Text: Urs Heller, Fotos: Thomas Buchwalder, Urs Homberger
«Moving Mountains»! Die Besitzer der «Tschuggen Hotel Group» verpassen ihren Köchen (und ihren Gästen) ein ziemlich rigides Konzept. Gekocht wird auf rein pflanzlicher Basis. Fleisch und Fisch sind gewissermassen Beilage. Wärmstens empfohlen wird das vegane «Moving Mountain Menü». Im «La Brezza» geht die Rechnung auf: Marco Campanella ist ein ziemlich genialer Koch, hat das Know-how und die Neugier, um die veganen Vorgaben umzusetzen. Und vor allem darf er für die Gäste des Swiss Deluxe Hotels auch noch ein zweites Menü schreiben: «Ispirazione». Auch sehr gesund. Aber ohne Verzicht.
Rettich, Knollensellerie, Kartoffeln. Im «Menu Moving Mountain» werden sieben austarierte, wunderbar kombinierte Gerichte angeboten, für stolze 165 CHF. Rettich & Chicorée. Tessiner Tomaten & Pinienkerne. Weisser und grüner Spargel mit Estragon und Senfkörnern, Campanellas grandiose Ravioli (mit Morchelfüllung), geschmorter Knollensellerie mit Erbsen und Balsamico Jus, Gianduja Nougat mit Erdbeeren. Am Beispiel Hauptgang zeigt sich, wie aufwendig der Chef sein veganes Konzept umsetzt: Albula-Kartoffeln mit feinen Zwiebeln und Salzzitrone; die Schalen der Kartoffeln sind die Basis für den feinen Röstkartoffel-Jus. Wird das Menu Moving Mountain auch tatsächlich bestellt? Eher selten. Aber im «La Brezza» darf man switchen und den einen oder anderen veganen Gang ins «Ispirazione» einbauen. Lohnt sich.
Fingerfood, instagramtauglich. Best of «Ispirazione»? Das Tartelette mit Avocado-Schaum, etwas Zitrone und einem Coregone-Tatar (Felchen aus dem Lago Maggiore) ist ein Hammer, als Fingerfood und in seiner Schönheit wohl auch auf Instagram. Grosses entsteht auch mal per Zufall: «Ich mag zum Frühstück Omeletten mit Avocado und Limette. Daraus haben wir diesen Starter entwickelt», verrät Chef Marco. Den Carabinero drapiert er auf Algencrumble, setzt auf schwarzen Rettich, Erbsen und Erbsencrème, Daikon-Ravioli und lässt dazu eine überraschende Pak Choi-Sauce dazu eingiessen. Die kleine Milke vom Holzen-Kalb ist sous-vide bei 65 Grad zubereitet und gut «verpackt»: Drunter eine sehr geschmacksintensive Duxelle von Frühlingsmorcheln (darf man so schöne Pilze wirklich so zerhacken?), drüber ein knuspriger Chip – aus Hühnerhaut! Die Schnittlauch-Beurre Blanc dazu hatte Eleganz.
Ravioli «Cacio e pepe»! Die wunderschön geformten, brennnessel-grünen Ravioli mit Wiesenkräutern sind ein Höhepunkt im Menü. Campanella füllt sie mal mit Eigelb mit Pecorino Romano. Maggia-Pfeffer kommt dazu, und schon ist ein Klassiker der römischen Küche «reloaded»: Cacio e pepe! Chef Marco kocht auch an der GaultMillau-Garden Party vom 15. August; wir gehen davon aus, dass er diese Ravioli mitbringt nach Bad Ragaz.
Lammhaxe in der Sauce. Tester-Schicksal? Wer immer im Tessin auf Restaurantbesuch ist, kriegt im Menü einen Zander. Der Maggiore muss voll sein von diesen Lucioperca! Die «La Brezza»-Interpretation ist prima: Spargeln aus dem Badischen (angeliefert vom ehemaligen Zürcher Banker Caspar Ruetz), angerichtet wie im Badischen mit Eigelbsauce und Spargel-Minisalat unter einer dünnen Scheibe Lardo di Colonnata (Speck). Im Finale Dreierlei vom Lamm (by Alfred von Escher): Rücken und Bauch sind auf Anhieb zu identifizieren, die Haxe entdeckt man erst auf den zweiten Blick: Sie sorgt, kleinstteilig geschnitten, für Power in der Sauce.
«La Casetta»: Risottino al momento! Zweite Top-Adresse im Resort: «La Casetta», die wundervolle Terrasse über dem Lago Maggiore. Kein Fine Dining, kein Ausritt in vegane Sphären, aber dafür sehr viel Italianità. «Un Spaghettino. Un Risottino», bestellt Gastgeber Roberto Cipollina. Chef Giuseppe Trentadue aus Puglia übernimmt, in der wohl kleinsten Küche aller Tessiner Fünfsterne-Hotels (geschätzte zwei Quadratmeter!). Das Ergebnis ist hervorragend: Spaghetti mit vongole, Risotto mit Gamberi rossi. Giuseppes Geheimnis? Alles wird «al momento» zubereitet; vorkochen und regenieren kommt für den sympathischen «Cuoco» nicht in Frage.
Pietro Leanza & Caterina Vosti. Im Ristorante «Eden Roc» steht ein Wechsel an. Chef Cyrille Kamerzin verabschiedet sich, nach 23 (!) erfolgreichen Jahren. General Manager Simon Spiller hat die Nachfolge bereits geregelt: Caterina Vosti, eine junge Tessinerin, übernimmt. Sie hat dank Andreas Caminadas «Uccelin»-Stiftung Spitzenköche in der ganzen Welt besucht, in der «Villa Kennedy» in Frankfurt und zuletzt in «The Capra» in Saas-Fee gearbeitet. Pietro Leanza ist der neue Pâtissier im «La Brezza». Abgeworben wurde er beim Nachbarn, im «Seven».
Rampazzi & ein Tandem-Flug. 20 neue, elegante Zimmer und Suiten. Carlo Rampazzi hat sie überraschend zurückhaltend eingerichtet. Highlight: Von der riesigen, freistehenden Badewanne blickt man entspannt raus auf den Lago Maggiore. Wer lieber den ultimativen Klick sucht, wandert hoch auf die Cimetta, wird dort von einem Paragliding-Tandempilot empfangen und in den Sonnenuntergang. «Empowering Expeditions» - auch das gehört zum «Moving Mountain»-Programm.