Text: Urs Heller I Fotos: Thomas Buchwalder
Spargel, Eigelb, Kaviar! Frühling ist, wenn der Zürcher 19-Punktechef Heiko Nieder seine berühmte Eigelb-Sauce über den badischen Spargel giesst, der auf den ersten Blick allerdings kaum zu erkennen ist (grosses Bild oben). Der Chef schneidet die Stangen seitlich auf, taucht sie in einem Spargelsud, serviert sie gerollt und bissfest wie Spaghetti. Ein wunderbares Gericht, aber wir würden es zur Nachahmung nicht empfehlen. Dieser Sud (Limonenöl, Baumnussöl, ein Hauch von Schinken) ist ganz grosse Küchen-Alchemie, den ganz grossen Chefs vorbehalten. Verblüffend ist, wie viel Power diese Spargelstreifen entwickeln. Einfacher ist es, diesem Gang noch das teuerste «Accessoires» zu applizieren: Kaviarbüchse auf (Kaviari «Gros Grains»), Löffel rein, anrichten! Die Kombo Spargel / Eigelb / Kaviar ist nicht neu auf dem Berg. Chef Heiko: «Im Frühling bin ich unseren Klassikern verfallen.» Die Stammgäste möchten diesen Signature Dish nicht missen.
Grosse Kino bereits beim Fingerfood. Der Start in den Abend ist in «The Restaurant» spektakulär wie immer. Snacks und Amuse bouches im Dutzend, keine flüchtigen «Grüsse aus der Küche», sondern kleine Kunstwerke. Eiersalat beispielsweise, verpackt in ein kleines Yakinori-Cornet, mit Schnittlauch und Dill, vor allem aber mit einer verblüffenden Dosis Senf. Anchovis-Streifen mit Gänsemastleber, Apfel, Sauerklee, Miso und Limettenabrieb. Oder Bottarga im knusprigen Brikteig-Körbchen auf weisser Schokolade (!), mit weissem Spargel, Basilikum-Olivenöl und Piment d’Espelette als Kontrast zur süssen Schoggi. Grosses Kino, bereits beim Fingerfood.
«Lobster & Friends». Heiko Nieder mag Hummer, kombiniert ihn seit Eröffnung des «Dolders» vorzugsweise mit Erdbeeren (!). Diesmal musste der teure Krebs aus der Bretagne gegen andere «Gegner» ankämpfen: Gurkengemüse, Ingwer, Meeresgrün, Jalapeño! Kein Problem: Der Hummer (mit Soja lackiert) war von bester Qualität, und der Chef pröbelte lange, bis ihn das «grüne Package» dazu überzeugte; kleine Melonenstücke zu den Gurken führten schliesslich zur angestrebten Harmonie. Übrigens: Heiko Nieder eröffnet demnächst ein Pop-up im eigenen Haus: «Lobster & Friends», Hummer in allen Varianten einen ganzen Abend lang! Wir haben schon mal einen Tisch reserviert.
Sanft & schön: Heikos Saibling. Natürlich war auch die Königsmakrele wunderbar, in dicke Tranchen geschnitten, serviert mit Erbsen, Kokosnuss, Curry und Dill. Der Saibling berührt den Gast noch mehr: Ein Traum fürs Auge, ein Traum für den Gaumen! Sanft gegart bei 65 Grad, sanft begleitet mit Raps und Kamille. Ein Signature Dish, nicht mehr wegzudenken von der «Dolder»-Frühlingskarte. Und auf unserer Wunschliste für die GaultMillau Garden Party am 14. August in Bad Ragaz.
Herz, Zunge & Lunge. Jeder Chef hat so seine Macken. Heikos Macke ist nicht unsympathisch: Er serviert in seinem grossen Menü gleich zwei Hauptgänge! Nummer 1: Zartes, rosa gebratenes Kalbfleisch (von Holzen in Ennetbürgen) mit mächtigen Morcheln, Kerbel, Lattich und Emmentaler (!), dazu ein Ragout der ganz besonderen Art: auch Herz, Zunge und Lunge ist drin! Nummer 2: Das Wohlfühl-Paket vom Wagyu, zarte Bäckchen mit Bärlauch, grünem Spargel und BBQ-Sauce. Apropos Wohlfühl-Paket: Für entspannte Stimmung sorgt auch das (zu 100 Prozent weibliche) Serviceteam: Eveline Igl und Top-Sommelière Lisa Bader führen hochprofessionell, aber unaufgeregt durch den Abend. Gourmettempel war mal; ein Diner im «Dolder» ist schon eher wie ein Abend bei Freunden.
Erbsli für Vegis: Gepuhlt und halbiert. Wohl fühlen sich im Swiss Deluxe Hotel auch die Vegetarier. Auch für sie liegt ein Achtgänger auf, mit Rande («Coffee Rub», Bärlauch, grüner Spargel) und Sellerie (Basilikum, Waldmeister, Campari!) in den beiden Hauptgängen. Spektakulär bereits der Start: Junges Gemüse, Kräuter, Blüten, getrockneter Ricotta, zweierlei Dressings. Die Jungs draussen in der Küche arbeiten hart: Die Erbsli sind gepuhlt und halbiert.
Das Osterei aus 12 000 Nelken. «The Dolder Grand» ist auch Kunsthalle, mit 120 ausgestellten Werken, auch von Dali, Murakami und Tinguely. Pünktlich zu Ostern ist ein Werk dazugekommen: Jani Leinonen, Künstler und Provokateur aus Finnland, hat zusammen mit dem hauseigenen Floristikteam ein Osterei gebaut, aus 12 000 Nelken, 2,5 Meter hoch! Reaktion der Gäste in der «Steinhalle»: Handy zücken, auf Instagram damit.