Fotos: Gabriel Monnet
Chili & Zitrone. «Come on guys, let’s go!» Das ist Lucrèce Lacchios Schlachtruf, bevor sie zusammen mit ihrer Crew den Hauptgang mit Taube und Artischocke anrichtet. Die Ärmel ihrer Kochbluse hat sie hochgekrempelt, das ist nicht nur im übertragenen Sinne gemeint. Und so sieht man einige Tattoos der Küchenchefin: einen Oktopus auf dem linken Unterarm, weiter oben eine Chili. «Daneben werde ich vielleicht bald eine Zitrone stechen», verrät sie. «Da ist noch ein wenig Platz.» Grosses Bild oben: Lucrèce Lacchio zeigt ihren Köchen, wie sie anrichten sollen.
Selbst mit anpacken. Schnell merkt man: Die Küchenchefin im Restaurant «Le Berceau des Sens» ist eine Köchin der neuen Generation. Von ihrem Team – darunter gleich mehrere Männer, die einen Kopf grösser sind als sie selbst – will sie keinen bedingungslosen Gehorsam, sondern schlicht Respekt. «Nicht zuletzt ist es halt auch wichtig, dass man selbst mit anpackt.» Sie ist es höchstpersönlich, die nun die Teller aus der Schublade hochwuchtet und auf der Anrichte verteilt. Sie zeigt, wo sie Taubenbrust, Artischockenböden und -chips, Apfelkügelchen, die Saucen und Cremes, das Bärlauchöl platziert haben will. Ihre Mitarbeiter schauen zu. Und machen nach.
Lucrèce Lacchio ist der erste weibliche Küchenchef im «Berceau des Sens» an der Hotelfachschule Lausanne.
Ravet über Lacchio. Taube, Apfel und Bärlauch, das ist typisch für Lacchios Kochstil. «Ich liebe es, die Gäste mit aussergewöhnlichen Kombinationen zu überraschen!» Jüngst verblüffte sie bei einem Fourhand-Dinner mit 17-Punkte-Chef und Grandes-Tables-Präsident Guy Ravet unter anderem mit einem Adlerfisch, den sie mit Erdbeere paarte! Wie äussert sich der Berufskollege über die 31-jährige Küchenchefin, bei der er schon mehrmals gegessen hat? «Sie beherrscht die klassisch-französischen Kochtechniken einwandfrei – aber bei ihr kann man immer wieder Zutaten entdecken, die man so zusammen noch nie auf dem Teller hatte! Das ist frisch.»
Frech kombiniert: Adlerfisch mit Erbsen, Bärlauch & Erdbeeren.
Sie will auch im «Berceau des Sens» punkten: Lucrèce Lacchio.
Taubenbrust mit deklinierter Artischocke, grünem Apfel und Bärlauch.
Seit 12 Jahren in der Schweiz. Lacchios Restaurant «Le Berceau des Sens» gehört zur École Hôtelière Lausanne (EHL) – und natürlich sollen hier, wie bei ihren allesamt männlichen Vorgängern, bald wieder Punkte und Sterne prangen. Schliesslich hatte sie diese schon am vorherigen Arbeitsplatz: dem «Flacon» in Carouge. Erlebt man die verspielten, aber sehr präzise zubereiteten Gerichte der gebürtigen Französin, kann man davon ausgehen, dass dies gelingen dürfte. «Schliesslich sind auch meine Lieferanten teilweise seit 12 Jahren, also seit ich in die Schweiz gekommen bin, dieselben», sagt sie. Nur Desserts sind nicht unbedingt ihr Ding: Zum Geburtstag bekam sie von ihrer Brigade darum auch keinen Kuchen mit Kerzen, sondern ein Sandwich.
Von ihren Mitarbeitern will Lucrèce Lacchio (l.) vor allem «Respekt», keinen blinden Gehorsam.
Und noch ein Tattoo. Das Gespräch landet nochmals bei den Tattoos von Lucrèce Lacchio, darunter auch ein Schweizer Taschenmesser, das sie sich hat stechen lassen. Und mir nichts, dir nichts verrät sie ein weiteres Motiv, das sie auf einer ihrer Schultern trägt. Es ist um ein Haar noch überraschender, als ihre kulinarischen Kreationen: eine Kitchen Aid.
