Text: Patricia Bröhm

Als hätte es nie eine Pandemie gegeben. «Tantris» reloaded, Tohru Nakamuras (grosses Bild oben) neue «Schreiberei», Sigi Schelling als Köchin der Herzen, Max Natmessnig für Dallmayr im «Alois» und dazu bald noch Jan Hartwigs erstes eigenes Restaurant. Tatsache ist: In keiner anderen deutschen Metropole entwickelt sich die Fine-Dining-Szene derzeit so dynamisch wie in München. Als hätte es nie eine Pandemie gegeben, so eröffneten hier in den vergangenen zwei Jahren neue Gourmet-Adressen quasi am laufenden Band, namhafte Spitzenköche erfanden sich neu – und noch dazu ist jede Menge Frauenpower im Spiel.

München Report Restaurant Tohru in der Schreiberei München von innen

Tohru Nakamuras neues Revier: Die «Schreiberei» beim Marienplatz.

München Report Gericht Rehrücken im Restaurant Tohru

Tohrus Paradegericht: Rehrücken, mit Koji gebeizt und einem Reh-Ragout.

Neue Konzepte von Nakamura & Hartwig. Mit Tohru Nakamura und Jan Hartwig wagten gleich zwei grosse Namen der jüngeren Generation den Schritt in die Selbstständigkeit. Während Hartwig die Eröffnung seines neuen «Jan» für Oktober angekündigt hat, ist Nakamura bereits Herr im eigenen Haus. Hinter den denkmalgeschützten Mauern seiner «Schreiberei» residiert er nur ein paar Schritte vom Marienplatz entfernt. Eine Prime Location in der Altstadt, die der 39-Jährige doppelt bespielt: oben Fine Dining, unten (seit Ende Juli) eher casual im Stil einer französischen Brasserie mit japanischen Einflüssen. Bei Sonnenschein sitzt man in einem der schönsten Innenhöfe Münchens, aber auch drinnen geht es unter Kreuzgewölbe sehr stylish zu. Und oben? Kocht Nakamura wie beflügelt vom neuen Ambiente in Hochform seine kreative Fusion aus europäischer Avantgarde und japanischer Tradition: Den Bauch vom Balfegó-Thunfisch, zartschmelzend durch den hohen Fettanteil, arrangiert er als Tatar mit Mohn, mariniertem Rettich, Nori-Alge und schaumiger Kimizu, eine Art japanische Hollandaise mit Reisessig. 

München Report Küchenchef Benjamin Chmura im Tantris

Der neue Chef im «Tantris»: Benjamin Chmura.

München Report Gericht grüner Spargel im Restaurant Tantris

Chmuras grüner Spargel, geräucherter Aal, Bärlauch.

München Report Tantris Maison Culinaire 2022

Das zweite Restaurant im Haus: «Tantris DNA».

Das Schlachtschiff Tantris. Auch bewährte Schlachtschiffe wie «Tantris» und «Bayerischer Hof» (in dessen «Atelier» Hartwig im Sommer 2021 überraschend die Segel strich) setzen auf junge Talente. Bayerischer-Hof-Chefin Innegrit Volkardt engagierte für ihr vom belgischen Interior-Design-Papst Axel Vervoordt gestaltetes Gourmetrestaurant Anton Gschwendtner, der mit seinem von der französischen Moderne geprägten Küchenstil samt asiatischen Einflüssen mutig die beinharte Nachfolge von Branchen-Darling Hartwig antrat. Und im Tantris, gerade zum 50. Geburtstag als «Wiege der deutschen Spitzengastronomie» gefeiert, kocht Benjamin Chmura (vorher Küchenchef bei Troisgros) ziemlich grosses Kino. Rehrücken hüllt der 33-Jährige in ein Spinatblatt, grillt ihn über Cassis-Holz an (daher die sehr feinen Räuchernoten) und serviert ihn mit minutiös abgepasstem Garpunkt. Das Wild kommt in Gesellschaft von Brombeeren, Heidelbeeren und Gelbe-Bete-Raviolo, gefüllt mit Roter Bete. À part dazu Pfifferlinge und geniales Sauerteig-Einkorn-Brot mit Berberitze und Pistazie – das Tantris leistet sich den Luxus eines eigenen Bäckers.

München weiblich: Sigi, Nathalie, Virginie. Last but not least: Nirgendwo in Deutschland ist Spitzenküche derzeit so weiblich geprägt wie an der Isar. Sigi Schelling wird in ihrem «Werneckhof» seit der Eröffnung von Reservierungsanfragen geradezu überschüttet, die erst 29-jährige Nathalie Leblond (Ex-Souschefin von Jan Hartwig) gibt im «Les Deux» richtig Gas und Virginie Protat brilliert im neuen «Tantris DNA» mit ihrer Neuinterpretation französischer Klassiker – alle drei wurden dieses Jahr mit einem Stern ausgezeichnet. Ein echter Boom also in der Münchner Szene – und dabei haben wir weitere Newcomer wie das «Mountain Hub Gourmet» am Flughafen mit dem talentierten Stefan Barnhusen am Herd oder bewährte Größen wie Bobby Bräuers «Ess.Zimmer» in der BMW-Welt noch gar nicht erwähnt. Und last, not least: Max Natmessnig wird überraschend Küchenchef des Gourmetrestaurants «Alois» bei Dallmayr.

 

>> Fotos: Ramon Haindl, Annette Sandner, Raphael Lichius, Volker Debus, HO


www.bayerischerhof.de
www.werneckhof-schelling.de
www.lesdeux-muc.de
www.tantris.de
www.schreiberei-muc.de
www.mountainhub.de
www.feinkost-kaefer.de