Text & Fotos: Pascal Grob
Markus Burkhard, Flavia Hiestand, Sie haben bis Herbst 2020 das Restaurant Jakob auf 16-Punkte-Niveau geführt. Kürzlich haben Sie die kulinarische Leitung im «Kosmos» übernommen und dazwischen noch ein Pop-up in der Central Bar veranstaltet. Wie haben sie die letzten zwölf Monate erlebt?
Hiestand: Das ganze Jahr war ein Auf und Ab – wie eine Achterbahn. Wir wussten lange nicht, wo wir hin wollen.
Burkhard: Wir mussten Anfang 2021 unser Pop-up «Cream» im Riffraff-Bistro Wermut vorzeitig schliessen aufgrund des zweiten Lockdowns, die Gastronomie war danach sechs Monate zu. Alles steht still und du weisst nicht wie weiter.
Was hat euch insbesondere gefordert?
Hiestand: An der grössten Herausforderung sind wir immer noch dran: die Umstrukturierung des «Kosmos». Vier Jahre lang wurde hier Gastronomie betrieben ohne Inhalt oder Vision und mit vielen Fertigprodukten.
Das klingt ziemlich harsch.
Burkhard: Eigentlich ist es simpel: Das «Kosmos» muss für etwas stehen, die Ausstrahlungskraft von uns kommen und eine klare Vision verfolgen. Ansonsten bilden Gäste ihre eigene Meinung, wofür das Bistro des Kosmos stehen soll und dann treffen zu viele Meinungen aufeinander, die wir nicht zufrieden stellen können.
Hiestand: Aktuell fühlt es sich an, als begännen wir wieder bei Null. Es sind die gleichen Diskussionen, die wir zu Beginn im «Jakob» hatten. Wir müssen uns vor den Gästen rechtfertigen, was wir servieren.
Was hat euch da am meisten schockiert?
Hiestand: Die Preisfrage. Selbstgemachte Ravioli mit den besten Produkten für 28 Franken oder Sauerteigbrot von «Züribrot», das wir nun mit Butter und einer Sonnenblumen-Petersilie-Creme servieren für acht Franken – dass Gäste in der teuersten Stadt der Schweiz solche Preise zu hoch finden. Sie hätten lieber zehn schlechte Kartoffeln statt fünf gute, aber dafür einen vollen Teller. Das Publikum des «Kosmos» ist gewissermassen der Spiegel der breiten Gesellschaft.
Burkhard: Das Unverständnis der Leute für unser Handwerk ist schon erschreckend und ein bisschen ernüchternd. Vor allem an einem Ort, wo andere kulturelle Dinge so bewusst wahrgenommen werden, Gäste extra hierfür herkommen: Vorlesungen von Autoren, Kinobesuche oder den Buchladen.
Gab es trotz allem auch Highlights in den vergangenen zwölf Monaten?
Burkhard: Unser Pintxo-Pop-up in der Central Bar fanden wir sehr lässig und dass wir eine Woche lang im «Gamper» aushelfen durften.
Hiestand: Allgemein ist es toll, zurück in Zürich zu sein. Hier herrscht eine andere Stimmung unter Gastronomen als in Rapperswil.
Burkhard: Wir können innerhalb weniger Minuten im «Rosi» sitzen oder nach dem Feierabend um elf Uhr sogar noch kurz bei Marius im «Gamper» vorbeischauen für ein Abendessen. Letzte Woche haben wir mit den «Action Burger»-Jungs mehrmals Lunch-Food über die Strasse ausgetauscht. Sowas macht schon Freude.
Was hat euch 2021 gelehrt?
Hiestand: Wir sind viel fokussierter als in der Anfangszeit im «Jakob», wo wir uns zuerst finden mussten. Jetzt haben wir eine klare Vision, sind selbstbewusster unterwegs.
Welches Restaurant würdet ihr nächstes Jahr gerne besuchen?
Burkhard: Zu Beni Landolt ins «Kin» beim Lochergut! Er kommt immer wieder zu uns essen und wir haben es bisher noch nie zu ihm geschafft – fast schon ein bisschen daneben. Ich war einmal zu Beginn da, aber er hat sich in der Zwischenzeit bestimmt massiv weiterentwickelt. Ansonsten wären auch «L’Ambroisie» und «Le Clarence» in Paris auf unserer Wunschliste.
Und was erhofft ihr euch für 2022?
Hiestand: Das Projekt «Kosmos» weiter voranzutreiben. Wir konnten neues Personal für die Küche engagieren, sogar eine Bäckerin und Konditorin, um unsere Süssigkeiten inhouse zu produzieren. Ausserdem arbeite ich gerade an einem Bar-Konzept, das nicht einfach nur Cocktails servieren soll.
Sondern?
Hiestand: Wir können noch keine Details verraten. Aber eine coole Bandbreite an Getränken und simpler Bar-Food werden im Fokus stehen. Das wird sich auch als schnelle Mahlzeit vor dem Kinobesuch eignen.
Burkhard: Generell hoffen wir einfach Schritt für Schritt weiterzukommen – egal, was wir machen. Bloss nie stagnieren.
>> Die Channel-Serie zum Jahresende: Sieben begabte Chefs ziehen Bilanz. Heute: Markus Burkhard & Flavia Hiestand, neu im «Kosmos», Zürich.