Was essen Sie zuerst, den Spargelkopf oder das untere Ende? 

Ich fange unten an. Die zartere Spitze kommt danach. Auch beim Entenbraten mache ich das übrigens ähnlich und hebe die Haut bis zuletzt auf.  

Was sagt das über Sie aus? 

Mir käme es andersrum einfach komisch vor. Für mich arbeitet man sich zum höchsten Genuss hin. 

Haben Sie lieber weissen oder grünen Spargel? 

Ich beginne die Spargelsaison mit weissem Spargel. Das passt zur erwachenden Natur, zum Wetter zu Beginn des Frühlings. Und zu den zarten Kräutern, die man zuerst draussen findet. Allmählich wechsle ich zum grünen Spargel, den ich dann ganz anders einsetze. Zum Beispiel gegrillt, mit Fichtensprossen-Salsa, wie wir das letztes Jahr angeboten haben. 

Sagen Sie eigentlich «der» Spargel wie in Deutschland üblich? Oder «die» Spargel, wie die meisten Schweizer? 

(Er überlegt ziemlich lange.) In der Küche sage ich wohl: «Hast mir mal nen Spargel?», also männlich. Aber ich sage bestimmt auch manchmal «die Spargel», weil sie die Königin des Gemüses ist. 

Sie sind im Norden Bayerns aufgewachsen. Haben Sie Kindheitserinnerungen an Spargel? 

Meine Mutter hat beim Finanzamt gearbeitet und ein Kollege hat ihr jeweils den ersten fränkischen Spargel in einer Tupperware mitgebracht. Ich kann mich gut erinnern, wie sie ihn auf der Terrasse geschält und bis zur Zubereitung in nasses Zeitungspapier gewickelt hat. Es gab dazu Salzkartoffeln, Eier und Hollandaise, ganz einfach. 

Und Sie mochten das Frühlingsgemüse? 

Sehr sogar. Ich war generell kein heikles Kind, auch die leichte Bitterkeit hat mich nicht gestört. Vielleicht war ja der fränkische Spargel besonders gut? Krautknödel am Neujahrsmittag habe ich nicht gemocht – die schmeckten mir nach der feucht fröhlichen Silvesterparty jeweils nicht. 

24.02.2025 - Champagner Story im Lindenhofkeller Zürich - Grand Siecle - von Laurent-Perrier - Sebastian Rösch (Küchenchef Lindenhofkeller) mit seinem Co Geschäftsführer Alexander Schmidt (Sommelier Lindenhofkeller) (l)

Sie laden im Mai zum grossen Spargelfestival: Sommelier Alexander Schmidt & Küchenchef Sebastian Rösch (v.l.).

Spargel Violetta Italien - Jelmoli Food Market Zürich - April 2023 - Copyright Olivia Pulver

Violetter Spargel: «Für mich wurde er nicht gezüchtet», so Sebastian Rösch.

Binden Sie Spargeln beim Kochen zusammen? 

Das mache ich nicht, habe das aber in der Schnupperlehre mal in einem Restaurant gesehen. Vielleicht geht es ja darum, dass man die Stangen schon portioniert hat und dann bei grossem Gästeandrang schneller schicken kann. Was es ja auch gibt: Köche, welche die Spargeln, fast französisch, mit einem blanchierten Schnittlauch umbinden. Essen darf ja auch mal hübsch aussehen. 

Kommt Zitrone, Salz oder Zucker ins Kochwasser? 

Ich gebe Salz und relativ viel Zucker ins Wasser. Den Zitronensaft gebe ich lieber in die Hollandaise – sie darf einen leichten Säurekick mitbringen. 

Sind wir ehrlich: eine Spargelpfanne ist doch Blödsinn, oder? 

Gibt es Spargelpfannen, echt? Das höre ich jetzt offen gesagt zum allerersten Mal. Das ist ein wenig wie eine Schnittlauchschere… (Lacht.) Es gibt für alles einen Markt! 

Welche Sauce mögen Sie am liebsten zu Spargel? 

Ich mache verschiedene Saucen über die Spargelzeit verteilt – ich denke, man könnte jeden Tag in der Saison ein anderes Spargelgericht anbieten! Bei richtig schönem Spargel reicht etwas Nussbutter und ein paar gehackte Haselnüsse drüber! Das ist puristisch, aber wirklich genial. 

Oder? 

Man kann den Spargel auch gleich in Nussbutter confieren. Das braucht dann zwar ziemlich viel Butter, ist aber köstlich! So servieren wir ihn derzeit auch im Lindenhofkeller, kurz angebraten für die Farbe, kombiniert mit Löwenzahnkapern. Die Nussbutter montieren wir mit einem Spritzer Ponzu zur Emulsion. Obendrauf ein Wildkräutersalat aus Girsch, Zaunwicke, Schafbockskraut. Primeln. Wer möchte: ein paar Tropfen Hollandaise. Die Zusammenstellung wechselt fast täglich. Wenn es nochmals kälter wird, darf es auch eine geschäumte Spargelsuppe sein. 

