Text: David Schnapp Fotos: Thomas Buchwalder

Klaus Erfort, Sie haben kürzlich gesagt, die Sterne-Küche hätte einen schweren Stand in Deutschland, viele Gäste seien zu verkrampft. Wie meinen Sie das?

Die Sternegastronomie leidet bei uns nicht zuletzt unter der Politik: Man darf kaum jemanden zum Essen einladen, ohne dass gleich Bestechung vermutet wird. Und ich vermisse persönlich die Lebensfreude meiner Landsleute, wenn es ums Essen, Trinken oder das Rauchen von Zigarren geht. Für mich sind diese Dinge ein grosser Spass. Den Italienern oder den Franzosen fällt das leichter.

 

Ein Beispiel?

Ich wohne seit einiger Zeit in Frankreich, wenn man da sonntags in ein Spitzenrestaurant geht, sitzen ganze Familien am Tisch, die Stimmung ist froh. Als meine französischen Nachbarn herausgefunden haben, dass ich ein 3-Sterne-Restaurant führe, war das für mich ein ziemlicher gesellschaftlicher Aufstieg (lacht)

Heiko Nieder The Dolder Grand Zürich

Bei ihm treffen sich Dreisterne-Köche zu einem «Vierhänder»: Heiko Nieder, Dolder Grand Zürich.

Und in Deutschland?

In Deutschland sorgt die Neidgesellschaft dafür, dass sich zum Beispiel das Gerücht hartnäckig hält, Spitzenköche würden Leute aus dem Lokal weisen, weil man vom Teller des Gegenübers gegessen habe. Das ist unglaublich!

 

Essen die Deutschen einfach nicht so gerne gut?

Fürs Saarland kann ich zumindest sagen, dass hier das Essen schon viel mehr im Mittelpunkt steht als im Rest der Republik. Unsere Gäste kommen zu einem Drittel aus Frankreich und Luxemburg, der Rest sind deutsche und internationale Gäste.

 

Sie haben die Erwartungshaltung vieler Gäste kritisiert, dass der Koch zu Ihnen an den Tisch kommt. Was ist falsch an dieser Erwartung?

Ich spreche gerne mit meinen Gästen, aber wenn ich schon zwölf, dreizehn Stunden gearbeitet habe, möchte ich selbst entscheiden, wie der Abend zu Ende geht. In Frankreich erwartet niemand den Koch am Tisch. Und es ist doch so: Wenn ich zu einem Paar komme, das gerade händchenhaltend seinen Hochzeitstag feiert, dann störe ich doch bloss.

 

Wie bringen Sie junge Leute ins Restaurant?

Für mich besteht das Rezept darin, eine eigene Handschrift zu haben, das ist viel wichtiger als das ganze Drumherum, das heute um das Essen gemacht hat. Bei vielen Tellern können Sie heute ja kaum noch sagen, wer sie gekocht hat. Und für junge Gäste mache ich auch gerne mal ein Menü zum Spezialpreis.

Klaus Erfort

Klaus Erfort am «Epicure» in Zürich. Der Saarbrücker begeisterte mit seinen klaren, geschmacksintensiven Gerichten.

Was ist der typische Erfort-Geschmack?

Uns zeichnet die Reduktion auf das Wesentliche aus. Ich will nicht viel mehr als drei Sachen auf dem Teller haben. Die dürfen – geschmacklich gesehen – auch Ecken und Kanten haben, aber sie müssen zusammenpassen. Ich bin kein verspielter Koch, ich suche die Harmonie.

 

Ein typisches Menü bei Ihnen umfasst Hummer, Foie Gras, Langoustine Royale, Seezunge oder Taube – typische Produkte der Haute Cuisine. Wie wichtig ist für Ihre Küche diese Art von Luxus?

Ich koche gerne auch mal eine Kalbshaxe. Aber die auf Salz gegarte Langoustine ist ein Klassiker von uns, und ich halte es für ein super Gericht – das möchte ich nicht mehr von der Karte nehmen.

 

Junge Köche machen fantastische Sachen mit Gemüse oder anderen einfachen Produkten. Ein guter Weg?

Ich habe schon tolle Sellerie-Gerichte gegessen, zum Beispiel bei Rolf Fliegauf im «Ecco» in St. Moritz. Aber ich zweifle etwas daran, dass man einem Saibling so viel Geschmack abgewinnen kann.

 

Was ist für Sie die Essenz eines herausragenden Essens?

Ich lasse mich gerne überraschen, eines meiner besten Essen hatte ich an der Atlantikküste bei Hans Neuner in Portugal. Er schafft die Kombination aus Trends und guten Produkten, das bewundere ich

 

Apropos: welchen Küchentrend werden Sie nie verstehen?

Das Bevormunden des Gastes beim Essen: Wenn einem der Service eine Anleitung vorträgt, wie man was zu sich zu nehmen hat. Das einzige Mal wo das Sinn gemacht hat, war damals im «El Bulli», wo Ferran Adrià die Molekularküche erfunden hat.

 

Sie sind Gast bei «The Epicure» im «Dolder Grand»: Was kochen Sie in Zürich?

Es gibt Gänseleber mit Topinambur, Gartengurke mit Dashi-Essig und Kaviar, Schweineschwanz mit grillierter Langoustine und zum Hauptgang servieren wir Rehrücken – das sind Klassiker von mir. Mir ist es wichtig, den Leuten etwas zu servieren, wofür ich stehe.

 

Schlagwort: «klassische Küche» – was ist das für Sie?

Die klassische französische Küche ist für mich die Basis meiner Arbeit, das Produkt steht dabei im Mittelpunkt eines Gerichts, die Sauce ist wichtig, und ein Menü soll bekömmlich sein. Der Grosseinsatz von Geliermitteln ist ja bei vielen Gästen mittlerweile eine Herausforderung für den Magen.

 

>> Klaus Erfort, geb. 1972, gehört zur Elite der deutschen Spitzenköche. Sein «Gästehaus Klaus Erfort» in Saarbrücken wird mit 19,5 Gault-Millau-Punkten (Prädikat: «Höchstnote für die weltbesten Restaurants») und 3 Michelin-Sternen bewertet. Erfort war «Koch des Jahres 2008». Der gebürtige Saarländer betreibt in Saarbrücken auch das Hotel «Fuchs», ist verheiratet und Vater eines 14-jährigen Sohnes.