Text: David Schnapp | Fotos: Caspar Martig, HO
«Foodbegeisterte Leute.» Im herausfordernden Corona-Jahr 2021 hat der heute 26-jährige Niklas Schneider den «Grossen Alexander» in der Altstadt von Baden als junges, ambitioniertes Restaurant mit moderner und regionaler Küche positioniert. Älteren Badenern ist das Restaurant an pittoresker Lage bei der Holzbrücke, die über die Limmat nach Ennetbaden führt, noch als chinesisches oder italienisches Lokal bekannt, heute zieht es die «foodbegeisterten Leute in der Stadt» an, sagt der neue Pächter.
Essen aus der Region. Schneider kann seine Gäste mit einer dezidiert hiesigen Küche überzeugen. «Unser Essen kommt aus der Schweiz, und so nahe wie möglich um Baden herum. Das ist mir persönlich ein grosses Anliegen; man muss nicht alles aus der ganzen Welt herankarren, um gut zu kochen. Natürlich ist es im Winter schwieriger, aber dann muss man halt im Sommer vorausdenken. Wir haben zum Beispiel Johannisbeeren eingelegt und gefroren oder Cherrytomaten in Öl konserviert, um damit die kalte Zeit zu überbrücken», erklärt Schneider seine Vorstellung vom Kochen, mit der er durchaus auch eine Vorbildrolle übernehmen will.
Neue Generation. Überhaupt ist der junge Zürcher ein fast schon prototypischer Vertreter seiner Generation, die für sich neu definiert hat, wie hochstehende Gastronomie heute zu sein hat. Die typischen Luxusprodukte wie Hummer oder Steinbutt aus der Bretagne sind bei diesen Köchen nicht mehr Bestandteil der Karte, die Gerichte werden auch mal selber serviert, und im Sinne eines sinnvollen Ausgleichs zwischen Arbeit und Freizeit sind viele Restaurants wie der «Grosse Alexander» nur noch an vier Tagen pro Woche geöffnet. «So können sich alle anständig erholen», sagt Schneider.
Entspannt und gut überlegt. Seine Sicht auf die (kulinarische) Welt erzählt Niklas Schneider in einer angenehm entspannten Art, die wahrscheinlich daher rührt, dass das alles für ihn absolut klar und selbstverständlich ist. Wie er sein Restaurant führt und seine Küche definiert, ist dennoch nicht Ausdruck zufälliger Ereignisse, sondern gut überlegtes Konzept. Wenn der Chef seine Gerichte zum Beispiel selbst yn den Tisch bringt, ist dies nicht nur eine Massnahme gegen den Personalmangel im Service-Fach. «Ich bin zwar kein Mega-Schnurri und Entertainer, aber ich finde das direkte Feedback der Gäste wichtig. Daraus entstehen immer wieder interessante Diskussionen. Wir haben zum Beispiel das Restaurant mit Pflanzen umgestaltet als Folge der Kritik eines Gastes.» Ohne solche Rückmeldungen könne er sich als Koch nicht verbessern, ist Schneider überzeugt.
Jugendlich-direkt. Seinem Ziel, «geiles Essen ohne Schnickschnack» zu servieren, wie er das in jugendlich-direkter Sprache ausdrückt, sei er in den vergangenen eineinhalb Jahren schrittweise nähergekommen, findet der engagierte Gastronom. Die Kombinationen im «Grossen Alexander» sind nicht banal, aber immer verständlich und trotzdem mit einer besonderen Note versehen, wenn zum Beispiel leicht geräucherter Lachs aus Lostallo mit Kerbel-Mayonnaise, Randen und Champagner-Beurre-blanc kombiniert wird.
Konsequente Wahl. Bei der Produktwahl ist Schneider konsequent und sieht sich durchaus auch als Aufklärer. «Wenn wir amerikanische Flusskrebse aus dem Katzensee servieren, ist das in mehrfacher Hinsicht sinnvoll: Die invasive Art muss aus unseren Gewässern entfernt werden, trotzdem können wir die Krustentiere hervorragend nutzen und komplett verwerten», sagt der Koch. Er habe sogar schon Veganer überzeugen können, das Gericht zu essen, weil der ökologische Aspekt daran so überzeugend sei. Kombiniert werden die Krebse mit den erwähnten eingelegten Bio-Tomaten vom letzten Sommer und einer Buttermilchsauce, die mit Estragon- und Flusskrebsöl eine ätherische und herbe Note bekommt.
Weckruf für Baden. Er habe schon in der sechsten Klasse gesagt, dass Koch sein Berufsziel sei. Das habe vielleicht daran gelegen, dass die Liebe zum Essen in seinem Elternhaus immer ausgeprägt gewesen sei, erzählt Niklas Schneider über seinen Werdegang, der ihn über Stationen bei Markus Arnold in der Berner «Steinhalle», eine Saison im «The Chedi», Andermatt und die «Krone» in Regensberg nach Baden geführt hat. Hier verhilft er der bis anhin gastronomisch etwas verschlafenen Stadt – zusammen mit anderen jungen engagierten Berufskollegen – auf ein höheres kulinarisches Niveau.
Der nächste Schritt. Und die nächsten Pläne auf diesem Weg sind schon gemacht: Im Sommer übernehmen Schneider und sein Geschäftspartner Samuel Hauser das «Paradies» am Cordulaplatz und wollen daraus eine moderne Bar mit Smokers Lounge und Restaurant, in dem bodenständig, aber mit «einem Twist» gekocht wird, machen. «In Baden hat es genügend Platz für ein Lokal mit lockerer Atmosphäre und gutem Essen», sagt Schneider. Als selbstständiger Koch will er zwar «klein, aber fein bleiben und trotzdem eine gewisse Grösse haben, damit wir wirtschaftlich arbeiten können». Am Ende ist es vielleicht auch diese Mischung aus Kreativitäts- und Realitätssinn, welche Leute wie Niklas Schneider als wichtigen Teil einer Generation für die Zukunft der Gastronomie auszeichnet.
>> GaultMillau und American Express scouten junge, begabte Köche, die die Zukunft vor sich haben für die Liste «Talente 2022». Fortsetzung folgt.