Das sind eher Zubereitungen mit weissem Spargel. 

Ja. Zum grünen Spargel gibt es dann vielleicht eher Flusskrebs-Emulsion und gebackenen Fisch. Und ich bereite die grünen Stangen oft auch anders zu: gebraten oder roh gehobelt. So ist er ebenso spannend wie der weisse Spargel, die Königin! 

Wagyu Sevelen, Lindenhofkeller, Innenaufnahme

Weiss oder grün? Im Lindenhofkeller kommen beide Varianten auf den Tisch!

Manche mögen Schinken dazu – welchen würden Sie empfehlen? 

Ich bin Team Kochschinken! Mir gefällt saftiger Buurehamme dazu oder geräuchter Schinken, vielleicht sogar Speck! Das hat womöglich mit meiner Kindheit zu tun: Rohschinken ist für mich eher ein passender Begleiter zur sommerlichen Melone. 

90 Prozent des Spargels besteht aus Wasser - ist da die allgemeine Begeisterung nicht ein wenig übertrieben? 

Es ist vergleichbar mit den ersten Sonnenstrahlen im Frühling, wenn plötzlich alle unbedingt auf der Terrasse sitzen wollen. Die Faszination rührt sicher nicht zuletzt daher, dass sogar die Detailhändler Spargel zwar zu früh, aber nicht durchgehend  anbieten. Es ist eines der wenigen Frischprodukte, die man an Weihnachten nicht bekommt. Anders als etwa Erdbeeren. 

Haben Sie auch privat durchgehalten und auf die regionale Ware gewartet? 

Das fällt mir wirklich leicht, ich komme da überhaupt nicht in Versuchung. Was ich jeweils für die Gäste mache: Wenn der Spargel während der Saison geschmacklich am besten ist, lege ich ungefähr 20 Kilo ein, mit einem eher neutralen Sud. Die kann ich dann im März, wenn die ersten Gäste Lust darauf bekommen, beispielsweise ins Pot au feu geben.  

Wird es ein gutes Spargeljahr? 

Dieses Jahr scheint der weisse Spargel ja tatsächlich besonders gut zu schmecken – wegen des trockenen Frühjahrs sind auffallend wenig Bitterstoffe drin. Und gerade die dickeren sind heuer auch gegens Ende zu nicht holzig. 

Wie dick soll Spargel denn sein? 

Die meisten Kollegen nehmen feinere Stangen als ich. Ich mag dickere Kaliber, da habe ich weniger Verlust beim Schälen. Und vielleicht bilde ich mir das ja ein: In der Natur ist es häufig so, dass Zutaten, die mehr Zeit zum Wachsen haben, mehr Geschmack speichern. Dünne Spargeln verwende ich eher zum Einlegen – die brauche ich dann gar nicht zu schälen. 

Wagyu Swissbeef Sevelen, im Lindenhofkeller, Sebastian Rösch beim Anrichten des Carpaccios

Er würde es feiern, wenn Spargel vermehrt mit den Händen gegessen würde: Sebastian Rösch.

Halten Sie den Hype um den violetten Spargel für gerechtfertigt? 

Ich sag mal so: Für mich hat man den violetten Spargel nun wirklich nicht gezüchtet. Ich brauche nicht dreierlei Spargel nebeneinander auf einem Teller – nur weil es schön aussieht. Aber leben und leben lassen, Sebastian, sag ich da zu mir! 

Spargeln von Hand zu essen war früher üblich. Macht das bei Ihnen im Restaurant noch jemand? 

Hat man das früher gemacht? Ich mache das zu Hause, wenn es niemand sieht. Bei uns im Restaurant habe ich das aber noch nie beobachtet – dabei würde ich es feiern! Wer möchte, kann bei uns jederzeit eine Fingerbowle bestellen und die Spargeln mit den Fingern geniessen! Wir sind da ein entspannter Laden.  

A propos Knigge: Legen Sie holzige Stückchen in die Serviette oder an den Tellerrand? 

Auf der Terrasse hat man ja noch weitere Möglichkeiten… Aber es sollten ja keine holzigen Stücke mehr vorhanden sein – das Problem stellt sich eigentlich also nicht. Im Zweifelsfall auf den Tellerrand. 

 

 

>> Am Mittwoch, 14. Mai 2025, steht im «Lindenhofkeller» Spargel im Zentrum. Mittags mit eher traditionellen Zubereitungen, abends mit einem Sechsgänger. Informationen unter www.lindenhofkeller.com 

 

>> Sebastian Rösch ist Küchenchef im «Lindenhofkeller» Zürich, ausgezeichnet mit 16 Punkten. Er stammt ursprünglich aus dem Frankenland, Oberbayern, in Zürich hat sich der Starchef im «Mesa» einen Namen gemacht und war «Aufsteiger des Jahres 2021».

 

 

Fotos: Adrian Bretscher, Nik Hunger, Olivia Pulver