Text: David Schnapp | Fotos: Andrea Furger
Gemüse im Raum. In der Mitte des Raumes steht ein runder Tisch, bunt bedeckt mit Limetten, Sellerieknollen oder Peperoni in verschiedenen Farben. Tomer Tal, einer der Gastköche am diesjährigen St. Moritz Gourmet Festival, möchte damit zeigen, «woher ich komme, und was mir am Herzen liegt». Der 37-Jährige hat für ein paar Tage im «Ca d’Oro», das zum Swiss Deluxe Hotel Kempinski gehört, ein aromenstarkes Sechs-Gang-Menü serviert. Mit seinen Ideen und Techniken konnte Tal selbst seinen Gastgeber Leo Ott überraschen können, der seit dieser Wintersaison für das Gourmetrestaurant verantwortlich ist.
Erstaunliche Zubereitung. «Der Lernfaktor war für mich hoch», sagt der energiegeladene Ott auf die Frage, wie er den Besuch aus Israel erlebt hat. Tomer Tal habe zum Beispiel Dill abgeflämmt oder verbrannten Lauch ins traditionelle Challa-Brot gegeben, was überraschend gut funktioniert habe, sagt Leo Ott. Am erstaunlichsten sei aber die Art der Zubereitung einer Krustentiersauce gewesen, die Tal zu einer im Ganzen servierten Langoustine angiesst. «Zuerst hat er eine Bisque und separat einen Fond aus grünen Peperoni gekocht. Dann wurden die beiden gemischt und mit Okra gemixt, was die Sauce auf angenehme Art bindet. Ich war zuerst sehr skeptisch, aber das Resultat war absolut überzeugend», findet Ott.
Shiso, Makrele, Hibiskus. Der Gang ist durch seinen geschmackvollen Minimalismus einer der stärksten unter vielen starken Gerichten des Abends. Grandios ist auch Tomer Tals Makrelen-Tatar, das in ätherische Shiso-Blätter gehüllt und mit einer Hibiskus-Creme sowie einer Hibiskus-Vinaigrette mit Yuzu, Chili und Koriander ergänzt wird, was in perfekter Balance süss, salzig, scharf und leicht bitter schmeckt. «Fisch und Gemüse sind die Grundlagen meiner Küche», sagt Tal. Am verbrannten Dill beispielsweise möge er die Veränderung «in Geschmack und Textur». Der Koch aus dem Restaurant George & John in Tel Aviv ist in einer Kibbuz-ähnlichen Landwirtschaftskommune aufgewachsen, «schon als Kind habe ich auf dem Feld gearbeitet», erzählt er. Das Gemüse auf dem runden Tisch mitten im Restaurant ist deshalb eine Hommage an seine Herkunft.
Traditionen der Heimat. Tomer Tal spielt gekonnt mit Traditionen und Aromen seiner Heimat: Dem traditionell am Freitagabend als eines der drei Schabbat-Gerichte servierten, zopfähnlichen Brot, fügt er den erwähnten verbrannten Lauch, etwas Zwiebeln und Knoblauch als Würze hinzu und röstet es teilweise kräftig an. Den Reiskuchen, den es in Israel in jedem Haushalt gebe, bereitet der Küchenchef mit Petersilienblättern und Zitronensaft und -Abrieb zu. Der Reis ist die Beilage zu den saftigen grillierten Lamm-Koteletts, er wird ausserdem mit glasierten Quittenstücken serviert.
Personalessen aus Israel. Das St. Moritz Gourmet Festival wurde 1994 unter anderem mit der Idee gegründet, zum einen den Gästen kulinarische Überraschungen zu bieten, zum andern aber auch den Köchen in den grossen Hotels einen küchenkulturellen Austausch zu ermöglichen. Im Falle von Tomer Tal und Leo Ott hat das ausgezeichnet geklappt. «Das war eine wirklich gute Erfahrung», sagt Ott. Man sei sehr kollegial miteinander umgegangen und habe sich beispielsweise gegenseitig Personalessen gekocht. «Tomer hat für uns israelisches Essen zubereitet, dafür habe ich für ihn und sein Team österreichisch gekocht: knuspriger Schweinebauch mit Serviettenknödel und Szegediner Paprika-Sauerkraut».