Fotos: Lucia Hunziker

Der GaultMillau 2020 liegt auf. Was freut Sie am meisten?

«Natürlich die Ehrung von Tanja Grandits. Als ich vor vielen Jahren den Job als GaultMIllau-Chef übernommen habe, waren wir «Machos» noch unter uns. Jetzt ist eine Frau an der Spitze angekommen, wird Mitglied im kleinen «Club der 19 Punkte-Chefs. Das ist ein grosser Moment. Auch für mich als Herausgeber.»

 

Ist da ein gewisser Frauenbonus dabei?

«Falsche Frage! Im GaultMillau gibt’s keinen Frauenbonus und keine Gender-Debatte. Wir wollen einfach die Besten finden, fordern und fördern. Tanja Grandits habe ich vor vielen Jahren in einem kleinen Landgasthof im Kanton Thurgau kennengelernt. Wir haben ihre Entwicklung genau verfolgt und ihr beim mutigen Schritt nach Basel die Daumen gedrückt. Sie hat uns im «Stucki» gezeigt, dass sie eine aussergewöhnliche Frau ist: Sie kocht grossartig, unbeirrt nach ihrem ureigenen, nicht kopierbaren Konzept. Sie versteht es, ein starkes Team um sich zu scharen, das sie auf dem Weg nach ganz oben begleitet. Sie hält durch, in guten und in weniger guten Zeiten.»

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Viele grosse GaultMillau-Köche wechseln in den Ruhestand.

«Die Sache mit dem Ruhestand glaube ich nicht mehr so recht. André Jaeger ist so gefragt wie eh und je. «Aussteiger» Pierre-André Ayer hat plötzlich wieder ein Restaurant eröffnet. Und wahrscheinblich kann’s auch Robert Speth nicht lassen; nur Golfspielen geht nicht. Aber klar: in einigen grossen Restaurants steht ein Wechsel an.»

 

Stehen die Nachfolger bereit?

«Einen 1:1-Wechsel gibt es in der Top-Gastronomie nicht. Mit bewährten Chefs verschwinden auch bewährte Konzepte. Das muss so sein: Nachfolger wie Marcus G. Lindner in Gstaad oder Jérémy Desbraux in Le Noirmont werden den Stammgästen zuliebe den einen oder anderen Klassiker ihrer Vorgänger auf der Karte lassen. Aber sie müssen zwingend ihr eigenes Ding durchziehen. Daran werden wir sie auch messen.»

Grandits und Heller

Er verfolgt die Entwicklung von Tanja Grandits seit 12 Jahren: GaultMillau Chef Urs Heller.

Der GaultMillau ist stolz auf die Rolle des Talentscouts.

«Sind wir, und das gelingt uns ganz gut. Die Schwierigkeit bei begabten Newcomern ist für uns das richtige Timing: Ist das Konzept gefestigt? Hat ein junger Chef die Kraft und die Kondition, sein Ding durchzuziehen? Kann er ein Team um sich scharen, das mitzieht? Findet der junge Chef mit seinem Konzept sein Publikum? Eine hohe Punktezahl gibt es erst, wenn diese Fragen geklärt sind. Im Zweifelsfall warten wir lieber ein Jahr zu.»

 

Die Gastronomie ist im Wandel. Der GaultMillau auch.

«Ich bin stolz darauf, dass wir die Kurve gekriegt haben. Wir haben als einziger Gourmet-Guide in Europa eine vernünftige Online-Lösung gefunden und bieten auf www.gaultmillau.ch News, Rezepte und Videos täglich an. Wir erschliessen mit unserer urbanen Lifestyle-Liste GaultMillau POP eine völlig neue Szene; wir verzichten dabei auf Punkte, nicht aber auf unsere Qualitätsansprüche. Wir haben das Team mit Bloggern wie Pascal Grob in Zürich oder Jutta Bärenfaller in Bern verjüngt und verstärkt. Der Erfolg gibt uns recht: Der GaultMillau-Channel wächst und wächst, die POP-Adressen sind «talk of the town».»

 

Ihr Tipp für die GaultMillau-Leserinnen und Leser?

«Ich weiss, dass ein Besuch in einem 19-Punkterestaurant seinen Preis hat. Trotzdem sollte sich jeder Feinschmecker so einen Lunch oder ein Diner mal leisten. Unsere acht 19-Punktechefs sind unglaublich gut, auch im internationalen Vergleich. Die Tickets fürs Opernhaus, für ein Elton-John-Konzert oder für die Champions League haben auch ihren Preis.»

 

>> Grosses Bild oben: v.l. Franck Giovannini, Tanja Grandits, Philippe Chevrier, Didier De Courten, Peter Knogl, Heiko Nieder, Andreas Caminada, Bernard Ravet.