Fotos: Salvatore Vinci
Handschlag, und dann das Du. Ein Restaurant, das in vielem an ein Wohnzimmer erinnert? Im «The Dining Room» in Cham ZG wird man von Gastgeberin Johanna Hagen und Küchenchef Christopher Knippschild mit Handschlag begrüsst. In aller Regel wechselt man bald zum Du. Und tritt nach einem Glas Champagner durch einen Vorhang in den loft-artigen Esssaal, in dem man bald schon Fernseher, Couchgarnitur und an den Wänden grossformatige Bildern von Martin Zemp entdeckt. Anders, als die Fotos auf der Homepage des Restaurants suggerieren, muss man nicht mit all den anderen Gästen an einen gemeinsamen Tisch sitzen! Nochmals Glück gehabt!
Kühlschrank, Kochinsel, Pinzette. Johanna nimmt eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank, schenkt ein. Chris steht hinter der grossszügigen Kochinsel, bereitet den ersten Gang des fixen Fünfgängers zu. Dass er hierfür beim Anrichten zur Pinzette greift – da hört dann das «wie zu Hause» schon ein wenig auf. Eine grosszügige Tranche marinierter, abgeflämmter Fjordlachs wird begleitet von gekonnt eingesetztem Wasabi, Buttermilchsauce und Schnittlauchöl. Dekoriert wird mit Lachsrogen, Snackgurken und Borretschblüten.
Tomaten aus dem eigenen Garten. Der Teller schmeckt gut, sieht hervorragend aus. Doch weil man «bei Freunden daheim» nicht einfach mit dem Handy herumknipst, wird im «Dining Room» gefragt, ob man denn Fotos machen dürfe. Etwa von den süssen confierten Cherrytomaten aus Johannas Garten, kombiniert mit einem Black-Zebra-Sauerrahm-Dressing und Rauchmandeln. Hierbei hat der Küchenchef Mut zur Säure – und die Gastgeberin offenbar einen grünen Daumen. In den meisten Schweizer Gärten sind noch keine Tomaten reif. «Ich habe ein tolles neues Tomatenhäuschen!», erklärt sich Johanna, die auch nach gut neun Monaten hier in Cham offensichtlich noch viel Freude am Austausch mit den Gästen hat.
Gekocht bei Rösch & Colaianni. Chris mag Nüsse und Zitrusfrüchte. Das kommt zur Geltung bei einem weiteren Fischgang, der richtig, richtig heiss serviert wird: Steinbutt mit Yuzu-Beurre-blanc und weissem Spargel. Leicht jodig dazu eine Nocke Kaviar und schön süss die frischen Erbsen; für passenden «Crunch» sorgen Haselnüsse aus dem Piemont. Wo hat der Küchenchef sein Handwerk so verfeinert? Zuvor hat er schon bei Sebastian Rösch im «Mesa» Zürich, bei Antonio Colaianni damals im «Gustav» Zürich oder bei Esben Holmboe Bang im «Maaemo» Oslo gearbeitet.
Die Musik? Ist Geschmacksache. Man fühlt sich in seiner neuen Wirkungsstätte gut aufgehoben, tatsächlich fast so wie in einem Wohnzimmer von Bekannten. Bis noch zwei Dinge auffallen, die den Besuch im «Dining Room» eben doch von einem Abend bei Freunden unterscheidet: Es gibt auf der Toilette keinen Badezimmerschrank, den man neugierig erkunden könnte. Und man hätte wohl andernorts bereits etwas Schnippisches zur Musik gesagt: Aufgebröselte Versionen von «Ain’t no Sunshine» und «I’ll be watching you», das wirkt ein wenig willkürlich.
Intensive Aromen bis zuletzt. Der Hauptgang ist das absolute Gegenteil von beliebig: Schön rosa gebratener Lammrücken und eine panierte Krokette gefüllt mit Lammschulter werden von Ratatouille (klassisch und als Creme!) sowie Basilikumpesto begleitet. Solides Handwerk, intensive Aromen! Was sich bis zuletzt durchzieht: Die Desserts? Erst ein Sauerampfer-Sorbet mit Granny-Smith-Brunoises und fermentiertem Apfelsaft. Dann griechisches Joghurt als Glace, dazu Himbeeren, Holunder und kleine Würfel vom weissen Chocolate Cake. Es ist wie bei Freunden: Man bittet zuletzt um einen Espresso, verspricht bald wieder zu kommen – und beinahe vergisst man sogar zu bezahlen.