Text: David Schnapp
Ursprung des Lebens. In seinem lesenswerten Standardwerk «On Food and Cooking» über die Küchenwissenschaft hat der US-Autor Harold McGee die Magie von Eiern wunderbar beschrieben: «Das Ei ist ein Phänomen in der Küche – und der Natur, denn in seiner einfachen Schale in unauffälliger Form beheimatet es ein alltägliches Wunder. […] Das Ei war und ist bedeutendes Symbol für die rätselhaften und sagenumwobenen Ursprünge von Tieren, Menschen, Göttern, der Erde und des gesamten Kosmos», schreibt der Naturwissenschaftler mit zusätzlichem Literaturstudium, der Köche wie Heston Blumenthal oder die Autoren von «Modernist Cuisine» massgeblich beeinflusst hat.
Eigelb & Eiweiss. Eine den wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnissen im Umgang mit Eiern in der Küche ist die Tatsache, dass Eigelb und Eiweiss bei unterschiedlichen Temperaturen zu stocken beginnen: Das Eiweiss fängt schon bei 60°C Grad an, sich einzutrüben, das Eigelb wird erst bei 74°C Grad fest. Daraus ergeben sich viele Erkenntnisse für die verschiedenen Zubereitungsarten.
Weich oder hart? Bei klassisch im Wasser gekochten Eiern in der Schale, hängt die Kochzeit von der Grösse der Eier, der Temperatur und dem gewünschten Ergebnis ab. Als Richtwert gelten 3–5 Minuten für weichgekochte Eier mit erwärmtem, aber noch flüssigem Eigelb, 5–6 Minuten für wachsweiche Eier und 10–15 Minuten für «harte», also durchgängig gestockte Eier. Insbesondere die Temperatur verändert die Textur eines gegarten Eis dramatisch. Wer kann, pochiert die Eier deshalb bei exakter Temperatur in einem Steamer oder Wasserbad: Für das beliebte Onsenei braucht es 35 Minuten bei 62 bis 68 Grad, für das perfekt hart gekochte Ei – gemäss den Autoren von «Modernist Cuisine» – 35 Minuten bei 79 Grad.
Knusprig, mit Butter. Bei der Frage nach dem besten Spiegelei, sind Meinungen und Geschmäcker sehr unterschiedlich. Für Andreas Caminada beispielsweise steht fest: «Spiegeleier müssen knusprig sein und nach Butter schmecken». Der 19-Punkte-Chef brät sie daher in geklärter Butter so lange, bis der Eiweissrand knusprig gebräunt ist (Rezept mit Video hier). Der Grund ist einfach: Genau so mögen es seine beiden Buben. Die Methode ist aber weit verbreitet: In China klappt man die Spiegeleier gerne zusammen, wenn sie fast gestockt sind. Dann werden sie weitergebraten, bis sie aussen gebräunt, das Eigelb innen aber noch cremig ist.
Das perfekte Spiegelei. Die forschenden Köche von «Modernist Cuisine» hingegen haben das perfekte Spiegelei mit wissenschaftlicher Präzision rezeptiert. Es ist einen Versuch wert: Zuerst trennt man die (Bio-)Eier und heizt einen Steamer mit gradgenauer Einstellungsmöglichkeit – zum Beispiel von V-ZUG – auf 79°C Grad Dampf vor. Dann braucht es ein Blech, das mit einer Silikonmatte ausgelegt ist, und möglichst schwere Metallringe, die auszubuttern sind. Jetzt die Eiweisse hineingeben und 15 Minuten stocken lassen. Danach das Blech hinausnehmen und kurz abkühlen lassen und die Dampf-Temperatur auf 63°C reduzieren. Die Eigelbe mittig auf die Eiweisse setzen und nochmals 25 Minuten garen. Danach würzen und mit einer breiten Palette sorgfältig auf Teller heben.
Rührei, immer cremig. Weniger kontrovers sind die Meinungen hingegen beim Rührei: Eine cremige, feine Textur wird einem trockenen Ergebnis in der Regel vorgezogen. «Jeune Restaurateur» und 17-Punkte-Koch Rolf Fuchs vom «Panorama» in Steffisburg verwendet deshalb eine Ei-Rahm-Mischung und lässt sie ganz langsam bei tiefer Temperatur stocken (Rezept hier). Statt Rahm kann aber natürlich auch Crème fraîche verwendet werden, «Steinhalle»-Chef Markus Arnold aus Bern kombiniert sein Rührei mit Toast und Avocado so zu einem herzhaften Frühstücksgericht.
Rührei als Espuma. Wer in seiner Küche über ein Vakuumgerät und einen Steamer verfügt, kann nach dem Rezept aus «Modernist Cuisine at Home» das Rührei als lauwarme Espuma im Glas servieren – das passt beispielsweise ausgezeichnet zu einer Pilzmarmelade. Dafür werden vier grosse Eier (200 g), je 60 g Eigelb, zerlassene Butter und Vollmilch sowie 4 g Salz gemixt, in einen Beutel abgefüllt und vakuumiert. Alternativ kann auch ein Gleitverschlussbeutel benutzt werden. Die Mischung im Steamer (oder Wasserbad) bei 72°C Grad 35 Minuten garen. Danach das leicht gestockte Ei herausnehmen, in einer Schüssel mit dem Stabmixer glatt pürieren und in einen 500-ml-Sahnesiphon füllen. Mit zwei Kapseln laden und gut schütteln. Das Rührei kann eine Stunde lang im Wasserbad bei 55°C Grad warmgehalten werden.
Faszinierendes Ei. Es gibt kaum ein vielfältigeres und faszinierenderes Lebensmittel als das Ei. Als Zutat wird es zum Bindeglied in Emulsionen oder Teigen, sorgt als Anstrich für eine goldbraune Farbe beim Backen, wird zum süssen Schaum oder in Soufflés zu heisser Luft. Und als Hauptdarsteller auf dem Teller schliesslich – pochiert, gedämpft oder gebraten – bietet es schier unzählige Zubereitungsmöglichkeiten und geschmackliche Variationen.
Fotos: Digitale Massarbeit, Lukas Lienhard, HO, Thomas Lüthi