Text: David Schnapp | Fotos: David Birri
Junge Leute mit Energie. Der «Fiescherblick» in Grindelwald ist ein schönes Beispiel für die Möglichkeiten, die das (Geschäfts-)Leben bietet, wenn junge Leute mit Ideen, Energie und Unternehmergeist zusammenfinden und etwas auf die Beine stellen: Das Ende 2022 eröffnete Hotel Fiescherblick der beiden engagierten Gastgeber Lars und Matthias Michel ist für das Jungfrau-Eiger-Dorf ein fast schon revolutionäres Konzept. Da ist zum einen die Mischung aus Geranium-Gemütlichkeit und dänischem Hygge-Stil, der sich konsequent und ästhetisch durch die Inneneinrichtung der öffentlichen Räume und der 19 Zimmer zieht. Die Mutter der Brüder ist zur Hälfte Dänin, was das skandinavische Flair gut erklärt. Grosses Bild oben: «Fiescherblick»-Küchenchef Aurélien Mettler im Kräutergarten ganz oben mit seinen Köchen Raphael Theiler, Urs Grunert, Alexane Dognon und Pavol Rejdovan, v.l.n.r.
Menü statt Rösti. Zum andern bieten die jungen Betreiber ihren Gästen nicht die vor Ort weit verbreitete Rösti-Gastronomie, sondern setzen mutig auf ein modernes Menü-Konzept: Angeboten werden drei, vier oder sechs Überraschungs-Gänge, eine A-la-Carte-Auswahl ist nicht vorgesehen. Für das Menü ist der erst 27-jährige Berner Aurélien Mettler zuständig, der mit erstaunlicher Souveränität sein Team von vier Köchen anleitet und mit konsequent einheimischen Produkten Gerichte kreiert, in denen er gleich noch verschiedene Küchen-Stile integriert.
«Richtig kochen.» Für diese drei Stile gibt es auf der Anrichte in der geräumigen Tageslichtküche eine Art Schrein, in dem drei kleine Objekte aufgestellt sind: Die Lilie steht für das klassische Handwerk der französischen Haute Cuisine, eine Comic-Figur des nordischen Gottes Odin für die «New Nordic Cuisine» und eine goldene Winke-Katze für die Aromen Japans. «Die Figuren stehen mit einem Augenzwinkern für die drei Elemente meiner Küche», erklärt Aurélien Mettler die Installation: «Wir kochen richtig nach französischer Basis, so wie ich das gelernt habe. Und richtig kochen heisst für mich beispielsweise, dass wir alle Fonds selbst machen, ganze Fische verarbeiten und aus den Abschnitten den eigenen Fumet herstellen.»
«Faszinierende Arbeitsethik.» Aus Skandinavien wiederum kommen Ideen wie die konsequente Verwendung lokaler Zutaten – inklusive Kräuter aus dem eigenen Garten bei der Hotel-Terrasse – und auch, dass die Köche den Herd verlassen und den Gästen einen Gang servieren, ist ein Trend, der in der «New Nordic Cuisine» populär wurde. Schliesslich begeistert den jungen Koch die Arbeitsweise und Geschmacksbalance japanischer Köche. «Bei meiner Reise durch Japan hat mich die Arbeitsethik der Chefs dort unglaublich fasziniert. Diese Hingabe und Genauigkeit ist einmalig», sagt Mettler über seine Fernost-Faszination.
Kletterhalle und Pop-up. Aurélien Mettler ist zwar ein junger Koch, aber mit bereits vielfältiger Erfahrung. Unter anderem war er einmal Leiter und gleichzeitig Küchenchef einer Kletterhalle, er hat die Eröffnung des «Lokal» in Biel mitgestaltet oder im «La Maison du Village» in Saint-Aubin-Sauges (16 Punkte) klassisch-saisonal gekocht. Eine seine prägendsten Stationen sei allerdings kein Restaurant, sondern ein Pop-up-Projekt in Bern gewesen: «Bei Markus Arnold im ‹Mr. Mori› habe ich viel über Organisation und sauberes exaktes Arbeiten gelernt. Darauf achte ich heute sehr. Wer nicht sauber arbeitet, kann nicht gut kochen», sagt Mettler mit Überzeugung.
Inspirierende Produkte. Mit seinem kleinen, jungen Team kocht Aurélien Mettler spürbar der Saison und den vorhandenen Produkten nach: Gurken beispielsweise werden vielfältig geschmort, geflämmt oder knackig-roh angerichtet mit Couscous und einem Joghurtschaum. Verschiedene Tomaten aus dem Berner Seeland werden zu Tatar und zu einem klaren kühlen Fond verarbeitet und ergeben eine sommerliche, fein in Balance gehaltene Vorspeise. «Produkte inspirieren mich am meisten: Wenn ich super Tomaten bekomme, muss ich gar nicht viel damit machen», sagt Mettler über seinen Weg zum fertigen Gericht. Das sei bei seinem Start im vergangenen Winter in Grindelwald nicht so einfach gewesen. «Ich hatte kaum Vorlauf und konnte den Sommer beispielsweise nicht zum Einlegen von Gemüsen benutzen. «Das war eine schwierige Zeit», sagt der Koch.
>> GaultMillau und American Express scouten junge, begabte Köche, die die Zukunft vor sich haben, für die Liste «Talente 2023». Fortsetzung folgt.