Text: Stephan Thomas
Bienenpsychologie. Für alle, die ihn noch nicht kennen: Hansjörg Ladurner ist der Terroirkönig Graubündens. In seinem Restaurant «Scalottas Terroir», das zum Hotel Schweizerhof in Lenzerheide gehört, zaubert er mit Arveneis und Alpenrosenstaub, Bergheujus und Kastanienrauch. Die Tiere für sein Fleisch lässt er von Vertrauensleuten vor Ort grossziehen, seien das nun die Turopolje-Schweinchen in Zorten oder die Yaks in Sufers. Sein neuester Coup: Honig von eigenen Bienen. Ausgerechnet er, der allergisch auf Bienenstiche reagiert. «Man muss sich nur gut schützen. Man darf sich auch nie einem Bienenstock hektisch nähern, auch nicht innerlich. Die Bienen spüren das.» Umgekehrt müssen Imker auch sensibel auf das Befinden der Bienen reagieren. «Man kann an dem Ton, den die Bienen in ihrem Stock machen, auf ihre Laune schliessen. Es gibt Tage, da macht man den Deckel am besten gleich wieder zu.»
Ohne Bienen läuft nichts. Bleibt die Frage, weshalb ein Koch wie Hansjörg Ladurner zur Imkerei kommt. Dazu braucht es doch einige Sachkenntnis. «Mich haben Bienen immer fasziniert. Mein Grossvater war Imker, mein Onkel einer der grössten Produzenten im Südtirol, wo ich herkomme. Ich habe mich schon früh mit der Materie befasst. Die Organisation in einem Bienenstock ist faszinierend, ein enorm spannender Kosmos. Woher wissen die Bienen, was ihre Aufgabe ist? So oder so könnten wir Menschen ohne die Bienen nicht leben.» Den konkreten Anstoss zu den Scalottas-Bienen gab Regula Mani. Sie ist als Kindergärtnerin im Schweizerhof tätig und hält im Nachbardorf Zorten Bienen. Im Gespräch entstand die Idee, beim «Scalottas Terroir» Bienen anzusiedeln. Regula und Hansjörg teilen sich die Betreuung, schauen zeitweise täglich bei den Bienen vorbei. Das gibt so viel zu tun wie ein anderes Haustier.
Honig rühren statt Fitnesscenter. Natürlich hat Hansjörg Ladurner immer die Küche im Hinterkopf. «Wir verkaufen zwar den grösseren Teil unseres Honigs, aber einen Drittel verwenden wir im ‹Scalottas Terroir›. Etwa als Honigeis, oder als Arvenhonig zum Käse. «Beim Arvenhonig rührt man den Honig mit einem Arvenlöffel in einer Schüssel aus Arvenholz. Zweimal täglich fünf Minuten, über eine Woche lang - das geht in die Oberarme. Wir könnten den Arvenhonig verkaufen, aber der Aufwand bei der Herstellung ist schlicht zu gross.» Kürzlich hat Hansjörg ein Rezept seiner Grossmutter nachgekocht: Eingemachte Randen mit Zwiebeln in einem Sud aus Essig, Wasser und Honig. «Das hat man früher als Zwischenverpflegung gegessen. Da sieht man, wie sich die Zeiten ändern. Meine Grossmutter hat zwei Kriege mitgemacht. Sie hat oft Honig verwendet, weil kein Geld da war, um Zucker zu kaufen.»
Alpaufzug für Bienen. Im Sommer zügelt Hansjörg Ladurner neuerdings zwei Bienenvölker in seinen Bergacker - ein Alpaufzug für Bienen gewissermassen. Dort können sie sich an den Blüten von Klatschmohn, Ackerbohnen und Kornblumen gütlich tun. Und an der Begleitflora, wie Unkraut neuerdings heisst. Die darf hier nämlich stehen bleiben. Hansjörg könnte seinen Honig locker Bio-zertifizieren lassen. «Auf der Lenzerheide gibt es keine intensive Landwirtschaft, auch kaum Hobbygärtner, weil die Lage zu hoch ist. Die Bienen ernähren sich ausschliesslich von der Alpenflora. Aber ich bin kein Label-Fan. Mir geht es bei allen Produkten um die Philosophie, um den Kontakt zu den Produzenten. Und natürlich um den Geschmack. Der ist entscheidend, nicht das teure Label auf der Verpackung.»
>> Fotos: Tina Sturzenegger, Marcus Gyger, Joan Minder