Interview: David Schnapp I Fotos: Valeriano di Domenico, Thomas Buchwalder
Sven Wassmer, wann haben Sie das erste Mal gedacht, dass drei Sterne möglich sind?
Das ist ein Jugendtraum von mir: Als ich in der Lehre als Koch war, wollte ich irgendwann auch einer der Besten werden. Man braucht grosse Ziele, um weiterzukommen. Ich habe viel in dieses Ziel investiert und dabei mich selbst und mein Team immer wieder angetrieben. Dass das heute passiert, ist unglaublich. Ich bin sehr happy und gleichzeitig fühle ich mich erleichtert und frei.
Sie sind nach der Feier in Tränen ausgebrochen – ein Zeichen des grossen Drucks, den Sie sich selbst auferlegt haben?
Ich habe drei Sterne zu Hause, eine wunderbare Frau und zwei geniale Kinder, aber diese weisse Kochjacke mit den drei Michelin-Sternen drauf hat mir noch gefehlt. Ich kann überhaupt nicht fassen, dass das hier passiert. Ich spreche zwar jetzt gerade, aber es fehlt mir schwer, Worte zu finden für all das.
Mit Ihren Ambitionen waren Sie nie zurückhaltend. Dass Sie öffentlich davon gesprochen haben, drei Sterne und 19 Punkte erreichen zu wollen, hat Ihnen nicht nur Sympathien eingebracht…
Wenn man seine Ziele nicht ausspricht, wird man sie auch nicht erreichen, davon bin ich überzeugt. Ich bin niemandem etwas schuldig und kann mit Kritik leben. Aber so wichtig ist es auch nicht, was andere über mich sagen oder denken. Ich lebe als Koch meinen Traum.
Wie meinen Sie das?
Ich koche genau so, wie ich kochen will und verstelle mich nicht. Dass man mit den Produkten des Alpenraums und aus der Natur und mit einem gewissen Anspruch an Nachhaltigkeit drei Sterne kochen kann, ist schon ein wenig crazy.
Ändert der dritte Stern etwas in Ihrem Leben als Koch?
Morgen Mittag stehe ich wieder im Restaurant, und wir bereiten uns für die ersten Gäste vor. Ich gehe auf dem Weg weiter, den ich eingeschlagen habe. Ich spüre aber auch eine leichte Genugtuung: Es gibt nur etwa 130 Drei-Sterne-Köche auf der Welt. Ich habe mit meiner Herangehensweise dieses höchste Ziel erreicht und muss nichts mehr erklären. Und ich bin auch deshalb erleichtert, weil ich meinem Arbeitgeber etwas zurückgeben kann. Das Grand Resort Bad Ragaz hat mir viel ermöglicht und ist jetzt das einzige Hotel in Europa mit insgesamt sechs Sternen.