Text: David Schnapp Fotos: Valeriano Di Domenico, Thomas Buchwalder, Marcus Gyger, Olivia Pulver, Lucia Hunziker, Tania Quispe
Aufsteiger des Jahres. Ihre Restaurants heissen gleich, gehören beide zur Giardino-Gruppe von CEO Philippe Frutiger, sie standen vier Jahre gemeinsam am Herd – und sind zwei der Aufsteiger des Jahres 2020 im GaultMillau: Rolf Fliegauf und Stefan Heilemann, die Küchenchefs der «Ecco»-Restaurants in Ascona, St. Moritz und Zürich, sind so etwas wie die bei der Geburt getrennten Zwillinge der Schweizer Spitzenküche.
Grosse Unterschiede. Trotzdem könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Rolf Fliegauf war lange der molekularen und modernistischen Küche zugetan, Stefan Heilemann entstammt der strengen und klassischen Schule von Harald Wohlfahrt in der «Schwarzwaldstube», Deutschlands wohl prägendster Küchenchef der letzten 25 Jahre. Kann das gut gehen?
Heilemann: weniger Rahm und Butter. «Was in allen unseren Restaurants gleich anmutet, ist die Qualität der Produkte und der Dienstleistung», sagt Rolf Fliegauf. Dass die Küchen mittlerweile sehr unterschiedlich seien, war nicht so geplant. Zu Beginn wurden in Zürich Gerichte gekocht, die zuvor schon in Ascona serviert wurden. «Es ist letztlich aber eine natürliche Entwicklung, dass jeder Koch seinen eigenen Stil finde», sagt sein langjähriger Kollege Stefan Heilemann. Natürlich könne er nicht verleugnen, dass ihn die Lehre bei Harald Wohlfahrt in der Traube Tonbach geprägt hat: «Die Qualitätsansprüche an die Produkte und die Strukturen meiner Saucen sind die selben geblieben», sagt er. Aber er habe während der Zeit mit Fliegauf seinen Bedarf an Butter und Rahm dramatisch reduziert, sagt der 37-jährige lachend.
Neue Leichtigkeit. Für beide «Ecco»-Küchen gilt: Leichtigkeit ist die neue Linie. Rolf Fliegauf erreicht sie durch Anlehnen an die japanische Geschmackswelt, mit Dashis und dem gezielten Einsatz von Säure. Bei Stefan Heilemann ist es die Liebe zur thailändischen Küche mit Frische, Schärfe und einer asiatischen Unbeschwertheit, die den Stil prägt. Die Entwicklung der beiden Köche in unterschiedliche Richtungen findet zweifellos auf höchstem Niveau statt – 18 Punkte und 2 Sterne in allen «Ecco»-Restaurants zeigen, dass sie auf dem richtigen Weg sind.
Fliegauf: weniger auf dem Teller. Im Falle von Rolf Fliegauf hat die Stilfindung einige Wendungen gewonnen. Seine Gerichten waren zeitweise geprägt von den technischen Errungenschaften der Molekularküche, wovon «nichts übrig geblieben ist», wie er heute sagt. Abgesehen vielleicht von einigen Techniken, die heute weltweit zum Standartrepertoire gehören. «Heute bin ich in der Rolle desjenigen der sagt, ‹das braucht es nicht›, während ich früher immer noch etwas mehr auf den Teller packen wollte», sagt der gereifte Küchenchef. Mit seinem reduzierten, leichten und frischen Stil ist er «zufriedener denn je». Im Winter zieht er jeweils von Ascona nach St. Moritz/Champfèr ins Giardino Mountain, wo die Saison seine Küche präge.
Zwei Handschriften. Vier Jahre lang haben die beiden ungleichen Zwillinge in Ascona und St. Moritz zusammengearbeitet, bevor Stefan Heilemann 2016 die Leitung der Filiale in Zürich übernommen hat. «Wir haben viel voneinander gelernt und uns gut ergänzt», sagt er heute. Sie hätten aus Klassik und Avantgardismus eine Einheit machen können, was ihm viel gebracht habe, so Heilemann. Das heute jeder seine eigene Handschrift pflege, sei gut fürs Geschäft, sagt Rolf Fliegauf: «Unsere Gäste kennen die Marke Ecco, sie wissen aber auch, dass sie in jedem Restaurant ein anderes Erlebnis bekommen und schätzen diese Abwechslung.» Rolf Fliegauf und Stefan Heilemann: zwei Stile und drei Restaurants auf dem Weg nach oben.