Interview: David Schnapp
Christian Kuchler, wie lief das vergangene Jahr für Sie?
Für mich war wichtig, dass wir im ersten Jahr ohne Pandemie und Einschränkungen, aber auch ohne das teilweise absurde Ausgabeverhalten von 2022, wirtschaftlich arbeiten konnten. Dass wir den Umsatz von 2022 halten konnten und keinen Einbruch hatten, zeigt, dass mein Business-Modell funktioniert, und das ist wichtig für mich. Was ich verdiene, stecke ich in dieses 400 Jahre alte Haus und in den Weinkeller.
Wo lief es besser, beruflich oder privat?
Ich bin mit beidem zufrieden. Mit der Mutter meiner Kinder habe ich ein gutes Verhältnis, Lara und Paul sind regelmässig für ein paar Tage alle zwei Wochen bei mir, und zusammen mit dem Sohn meiner Partnerin haben wir eine lustige Patchwork-Familie. Das ist manchmal ziemlich herausfordernd, aber schön.
Arbeitet ihre Partnerin eigentlich mit im Betrieb?
Nein, das habe ich davor ausprobiert, und es hat nicht funktioniert (lacht laut).
Haben Sie je bereut, den Betrieb Ihrer Eltern übernommen zu haben?
Nein, wirklich nicht. Ich rege mich zwar schnell auf, wenn zum Beispiel am Samstagabend ein Tisch mit vier Personen storniert wird. Dann sage ich meinen Leuten, «macht euch ja nie mit einer Beiz selbstständig!». Aber dann beruhige ich mich schnell wieder. Und wenn ich sehe, was in der Gastronomie sonst so los ist, bin ich sehr zufrieden mit meiner Situation.
Woran denken Sie?
Man sieht oft Betriebe, bei denen es an einem stringenten Konzept mangelt. Andere haben vielleicht gute Ideen, aber werden in grossen Betrieben durch Hierarchien ausgebremst. Mich kann niemand hinauswerfen oder mir sagen, was ich zu tun habe.
Was können Sie eigentlich besser als Ihr Vater Wolfgang?
Menschen führen…
… Und was kann er besser?
Spätzle schaben und Geld verdienen.
Er findet ja im Scherz Ihre Gerichte seien viel zu kompliziert. Kocht er trotzdem ab und zu noch mit?
Als ich 2015 übernommen habe, hat er noch fest mitgearbeitet. Nach einem Jahr hat er sich verabschiedet, weil ihm klar war, dass es funktioniert. Aber er steht immer zur Verfügung, wenn ich Hilfe brauche. Wenn wir Catering-Aufträge haben, hilft er gerne mit. Ich frage ihn auch oft um Rat, und gebe ihm Gerichte zu probieren. Dann gibt er mir differenziertes Feedback. Ausserdem ist er gerne Gast im «Schäfli» und isst hier gerne mit Kollegen. So schlecht kann er meine Küche also nicht finden.
Sie setzen auf einen klassischen Stil und sagen, etwas Anderes würden Sie gar nicht beherrschen. Stimmt das wirklich, oder ist es Koketterie?
Grundsätzlich stimmt das schon, aber ich habe viele Ideen und setze zum Beispiel bei meinem Engagement im Boutique-Hotel Alhambra in Kroatien nicht nur auf ein Konzept. Mein Anspruch ist immer, dass etwas auch wirtschaftlich funktioniert. 60 Prozent Food-Kosten kann ich nicht akzeptieren.
Sie sind erst 38 Jahre alt. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Das ist eine gute Frage. Mein Ehrgeiz ist natürlich, immer noch etwas besser zu werden. Es soll so sein, dass ein Gast, der vor fünf Jahren zum ersten Mal bei mir war, fünf Jahre später eine Weiterentwicklung bemerkt. Weil wir nicht einfach so eine Million investieren können, um alles auf einmal zu renovieren, muss es schrittweise voran gehen. Ich höre von Kollegen – auch im Ausland – dass Gäste vom «Schäfli» schwärmen. Das ist mir wichtiger als ein Platz auf irgendeiner Bestenliste.
Sie haben sich einen Ruf als Partykönig der Köche erarbeitet. Nervt Sie das, oder pflegen Sie den sogar bewusst?
Ich weiss gar nicht, wer diesen Ruf erfunden hat (lacht). Wer hart arbeitet, soll auch feiern dürfen – «work hard, play hard» ist mein Motto. Aber ich werde auch älter. Vor ein paar Jahren musste ich an jeder Party der letzte sein, der das Fest verlässt. Aus lauter Angst, etwas zu verpassen. Das ist vorbei.
Wo liegt für Sie die Grenze?
Ich habe noch nie Drogen genommen, davor habe ich extremen Respekt, und damit möchte ich nichts zu tun haben.
Sie haben ein erstaunlich treues Team in der Küche, auf dem Saucier-Posten behauptet sich eine junge Frau. Was ist das Geheimnis guter Mitarbeiterführung?
Vormachen, Mitmachen, Nachmachen – das habe ich im Militär gelernt. In der Küche muss man sich als Vorbild und durch Leistung den Respekt der Mitarbeiter verdienen. So, wie ich es in Paris erlebt habe – mit Lautstärke und Hierarchie –, funktioniert es nicht. Seit zwei Jahren haben wir eine Vier-Tage-Woche und gehörten damit zu den ersten mit diesem Modell. Die Idee kam von den Mitarbeitern, sie wollten lieber mehr Freizeit als mehr Lohn. Nächstes Jahr bekommen jetzt trotzdem alle eine Lohnerhöhung…
Und wenn es um den zwischenmenschlichen Umgang miteinander geht?
Meinen Köchen lasse ich relativ viel kreativen Spielraum, beispielsweise bei der Entstehung der Snacks oder den Amuse Bouches. Sie sollen etwas beitragen können und wertgeschätzt werden. Deshalb stehen auch alle Namen des Teams auf der Speisekarte oder auf der Website.
Auf welches Gericht aus 2023 sind Sie stolz?
Mein Steinbutt mit Champagnerkraut, Austern und etwas Speck vom Wintermenü deckt alles ab: Buttrigkeit, Süsse, Säure und die Fleischigkeit. Ich habe meist nur zwei Fische auf der Karte – Steinbutt und Rouget.
Was ist zum Beispiel mit Kabeljau?
Damit kann ich nichts anfangen. Wenn der nicht frisch ist, riecht er sofort schlecht, und ich mag die Konsistenz nicht. Allerdings gilt das mit der Frische auch für den Rouget, das ist einer der heikelsten Fische überhaupt.
Haben Sie Vorsätze für 2024?
Ich will an weniger Events teilnehmen. Leider kann ich kann nur schwer nein sagen, wenn Freunde anfragen. Ansonsten verbringe ich lieber Zeit mit meinen Kindern und meiner Partnerin.
>> Christian Kuchler ist Inhaber und Küchenchef der Taverne zum Schäfli in Wigoltingen TG (18 Punkte, zwei Sterne). Das Restaurant wurde vor Kuchlers Übernahme 2015 von seinen Eltern Wolfgang und Marlies während 32 Jahren erfolgreich geführt.
Fotos: Thomas Buchwalder, David Schnapp, Pascal Grob, David Künzler