Fotos: Lukas Lienhard
Schaffhausen, Sattel, Andermatt. «Ich bin der Reichmuth Franz», sagt der sympathische Mann mit Kappe und ergänzt sofort: «Junior, mein Vater heisst auch Franz.» Wir sind auf dem Sattel in Schwyz; seit 1984 haben die Reichmuths hier eine Bewilligung für das Züchten von Forellen und Saiblingen. Zu den Abnehmern gehören auch die Topköche Dominik Sato und Fabio Toffolon. Sie sind Zwillinge, und ihre unterschiedlichen Namen sind schnell erklärt: Dominik ist mit der Japanerin Yoshiko Sato verheiratet, hat ihren Namen angenommen. Die Brüder sind an diesem Tag aus Andermatt UR angereist, um für den Abendservice zwei schöne Fische mitzunehmen. Das ist eine Ausnahme, denn eigentlich liefert Comestibles-Spezialist Bianchi ins Swiss Deluxe Hotel The Chedi, wo «The Twins», wie die beiden in der Szene genannt werden, seit Sommer 2023 erstmals gemeinsam ein Lokal führen. Mit «The Japanese» habe sich für die Schaffhauser ein Traum erfüllt, der in der Realität ebenso schön sei, wie sie es sich vorgestellt haben. Fabio arbeitete zuvor in Bern, Dominik in Thun, wohnte aber in Basel. Nun sind sie mit Frauen und Kindern ins Bergdorf am Gotthard gezogen, haben ein neues Leben angefangen – und in der schroffen Landschaft ihr Glück gefunden.
Suppe auf 2340 M.ü.M. Nachdem in den Becken der Brüggli-Fischzucht die richtigen Fische ausgesucht sind, geht es sofort zurück nach Andermatt. «The Twins» sind im Dorf für zwei Küchen verantwortlich. Neben dem Hauptrestaurant «The Japanese» im Hotel selbst gehört zum Pflichtenheft auch noch die Lunch-Filiale auf dem Gütsch, 2340 Meter über Meer. Dort gibt es Ramensuppe, Entrecôte vom Schweizer Angusrind mit Ponzu-Vinaigrette, Federkohl und Bimi-Broccoli oder eben Brüggli-Saibling mit Shiso-Vinaigrette. Im GaultMillau 2025 erhalten die beiden 18 Punkte und gehören zu den «Aufsteigern des Jahres».
Das japanische Gewissen. Das ganze beeindruckende Breitwand-Geschmacksbild ihrer kulinarischen Fertigkeiten aber zeigen Dominik Sato und Fabio Toffolon im Restaurant «The Japanese», wo sie innert kürzester Zeit bewiesen haben, dass sie zusammen noch besser kochen, als es jeder zuvor schon allein getan hat. Fester Teil des familiären Engagements ist allerdings auch Dominiks Ehefrau, Yoshiko Sato, die Pâtissière wurde, weil sie lernen wollte, wie man einen deutschen Apfelkuchen bäckt. Dafür hat sie Deutsch studiert, bevor sie sich dann mit den Geheimnissen der Dessertsprache befasst hat und sich in Hamburg zur Konditorin ausbilden liess. Heute hütet sie ihre beiden eigenen Kinder und Fabios Sohn, bevor sie mit dem aufgeweckten Trio im Restaurant eintrifft und ein filigranes Dessert aus Trauben, Jasmintee und Ingwer zubereitet. «Ich mag das Klima hier in den Bergen», sagt Yoshiko Sato. «Andermatt erinnert mich an meine Heimat im Norden von Japan, wo es auch oft kalt ist und häufig Schnee liegt», fügt sie an.
Fabio Toffolon und Dominik Sato, Sie arbeiten hier in vollendeter Harmonie zusammen. Gibt es trotzdem etwas, was Sie am anderen nervt?
Fabio: (überlegt lange) Ab und zu. Mein Bruder hat manchmal etwas festgefahrene Meinungen. Als es um das Gericht mit dem Saibling ging, wollte er zum Beispiel erst einen anderen Fisch haben, dessen Qualität aber nicht so gut war. Am Schluss konnten wir uns aber einigen.
Wie klingt es bei Ihnen, wenn einer den anderen kritisiert?
Dominik: Im Grossen und Ganzen herrscht Harmonie. Ich würde sagen, dass ich etwas lockerer bin als mein Bruder.
