Interview: Siméon Calame
Reh «from nose to tail». Jahr für Jahr stellt sich für Köche die gleiche Frage: Wie befriedigt man die Lust der Kundschaft auf Wildgerichte, langweilt sie aber nicht mit den immer gleichen Zubereitungen? Eine gute Antwort liefert heuer Edmond Bavois, Küchenchef im Neuenburger «Hôtel DuPeyrou». Zurzeit bietet er nämlich einen ganzen Viergänger samt Amuse-Bouche an, für den ganze Rehe «from nose to tail» verarbeitet werden. Grosses Bild oben: Guillaume Toupance & Edmond Bavois / Rehtatar mit Waadtländer Trüffel und Boskoop.
Edmond Bavois, wie sind sie auf die Idee mit dem Reh-Menü gekommen?
Ich komme aus einer Jägerfamilie und weiss darum, dass die Jagdsaison hierzulande einen ungeheuer hohen Stellenwert hat. Ich wollte den Geniesserinnen und Geniessern ein aussergewöhnliches Erlebnis bieten, basierend auf regional gejagtem Wildfleisch. Weil ich mich jeweils auf ein einzelnes Tier fokussieren, kommen auch weniger bekannte Teile auf den Tisch.
Dafür wären auch andere Wildtiere infrage gekommen. Wieso gerade Reh?
Das hat mit den erhältlichen Mengen zu tun. Hirsche dürfen von den Jägern im Kanton Neuenburg kaum geschossen werden. Oder nehmen Sie Gämsen, letztes Jahr bekamen wir beispielsweises nur vier Stück. In der gleichen Zeit verarbeiteten wir fast 60 Rehe.
Wo kommen die Tiere her?
Die ersten Rehe kamen aus dem Kanton Fribourg, dort beginnt die Jagdsaison jeweils als erstes. Derzeit bekommen wir Tiere aus Neuenburg, dann ist die Waadt dran.
Ist es kein Problem solche Mengen zu bekommen?
Man braucht in der Tat gute Beziehungen. Uns hilft ungemein, dass unser Restaurantleiter Guillaume Toupance selbst jagt und darum auf ein gutes Netz zurückgreifen kann. Und, glauben sie mir, auch was man mit den Rehen macht, hat einen Einfluss. Würden wir nur Edelstücke verarbeiten, würden uns die Jäger wohl so manches Tier nicht überlassen.
Sie machen quasi «nose to tail» - welche Zubereitungen kommen da zum Zug?
Gerade beim Amuse Bouche oder den Vorspeisen hat man verschiedene Möglichkeiten: Wildterrinen, Fleischkroketten oder wieso nicht eine Pastete mit Pilzen und Wild, die man dann im Gastraum vor den Gästen aufschneidet. Wichtig ist mir, dass die verschiedenen Teile des Rehs mit ihrer aromatischen Eigenart erkennbar bleiben.
Könnte man ein ganzes Menü mit den weniger noblen Stücken bestreiten?
Guillaume glaubt, dass dies bald kein Problem mehr sein dürfte. Ich bin da vorsichtiger - was ich mit einem Bild verdeutlichen möchte: Es ist inzwischen zwar mancherorts denkbar, dass ein Kellner in zerrissenen Jeans und einem leuchtfarbenen Shirt serviert - in der gehobenen Gastronomie dürfte dies aber weiterhin nicht der Fall sein.
Bei ihren Zubereitungen fällt auf, dass immer wieder auf Früchte zurückgegriffen wird. Weshalb?
Ein gutes Gericht braucht Säure, Süsse und Bitterkeit - und da leisten Früchte in Kombination mit den eher kräftigen Wildaromen gute Dienste. Nicht umsonst sind wir uns auch bei herkömmlichen Wildgerichten an karamellisierte Maroni und an Preiselbeerkonfitüre gewohnt.
Bis wann wird es das Reh-Menü bei Ihnen serviert?
Das hängt natürlich immer vom Glück der Jäger ab. Ich denke aber, dass wir bis Ende November die Karte nicht zu wechseln brauchen.