Text: Kathia Baltisberger | Fotos: Olivia Pulver
Auf der Überholspur. Seine Arme sind mit Tattoos übersät. Wilde Kreaturen, Musiknoten oder das Antlitz von Salvador Dalí zieren seine Haut. Privat trägt Oscar de Matos am liebsten T-Shirts der Punk-Band Dead Kennedys. Die Zeiten in denen Köche geschniegelt am Arbeitsplatz zu stehen haben, sind längst passée. Was zählt, ist die Perfektion auf dem Teller. Und die ist im «Maihöfli» in Luzern zu finden. Oscars Gerichte sind ein Mix aus seiner Heimat Spanien, aus dem fernen Osten und der Schweiz. Und der 38-Jährige hat etwas geschafft, das nur wenigen gelingt. Er wird im Guide GaultMillau 2022 gleich mit zwei Punkten mehr gelistet, 16 stehen aktuell auf seinem Konto. Der Titel «Aufsteiger des Jahres 2022» ist damit mehr als verdient. «Wow!», sagt Oscar – fast ein bisschen sprachlos vor Freude. Seither läuft das Telefon im «Maihöfli» heiss. «Wir sind immer ausgebucht. Selbst an den Dienstagen. Damit hätte ich nicht gerechnet.»
Party mit Kaviar & Champagner. In Luzern ist er der neue Superstar, teilt sich die Spitzenplatzierung mit «Köchin des Jahres 2021 Michèle Meier vom «Lucide» im KKL und Hugues Blanchard vom «Olivo» im Casino. «So viele Gastronomen haben angerufen, um zu gratulieren. Moritz Stiefel vom Hopfenkranz brachte eine Flasche Champagner vorbei.» Auch sein ehemaliger Chef Werner Tobler («Bacchus», Hildisrieden) gehört zu den Gratulanten. «Er hat mir Blumen geschickt!» Und weil Oscar ein bisschen verrückter ist, als andere Chefs, schmeisst er vor Freude eine eine kleine Party mit Champagner und Kaviar - morgens um 10 Uhr.
Koch statt Architekt. Hinter diesem Erfolg steckt viel Arbeit. Arbeit am eigenen Stil, der Kochkunst aber auch an sich selbst. Oscar steht in seiner Küche und gibt ein Heilbutt-Filet in ein Bad aus Wasser, Butter, Kombu-Algen und Zitrone. Der Fisch muss etwa 40 Grad Kerntemperatur haben, dann ist er optimal. In der Zwischenzeit grilliert er ein paar Muscheln auf dem Konro-Grill. Oscar de Matos ist in Barcelona aufgewachsen. Seit er denken konnte, wollte er eigentlich Architekt werden. «Ein Koch sagte mir einmal: Kochen ist ähnlich wie Architektur. Wir bauen Kunst - einfach im Teller. Das Gute daran: Man kann die Kunst essen», erinnert sich Oscar. «Die Aussage faszinierte mich, also gab ich dem Beruf eine Chance.»
Lehre im «El Bulli». Als Ausbildungsstätte sucht er sich nicht irgendeinen Betrieb, sondern das weltberühmte «El Bulli» von Ferran Adrià. Das Restaurant wurde von der Liste «The World’s 50 Best Restaurants» gleich fünf Mal auf Platz 1 gewählt. Dort lernt er alles über Molekularküche. «Ferran Adrià war sehr strikt und streng. Er hat mich oft zurechtgewiesen. Wenn er sagte, du sollst das Gemüse zwei Millimeter breit schneiden, dann meinte er auch zwei Millimeter», sagt de Matos. Aber: «Er ist auch ein sehr guter, offener Mensch.»
«Musste lernen, wo mein Platz ist.» Von der Molekularküche ist in Oscar de Matos’ Küche nicht viel übrig. «Klar, gewisse Techniken braucht man noch. Aber heute interessiere ich mich mehr für Fermentation.» Geblieben ist ihm der Hang zur Perfektion - eine Eigenschaft, die nicht immer nur positiv ist. Das «Maihöfli» führt er mit seiner Freundin Nadine Baumgartner, die den Service managt. «Gerade am Anfang war es streng. Ich erwarte von allen immer mehr. Ich musste an mir arbeiten und lernen, wo mein Platz ist. Perfektion ist schön und gut, aber man muss auch lernen zufrieden zu sein», analysiert er. «Ich bin froh, dass Nadine so geduldig ist mit mir.»
Verliebt in die Schweiz. Dass Oscar de Matos in der Schweiz kocht, ist dem reinen Zufall geschuldet. «Nach meiner Lehre legte man mir nahe, im Ausland zu arbeiten. Ich schickte Bewerbungen nach Frankreich, Grossbritannien, in die Schweiz und sagte mir: Das erste Restaurant, das antwortet, da geh ich hin.» Am schnellsten antwortet ein Hotel in Braunwald GL. Also kocht de Matos eine Saison lang bodenständige Schweizer Küche und schlittelt nach der Arbeit jeweils heim. «Die Schweiz gefiel mir sehr, also bin ich geblieben.»
Signature Dish. Im «Maihöfli» essen die Gäste das Menü, à la carte gibt es nicht. Oscars Signature Dish, die Pilz-Paté, ist eigentlich immer darauf zu finden. Je nach Saison in einer anderen Version. Momentan bereitet er sie mit Quitte (Gel, Crème und Sud) zu, obendrauf gibts eine Hüpe aus Brik-Teig und Shiso-Blätter. Als Kind liebte Oscar deftige Gerichte. «Arros del Senyoret, das ist eine Reispfanne mit Carabineros. Das habe ich geliebt. Oder Escudella. Ein Eintopf mit Schweineohren, Kartoffeln, Kichererbsen und Blutwurst.»
Fucking Crazy. Heute richtet der Chef filigraner an, und holt aus jedem Produkt noch mehr Geschmack. Das Luma-Entrecôte vom spanischen Morucha-Rind bestreicht er mit einer Sauce, die er «Fucking Crazy» nennt. Sie besteht aus fermentiertem Koji-Pilz und Butter. «Die schmeckt wie Blauschimmelkäse. Ein wenig davon aufs Fleisch und es bekommt eine ganz andere Note.» Dazu serviert er eine Beurre noisette und Federkohl. «Meine Küche ist eigentlich ganz einfach. Aber sehr intensiv im Geschmack.»