Text: GaultMillau Schweiz Fotos: Christian Wyrwa / HO
Kevin & Kaviar. Die MS Europa startet im 21. Dienstjahr nochmals durch. Der Dresscode ist gelockert, Rituale aus der Vergangenheit (Captain’s Dinner, Krawatten) sind gestrichen. Dafür hat die Reederei Hapag-Lloyd kulinarisch nochmals gewaltig aufgerüstet. Die freche Formel: Kevin & Kaviar. Das neue «Pearl» auf Deck 7 ist ein reines Kaviar-Restaurant (!), der Hamburger Dreisterne-Koch Kevin Fehling (grosses Bild oben) ist zurück an Bord und fulminant gestartet: So gut wie in «The Globe» isst man auf See nirgends! CEO Karl J. Pojer, «Mastermind» der Europa-Transformation: «Die beiden neuen Restaurants treffen den Geschmack unserer Gäste und sind auch meine ganz persönlichen Highlights.»
Labskraut & Dashi-Wolke. HapagLloyd spielt mit offenen Karten. Superstar Kevin Fehling ist nur 20 Tage pro Jahr selber an Bord; sein bereits Monate im voraus ausgebuchtes «The Table» in Hamburg hat Priorität. Aber Kevin schickt coole Jungs auf Weltreise. Beispielsweise seinen jungen Küchenchef Dennis Ilies, der sehr genau weiss, was der Chef will: Sterneküche auch auf See, Gerichte zum Schmunzeln. Labskraut beispielsweise, im Heimathafen Hamburg eher eine derbe Angelegenheit, wird im «Globe» neu dekliniert: Wagyu im «Corned Beef», Randen als Sorbet, eingelegte rote Zwiebeln, Bratkartoffel-Espuma. Der beste Gang auf der ganzen Cruise: «Japanische See»! Exklusiver Balfego-Tuna, Wasabi-Gurkencrème, Rettich – und eine aufgeschlagene «Dashi-Wolke». In dieser kleinen Vorspeise zeigt sich Fehlings ganze Klasse: Verschiedene Texturen, verschiedene Temperaturen, traumhaft ausbalanciert und kombiniert. Kaviar muss auch bei Kevin sein, so will es die «Europa-Hausordnung». Die teuren Körner gibt es mal zur geflämmten Jakobsmuschel, mal zu Rindertatar mit Kartoffelschaum und Kartoffelschalen-Gelee (!).
Das Restaurant der schwarzen Perlen. Ziemlich frech ist das Konzept im neuen Restaurant «Pearls» (mit eleganter Terrasse zum Meer): Nur Kaviar, und das bis zum Abwinken, aus verschiedenen Ländern und, sagen wir mal, in unterschiedlichen Qualitäten. Angerichtet wird vergnüglich: «Mandarin Imperial» zum Langusten-Sandwich, Beluga di Venezia zum Kabeljau, Ossetra zum Rinderfilet. Puristen greifen lieber gleich zur Dose, bestellen die schwarzen Perlen mit den klassischen Komponenten. Der Kaviar-Konsum an Bord der «MS Europa» ist enorm: 30 Kilo pro Reise können es schon sein.
Hummer oder Wienerschnitzel? Auch Küchenchef Timon Michael Lohrengel hat sein Revier: Das entschlackte Hauptrestaurant «Europa». Die Karte ist gar nicht entschlackt: 24 Positionen sorgen jeden Abend für die Qual der Wahl, auch vier eher komplizierte Gemüsegerichte werden angeboten. Lohrengels Stolz: sein «Europa»-Menü. Der Chef, der vier Jahre lang im «Steigenberger» Davos für die WEF-VIP’s gekocht hat, schreibt die Karte täglich neu: «Freiraum für Kreativität! Das macht mir Spass und meinen Köchen auch.» Die Lieblingsgerichte der Gäste: Hummer, Langusten und Kaviar – aber auch die Bestseller aus der Mannschaftsküche: Wienerschnitzel & Cordon bleu.
Karlheinz Hauser & seine Essenzen. 52 Mann kochen für Lohrengel – und manchmal kommt noch einer dazu. Der Hamburger Zweisterne-Koch Karlheinz Hauser («Süllberg») gehört schon fast zum Inventar, fährt jedes Jahr für eine Gala und für einen Showauftritt mit. Die Gäste sind völlig begeistert. Zu Recht: Langostino & King Crab (wunderschönes Tatar, Zitronengras-Sud), kräftige Entenessenz, guter Red Snapper aus dem Indischen Ozean mit sehr guter Dashi, australisches Rinderfilet mit Bergpfeffer – und zwei Hammergerichte mittags im «Lido»-Restaurant: saftig-krosser Schweinebauch mit Wasabi (!) in der Pfeffersauce, gratinierter «Slipper Lobster»; diese Krebse aus der Langusten-Familie werden in dieser Qualität ausschliesslich rund um Singapur gefangen.
«Mister Unbekannt» kocht im «Venezia». Wenn das keine «Tellerwäscher»-Karriere ist! Michael Kownatzki ist erst 21 Jahre jung (!), war bis vor kurzem noch Nachtkoch und ist jetzt der Boss im «Venezia», dem jeden Abend ausverkauften «Italiener» an Bord. Der scheue Mainzer kocht mit zwei äussert lernfähigen Philippinos. Einige Gerichte sind echt gut: der Risotto beispielsweise («Risi Bisi» aus dem Friaul), die Piccata und das recht rustikal, aber geschmacklich sehr gut geschmorte Ossobucco. Merke: Köche mit Talent und Wille steigen auf See schnell auf.