Text: David Schnapp
Fabian Fuchs, Ihre Probezeit in der «Neuen Taverne» ist vorüber, wie war Ihr Start?
Die ersten Wochen waren brutal. Ich musste mich erst einfinden, die Grösse des Restaurants und des Teams mit sieben bis acht Köchen ist ein ziemlicher Unterschied zu dem, was ich aus dem «Equi-Table» kannte. Ich musste schon lange nicht mehr so viel in so kurzer Zeit lernen. Die «Taverne» hat zum Beispiel sechs Tage pro Woche geöffnet. Ich kann also nicht immer hier sein und muss das Restaurant sozusagen aus der Hand geben. Das fällt mir sehr schwer, obwohl ich sicher bin, dass das Essen gleich gut schmeckt, wenn ich nicht am Pass stehe.
Die «Taverne» gehört zur Gruppe von Nenad Mlinarevic und Valentin Diem. Wie ist Nenad als Chef?
Nach den ersten zwei Monaten hatten wir ein gutes Gespräch und konnten alle wichtigen Themen ansprechen, bevor irgendwo etwas Ungutes hätte zu keimen beginnen können. Nenad hat ein feines Gespür für Leute und lässt mir viel Freiraum. Trotzdem ist er da, wenn ich ihn brauche. Manchmal taucht er auf, bindet sich eine Schürze um und kocht mit – dann merkt man sofort, wie das Energielevel steigt.
Und was für ein Chef sind Sie?
Ich bin der viel ruhigere Typ als Nenad. An meiner vorherigen Stelle musste ich fast gar nichts sagen. Mit meinem früheren Sous-Chef Julian Marti habe ich mich wortlos verstanden.
Das geht jetzt aber nicht mehr?
Chef zu sein, heisst jetzt, klare Anweisungen zu geben, die aufgeschrieben werden, damit das Resultat immer gleich ist. Das musste ich schnell lernen. Kommunikativ musste ich mich schon verbessern, um klarzumachen, was ich will, und wie ich mir etwas vorstelle. Ich kann auch nicht mehr einfach nach Gefühl kochen, sondern muss jedes Rezept «teamfähig» machen. Deshalb arbeite ich jetzt mit der Waage, damit alles sofort abgewogen und rezeptiert werden kann. Die Rezepte kommen dann in unseren Gruppen-Chat, so weiss jeder, wie was gekocht wird.
Haben Sie Ihre kulinarische Sprache in der «Taverne» schon gefunden?
Ich bin immer noch am Ausprobieren und habe sicher noch nicht das Ende meiner Möglichkeiten erreicht. Der Lunch ist meine Spielwiese, weil die Karte alle zwei Wochen ändert. Alles, was gut funktioniert, kann ich weiterentwickeln und für das Abendmenü verwenden.
Wohin möchten Sie sich kreativ bewegen?
Geschmacklich möchte ich puristisch bleiben und nicht zu viele verschiedene Aromen auf einem Teller vereinen. Es geht darum, die Balance zwischen Komplexität und Einfachheit finden. Ich lasse immer mehr Dinge weg, aber je weniger auf dem Teller ist, desto besser muss jede einzelne Komponente gekocht sein. Zu Beginn habe ich vielleicht noch häufiger versucht, mit Kräutern oder Blüten etwas zu überdecken. Aber jeder Handgriff weniger hilft dem Team, wenn das Restaurant voll ist und ein zweites Seating ansteht.
Ist Ihnen die Umstellung auf ausschliesslich vegetarische Gerichte schwergefallen?
Wenn das Fleisch wegfällt, konzentriert man sich automatisch mehr auf das Gemüse, und das ist total spannend, weil man mit weniger mehr erreichen kann. Es schmeckt am Ende mindestens so gut, obwohl man etwas weglässt, was zuvor als essenziell galt. Im Moment kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen, wieder mit Fisch und Fleisch zu kochen.
Wie macht man vegetarische Küche geschmacklich interessant?
Zum Beispiel mit einem guten Gemüsejus, mit verschiedenen Säure-Quellen, mit aromatisierten Ölen, mit Fermentation, mit verschiedenen Texturen oder Kalt-warm-Kontrasten.
Und wo kommen die Ideen her?
Wir haben ein Multikulti-Team; das ist ein grosser Vorteil, weil jeder etwas aus seiner Kultur einbringen kann. Ein neuer Kollege hat zehn Jahre in allen namhaften Restaurants in Kopenhagen gearbeitet und bringt viele Ideen ein – was Abläufe, Ästhetik oder Organisation betrifft. So bekomme ich immer wieder Inputs, die in Gerichte einfliessen, die uns aber auch als ganzes Team weiterbringen.
Welches Produkt begeistert Sie gerade?
Die Woche haben wir Kaiserlinge bekommen – wunderbare Pilze mit einer schönen gelben Farbe, die man roh nur mit Salz und Öl essen kann. Wir servieren sie dünn als Carpaccio aufgeschnitten mit Randenpüree und Rhabarber-Chutney. Ein perfektes farbiges Sommergericht.
>> Fabian Fuchs, 35, ist seit 2022 Küchenchef in der «Neuen Taverne» (16 Punkte, ein Stern). Davor war er fast zehn Jahre für das «Equi-Table» in Zürich zuständig.
Fotos: Joan Minder, Thomas Buchwalder, Lukas Lienhard, HO