigern in die 17-Punkte-Liga der Food-Stadt Zürich. Der Berner vereint in seiner Küche das Herz der italienischen mit der Technik der französischen Küche. Die Stammgäste schwören auf Colaiannis Klassiker, aber dem 53-Jährigen fällt immer wieder etwas Neues ein – zuletzt eine geniale Lasagne-Interpretation: «Die Ideen gehen mir nicht aus – das ist ein Glück, das ich habe. Im Moment kochen wir gerade mit Hirsch, Pilzen und Wurzelgemüse. Aber mein liebstes Winterprodukt ist sowieso der weisse Trüffel – das ist für mich wie eine Droge, ein bezauberndes Geschenk der Natur», sagt der erfahrene Küchenchef über den Stand der Dinge im Ristorante Ornellaia, das zur Bindella-Gruppe gehört. Grosses Bild oben v.l.: Kenichi Arimura, Daniel Zeindlhofer, Antonio Colaianni.
Schnell nach oben: Daniel Zeindlhofer. Zürich, stellt Antonio Colaianni fest, habe sich aus gastronomischer Sicht enorm entwickelt: «Ich koche seit 1995 in Zürich, in dieser Zeit hat sich die Stadt vom kulinarischen Brachland zu einer Food-Stadt von internationalem Format mit einer hervorragenden Mischung entwickelt. Und die Gäste sind fordernd, aber sehr offen.» Ein Neuzuzüger gewissermassen ist hingegen Daniel Zeindlhofer. Aber der 34-jährige Küchenchef hat sich in kürzester Zeit in die Herzen seiner anspruchsvollen Gäste gekocht. Im «Igniv by Andreas Caminada» im Niederdorf sorgt der gebürtige Österreicher zusammen mit seiner liebenswürdigen und hochprofessionellen Partnerin Ines Triebenbacher an der Front für ein entspanntes Fine-Dining-Erlebnis und für gute Laune. Den 17. Punkt gibt es aber für eine hochstehende, perfekt ausgeführte Küche, die von der Fischsuppe bis zur Taubenbrust mit BBQ-Aromen reicht und selbst Barfood miteinschliesst. Denn ganz nebenbei serviert Zeindlhofer neben einem Businesslunch oder den 16 Gängen im grossen Menü auch noch Chicken Nuggets, Pommes mit Trüffel-Mayo oder Spare Ribs an der einzigen «Igniv»-Bar.
«Was ich selber nicht mag, serviere ich nicht.» Zeindlhofer ist 2020 nach Zürich gezogen und sagt, «das war der beste Schritt den ich machen konnte. Die Gastroszene ist hervorragend, die Stadt ist abwechslungsreich und trotzdem nicht zu gross.» In den zwei Jahren sei er selbst als Koch «sicherer geworden, was die Geschmäcker angeht, und was ich selber nicht mag, serviere ich nicht», so Zeindlhofer selbstbewussst. Die Fleischmenge hat er im Menü reduziert und wenn, setzt er auf hervorragender Qualität wie den Sisteron-Lammrücken von Alfred von Escher, den er erst dämpft und dann mit knusprig gebratener Haut serviert.
Die Überraschung: Chef Kenichi im «Sushi Sin». Die konsequenteste Qualitäts-Einkäuferin der Stadt ist aber vermutlich Lin Wan, die Besitzerin von «Sushi Shin», die lieber diskret im Hintergrund bleiben will, aber immerhin sagt, dass sie eine «Food-Perfektionistin» sei. Mit enormem Aufwand werden die Produkte für das kleine Restaurant in Paradeplatz-Nähe gesucht, und ein Japaner namens Kenichi Arimura ist der überraschende Unbekannte unter den drei Zürcher Küchenchefs, die im GaultMillau 2023 neu mit je 17 Punkten ausgezeichnet werden. Im «Sushi Shin» wagt das Duo den mutigen Versuch, im Binnenland Schweiz Meeresprodukte auf japanische Art zu veredeln: Aus luftig-leichtem Bio-Reis, gesäuert mit handgemachtem Reisessig aus einer Manufaktur in Japan und natürlich mit Shrimps, Ora-King-Lachs oder Wagyu-Entrecôte formt Arimura Nigiri, wie sie in Zürich – und auch im Rest des Landes – kaum in besserer Qualität angeboten werden.
Echter Wasabi. Ein perfektes Stück Sushi, erklärt Kenichi Arimura, «besteht aus perfekt gekochtem Reis, der Balance zwischen dessen Süsse und der Säure des Essigs, dazu kommt der Umami-Geschmack des Fisches und – je nach Meeresprodukt – die Schärfe von Wasabi». Das im «Sushi Shin» kein grün gefärbter Meerrettich als Wasabi aufetischt wird, versteht sich von selbst, Lin Wan bezieht nur echten Wasabi, der wild am Rand von Fliessgewässern wächst.
Marco Ortolani rockt das «Eden au Lac». Bewegung nach oben gibt es auch in den Zürcher Top-Hotels: Heiko Nieder vom «The Dolder Grand» bleibt mit seinen 19 Punkten das Mass aller Dinge. Stefan Heilemann (18 Punkte im «Widder) und Stefan Jäckel (17 Punkte im «Storchen») sind die Küchenchefs im kulinarisch ambitionierten The Living Circle. Laurent Eperon und Maximilian Müller zeigen im «Baur au Lac» seit Jahren Spitzenleistungen (18 Punkte). Dabei bleibt es nicht: «La Réserve Eden au Lac» mischt die etablierte Szene mit exzellenter Küche auf. Der begabte Executive-Chef Marco Ortolani bekommt neu 16 Punkte. Und den Namen Tarik Lange sollte man sich merken. Er kocht mit einem jungen Team im «Park Hyatt» und ist neu ebenfalls mit 16 Punkten bewertet. Zu den Zürcher Aufsteigern ohne Hotel gehören Stefano Corrado («Anna», neu 15 Punkte), José Severino («Barranco», 15), Fabio Lombardi («Rosaly’s», 15) und Hide Nishihama («Bimi», 15).
Zwölf neue Zürcher Restaurants im Guide. Und schliesslich sind zwölf neue Zürcher Restaurants im Guide: «Bocuci», «Hardplatz chez Thomas», «Kin» und «Il Tartufo» (alle 14 Punkte). Mit 13 Punkten «Ioannis», «Grand’in Osteria», «Dar», «Silex», «Am Rank», «Maiden Shanghai» (im Hotel Five), «Lè Cuisine» und «Zunfthaus zur Haue». Die Basis von Zürich als Food-Hauptstadt der Schweiz liegt gewissermassen bei jenen rekordverdächtigen 46 Lokalen, die in der Lifestyle-Liste GaultMillau POP aufgeführt sind – keine andere Schweizer Stadt hat mehr Trend-Lokale von Qualität. Auch die «POP-Könige 2023» kommen aus Zürich: Armin Azadpour, Claudio Sacchi und Patrick Schindler von der «Bar Lupo» bei der Kalkbreite.