Text: GaultMillau Fotos: HO, Thomas Buchwalder
Herz, Leber & Magen! Fehlende Arbeitsmoral kann man den sieben Jungs draussen in der kleinen «Ecco»-Küche wirklich nicht vorwerfen. Sie geben alles, gehen bei jedem Gang die Extrameile, um ihr kulinarisches Versprechen einzulösen. Jeder einzelne Punkt (18) und Stern (2) ist hochverdient. «Es muss krachen», sagt Rolf Fliegauf, der «Giardino»-Chef der ersten Stunde. Im Hauptgang kracht es ganz besonders: Königstauben, vom «Vogelhändler der Nation» Fredy von Escher pünktlich ins Tal geliefert, sauber gebraten, mit herrlicher Purple-Curry-Kruste, nur leicht fermentiertem Rotkohl und viel Gänseleber in der Sauce (grosses Biild oben). Genial ist die Essenz dazu: Vierfacher Ansatz! Das Frechste liegt drum rum: Ravioli und Sandwich, gefüllt mit Herz, Leber und konfiertem Magen des Täubchens. Was der Service sensiblen Gästen vernünftigerweise nicht im Detail unter die Nase reibt… Fliegauf verrät fair, wer ihn zu diesem Tauben-/Purple Curry-Gang inspiriert hat: Der geniale Wiener Dreisterne-Chef Juan Amador.
Ein Engadiner Bio-Ei zum Auslöffeln. Drei «Kracher» bereits zum Start: Hiramasa Kingfish in drei Varianten, asiatisch interpretiert mit Dashi, Wasabi und Ponzu. Sündhaft teurer gebeizter und geflämmter «Ora King»-Lachs. Und ein Engadiner Bio Ei zum Auslöffeln: Speck vom eigenwilligen Nachbarn Plinio Laudenbacher ist drin, Croutons, Pilzwürfel, etwas Kiefernadelnöl; grosses Kino auf kleinstem Raum. Eine schmelzende, verführerische marinierte Gänseleber-Terrine folgt, mit einer hauchdünnen Scheibe Felchlin-Schokolade mittendrin und einem Gänseleber-Eis; vernünftigerweise ist es nur eine ganz kleine Glacekugel, die die Foie gras nicht «erschlägt».
Austern? Gillardeau! Rolf Fliegauf wagt sich gerne an die Auster: Eine pralle Gillardeau ist es, die pochiert und in der Schale zum Gast kommt; Gurke, Meerrettich und Planktonvinaigrette steuern Frische bei, chinesischer Kaviar den Luxus. Der Carabinero aus Marokko ist da wohl mehrheitsfähiger, und natürlich bleibt es nicht beim knackigen roten Krebs: Applaus für den kräftigen Krustentiersud, Applaus für das elegante kleine Ravioli mit Carabinero-Fleisch.
Heilbutt & Albula-Stampf. Grosse Köche mögen grosse Stücke! Der bretonische Heilbutt brachte stolze 14 Kilo auf die Waage! Wir kriegten eine Tranche vom Mittelstück – sanft im Holdomat und unter dem Salamander gegart, Lamelle für Lamelle ein Hochgenuss. Dazu ein «Stampf» aus Albula-Kartoffeln und eine ungewöhnliche Sauerkraut-Beurre Blanc. Wir wollen ja nicht pingelig sein – aber das Sauerkraut in der Sauce braucht es nicht, das Gericht ist auch ohne genial genug. Zum Schluss hat der Pâtissier einen steilen Auftritt: Mit einer erfrischender Blutorangen-Variation und mit feinen Friandises, in einem kleinen «Wald» versteckt und als «Winterwonderland» deklariert.
Vegi-Sechsgänger. Im «Ecco» werden Vegetarier sehr ernst genommen, ein liebevoll inszenierter Sechsgänger erwartet sie; der junge Gemüsebauer Stefan Brunner ist dafür der Hoflieferant. Paradegericht: Rotkohl, glasiert und leicht fermentiert, Mascarponeravioli, Purple Curry. Das letzte Kompliment geht an den Service: Rolf Fliegaufs Frau Jenny führt die «Girl’s Gang». Die jungen Mitarbeiterinnen flitzen freundlich durch den fensterlosen (!), mit Kerzen, Rosen und Gold aufgepeppten Gewölbekeller, kennen die Kreationen des Chefs bis ins letzte Detail. Intensive Schulung, viel Engagement.