Fotos: Lukas Lienhard
Mitja Birlo, haben Sie den Wechsel vom beschaulichen Vals ins hektische Zürich schon einmal bereut?
Nein, überhaupt nicht, das war auf jeden Fall der richtige Schritt. Es fühlt sich gut an, nach Zürich gekommen zu sein.
Was ist der grösste Unterschied zu Ihrem vorherigen Job in den Bergen?
Das Konzept im «Counter» ist ganz anders als davor im «7132 Silver». Für mich ist das Wichtigste aber, dass ich den Schritt zurück an den Herd gemacht habe. Ich mache mein Mise en Place wie alle anderen auch und habe den Druck, zeitig fertig zu werden. Das war der wichtigste Grund für den Wechsel, und ich bin froh, dass sich das so entwickelt hat, wie ich gehofft hatte.
Woran arbeiten Sie zurzeit?
Nach der Anfangsphase, in der wir zu viele Stunden gearbeitet und viel zu wenig gegessen haben, haben wir jetzt Luft, um Neues auszuprobieren. Wir setzen jetzt zum Beispiel eine Maschine für geschabtes Kakigōri-Eis auf japanische Art ein, mit der wir vor den Gästen einen Sorbet-Gang zubereiten: Dafür haben wir einen Quittensirup gekocht, das Eis servieren wir dann mit Crème Chantilly vor dem Hauptgang. Wenn man ein neues Spielzeug wie dieses in der Küche hat, kommen sofort neue Ideen, was man alles damit machen könnte.
Welches neue Rezept macht Ihnen gerade Freude?
Wir kochen eine Mole aus geschwärzten Äpfeln, die wir einen Monat lang bei 60 Grad gelagert haben, so dass eine langsame Maillard-Reaktion entsteht. Die Mole servieren wir zum Presa vom Iberico-Schwein.
Wie ist das Feedback der Gäste auf Ihr Menü?
Ich höre viel gutes direktes und indirektes Feedback von den Gästen. Aber ich habe auch den Eindruck, dass die Zürcher sehr anspruchsvoll sind. Man guckt schon sehr genau darauf, was dieser Unbekannte aus Vals da kocht. Was mich sehr freut: Es kommen viele hervorragende Kollegen zum Essen, die sehr konstruktives Feedback geben. Das ist natürlich cool für uns.
Mussten Sie eigentlich für die Arbeit in einer offenen Küche vor den Gästen eine neue Arbeitskultur etablieren?
Mein Team bestand ja schon vorher, deshalb musste nichts Neues erfunden werden. Alle wissen, wie es läuft. Während dem Service gibt es nichts mehr zu besprechen, weil keine Unklarheiten bestehen. Wir arbeiten aber trotzdem nicht in einer Küche, in der man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hört. Wir machen Witzchen untereinander, die Musik ist ein wenig zu laut, und das wirkt sehr authentisch.
Muss man besser organisiert sein, wenn man direkt vor den Gästen kocht?
Die offene Küche spielt da keine grosse Rolle: Ohne Organisation geht man sowieso im Chaos unter. Wenn du eine Bestellung vergisst oder dein Mise en Place nicht rechtzeitig vollständig ist, macht dich das kaputt. Dennoch lasse ich bewusst ein wenig Chaos zu, das ist gut für die Kreativität.
Hat das neue Restaurant-Konzept Ihren Koch-Stil verändert?
Das würde ich schon sagen. Der Stil ist wahrscheinlich etwas minimalistischer geworden. Weil die Teller in diesem Konzept bewusst kleiner gewählt sind, passt schlicht weniger drauf. Das zwingt uns zur Reduktion. Zum Zander gibt es beispielsweise nur einen Dashi-Schaum, Rettichwürfel und Meerrettich-Öl. Meine Gerichte werden in dem Setting an der Bar gleichzeitig etwas spielerischer. Es gibt mehr Interaktion mit den Gästen, weil das einfach hierher passt.
>> Mitja Birlo (39) ist seit Dezember 2023 Küchenchef des neu eröffneten Tresen-Restaurants The Counter am Hauptbahnhof Zürich. Davor war Birlo Küchenchef im «7132 Silver», das zum 7132 Hotel in Vals gehört (18 Punkte im GaultMillau und zwei Sterne im Guide Michelin). Im Jahr 2022 war er ausserdem Koch des Jahres. www.the-counter.ch