Fabio: Das erzählt er immer. Es ist aber Quatsch (lacht).
Dominik: Wenn ihm etwas nicht passt und er das zu harsch rüberbringt, blocke ich ab.
Ein gewisser Ehrgeiz ist bei Ihnen offensichtlich vorhanden. Wie äussert sich das?
Dominik: Ich finde, wir sind bescheiden und nicht abgehoben. Unseren Mitarbeitern begegnen wir auf Augenhöhe. Aber die Ansprüche an unsere Arbeit sind hoch, und wir wissen, was wir machen.
Fabio: Wir haben jetzt ganz andere Möglichkeiten und bekommen mehr Aufmerksamkeit. Wir sind aber auch lange Zeit zu bescheidenen Löhnen den klassischen Weg in der Gastronomie gegangen, mit vielen Stunden harter Arbeit. Umso grossartiger ist es, dass wir jetzt diese Traumstelle hier bekommen haben.
Es war lange Ihr gemeinsamer Traum, zusammen ein Restaurant zu leiten. Jetzt, wo dieser Traum wahr geworden ist: Wie ist es in der Realität
Fabio: Es gibt viele Chefs und Köche, die ohne grosse Freude zur Arbeit gehen. Wir haben Spass in der Küche; es läuft immer Musik, und das Team ist uns wirklich wichtig. Wir wollen nicht nur Harmonie untereinander, sondern mit allen, die hier arbeiten. Immerhin sind wir hier sieben Köche und sieben Leute im Service.
Was ist der Vorteil für den Arbeitgeber, wenn man Zwillinge als Küchenchefs engagiert?
Fabio: Das ist Gold wert. Wir hatten sehr viele unterschiedliche und gute Chefs, da kommt einiges an Erfahrung zusammen. Und weil wir zu zweit sind, können wir die Arbeit gut aufteilen. Einer richtet vorne im Restaurant an, der andere bleibt in der Küche, wo der zweite Teil des Menüs zubereitet wird.
Sind Sie zusammen besser als einzeln?
Dominik: Ja, weil wir uns gegenseitig antreiben. Es gibt immer «Competition» zwischen uns, und in der Küche suchen wir zusammen nach dem besten Weg.
Fabio: Und es fällt uns zum Beispiel leichter, unsere Egos zurückzunehmen. Da ist es im Gegensatz zu anderen Doppelspitzen ein Vorteil, dass wir Zwillinge sind.
Was kann Fabio besser als Sie, Dominik Sato?
Dominik: Er war zu Beginn routinierter, was das Garen von Fleisch angeht, und er macht sehr starke Vinaigrettes. Ich habe eine Hand für Saucen – da bin ich sehr dankbar für die Zeit bei Peter Knogl.
Und was kann Dominik besser als Sie, Fabio Toffolon?
Fabio: Dominik ist viel pingeliger und perfektionistischer als ich. Das hat Vor- und Nachteile. Wenn es etwa um das Schneiden von Gemüse geht, ist Perfektionismus ein Vorteil, erfordert aber mehr Zeit.
Ihr Stil ist japanisch inspiriert, es ist aber keine japanische Küche. Was genau ist das Konzept?
Fabio: Wir haben eine europäische Basis, die wir nicht verleugnen wollen. Aber vieles ist japanisch geprägt – durch japanische Techniken. Fast alles wird bei uns beispielsweise auf dem Holzkohlegrill zubereitet.
Dominik: Wir streben Leichtigkeit an und wollen nicht, dass dem Gast schon der Hauptgang zu viel ist und er sich später die Petits Fours einpacken lassen muss. Wir lieben gutes Brot, verzichten aber fast komplett auf Kohlenhydrate im Menü.
Viele, oft junge Köche arbeiten gern mit japanischen Produkten, weil man damit leicht komplexe Geschmacksbilder erzeugen kann.
Fabio: Uns geht es um kompromisslose Qualität, die die Grundlage der japanischen Küche bildet. Hinzu kommt die Mischung aus Leichtigkeit und Umami in den Geschmacksbildern. Zu Beginn hatten wir eher die Befürchtung, dass uns das japanische Konzept einschränken könnte. Mittlerweile sind wir sehr froh darum, weil wir dadurch ein Thema haben, mit dem wir uns intensiv befassen können