Text: Urs Heller Fotos: Thomas Buchwalder, David Biedert
Selfies nach Mitternacht. Für «Dolder Grand»-Chef Heiko Nieder war’s kein Tag wie jeder andere: «Eckart Witzigmann im Haus – das macht mich ganz nervös. Er ist eine lebende Legende, hat Dutzende von Sterneköchen ausgebildet.» Der Münchner, 1994 von GaultMillau zum «Koch des Jahrhunderts» gewählt (Bild oben), steht mit seinen 78 Jahren nur noch bei ganz besonderen Gelegenheiten selbst am Herd. Bei «The Epicure» in Zürich beispielsweise. Da sorgte er für Begeisterungsstürme und Blitzlichtgewitter. Er verwöhnte die Gäste mit Rehrücken und einer Sauce Rouennaise, die längst Kult geworden ist in der Spitzenküche. Oder mit Fleischpflanzerl und Foie gras. «Bouletten Rossini – das hatte ich wirklich noch nie», staunte Mattias Roock, der junge Küchenchef des «Castello del Sole» in Ascona. Eckart Witzigmann kam erst im Morgengrauen ins Bett: Dutzende von Gästen baten um ein Autogramm (die älteren) oder um ein Selfie (die jüngeren).
Klein klopft den Turbot. Ein Witzigmann kommt nicht mehr alleine. Der Elsässer Martin Klein ist der Mann an seiner Seite, seit 15 Jahren schon. «Ich bin mit Herrn Witzigmann mehr zusammen als mit meiner Frau. Und ich lerne jeden Tag etwas von ihm.» Klein führt das Kult-Restaurant «Ikarus» im «Hangar-7» in Salzburg (gehört Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz), hat schon 187 Gastköche aus der ganzen Welt in seiner Küche empfangen und selbst auch schon zwei Sterne erobert. Sein Hammergang im «Dolder»: Steinbutt im Salzteig, für 60 Personen. Klein klopfte im Eilzugstempo den Turbot aus der Kruste (nur das dicke Mittelstück!), servierte dazu eine sensationelle Steinpilz-Pinienkern-Vinaigrette. Da waren alle atemlos. Der neue BMW-CEO Paul de Courtois, Hauptsponsor des grandiosen Gourmetfestivals. Und auch die Profis draussen in der Küche.
Heinz Becks Enten-Tortellini. Klar gehört die kulinarische Zukunft der Jugend. Aber die alten Herren liessen sich an diesem Festival von der «new generation» nicht weichkochen. Auch Heinz Beck, Roms einziger Dreisterne-Koch nicht. Ententortellini, Piniennadel-Infusion, Steinpilzpulver - «vielleicht der spektakulärste Gang der ganzen Woche», staunte Gastgeber Heiko Nieder. Beck war tiefenentspannt, stiess schon bald einmal mit einem Gläschen Krug auf einen gelungenen Abend an. Beck steht in der ewigen Stadt für ewigen Erfolg: Seine «La Pergola» in Rom ist täglich ausverkauft, seit 20 Jahren schon! Hausherr Heiko Nieder hatte den härtesten Job: Er spielte eine Woche lang bei «The Epicure» Gastgeber. Und er steuerte zu jedem Starchef-Diner vier eigene Gänge bei. Auch sein «Vierhänder» mit Peter Knogl («Trois Rois» Basel, 19 Punkte) war ein Erfolg. Heiko zeigte Klasse und Kondition: «Viel mehr als zwei Stunden Schlaf pro Nacht lagen nicht drin.»
100 % Natur. 100 % Norbert. 400 Gäste beim «The Final» am Sonntag. Gleich elf Chefs kochten im noblen «Swiss Deluxe»-Hotel auf. Höhepunkte? «Davidoff»-Ambassador Shaun Rankin aus London (auch für BBC vor der Kamera) servierte Rehrippen-Braten und geräucherte Schokoladen-Tortellini. Sven Wassmer (bald im Grand Resort Ragaz) begeisterte mit seinem Signature Dish: Saibling mit gebratenem Rahm und Tannensprössling-Öl. Geburtstagskind Norbert Niederkofler, Südtirols einziger Dreisterne-Koch, setzte sein «100 Prozent Natur»-Konzept radikal um: Tatar von der Renke mit Holunderbeeren. Das geht dann so: Die Schuppen werden knusprig frittiert. Grüner Apfel sorgt für Frische. Aus Karkasse und Kopf wird eine Beurre-blanc-ähnliche Sauce zubereitet. Schlicht grossartig.