Text: David Schnapp | Fotos: David Künzler
Schweine im Frost. Im Grenzgebiet zwischen Schaffhausen, dem Zürcher Weinland und dem Kanton Thurgau überzieht an diesem Morgen Frost wie weisser Flaum die Felder. Für Fabio Müllers Kuro-Schweine gibt es wenig Grund, ihre überdachten Schlafstätten zu verlassen. Aber Müller, der eigentlich Industriedesigner ist und sich seit 2008 mit der Edelschweinerasse beschäftigt, hat einen simplen Trick: Mit einem Kessel Trockenfutter lockt er die freundlich grunzenden, wolligen Tiere aus ihren Behausungen. Die Kuro-Rasse entstand vor rund 200 Jahren in England und war im 19. Jahrhundert ein Geschenk an den japanischen Kaiser.
Winzer im Weinberg. Wir folgen der «Grand Tour of Switzerland» und fahren im vollelektrischen Mercedes EQS SUV fast lautlos durch die anmutige Landschaft in Richtung Klettgau. In seinem Keller erzählt der Wein- und Cidre-Produzent Markus Ruch, der bekannteste Winzer der Region, warum er seine Apfelbäume höchstens mit Algen spritzt und er trotz möglichst nachhaltiger Produktion einen «sauberen Pinot Noir ohne Fehler» herstellen will. Seit 2007 ist Ruch Winzer und konzentriert sich voll auf die Arbeit in Weinberg und Keller – «ich will draussen sein, den Verkauf haben wir deshalb ausgelagert», sagt er.
Munot im Blick. 20 Minuten elektrische Fahrt dauert es vom hübschen Neunkirch SH aus, bis der ikonische Munot-Turm über Schaffhausen ins Blickfeld rückt. In der Kleinstadt hat sich eine junge Gastronomieszene etabliert, die mit unterschiedlichsten Konzepten erfolgreich ist: Der 39-jährige Erich Villareal etwa führt die Burger-Bar Barkada, sein philippinisch inspirierter «Spicy Chicken Adobo OG» ist Burger-Weltklasse. Etwas feiner richtet der Schaffhauser Jan Schmidlin an. «D’Chuchi» (14 GaultMillau-Punkte) ist ein heimeliges Lokal mit regionaler Küche –«puristisch und unkompliziert», wie Schmidlin sagt.
Vier Lehrlinge und ein Aargauer. Aus dem Aargau zugezogen ist Tom Strub. Seit 2020 ist er für die «Villa Sommerlust» (14 Punkte) am Rhein zuständig – «das Beste, was uns passieren konnte», sagt Co-Gastgeberin Maria Kaiser. Der 26-jährige Aargauer, der zurzeit vier Lernende ausbildet, war lange für Starchef Marcus G. Lindner in Gstaad tätig und verarbeitet jetzt eine Rande elegant mit Shiso und Purple Curry zu einem Steak. «Glückliche Gäste sind das Wichtigste», sagt Tom Strub über seine Aufgabe.
Idyllische Ecken. Wer durch diese Region fährt, entdeckt unglaublich viele idyllische Ecken. Stein am Rhein gehört dazu. Mitten im Städtchen betreibt die sympathische Familie Baratovic das Restaurant Ilge (14 Punkte). Zu ihren vielen Gästen zählen auch Schweizer Koch-legenden wie André Jaeger und Hans-Peter Hussong, der dem Inhaber und Küchenchef Zoran Baratovic sogar sein Rezept fürdie sensationellen hauchdünnen Ravioli mit Kalbshaxenfüllung überlassen hat.
Die Schweizer Ingwer-Frau. Zurück in Schaffhausen, treffen wir in einem Wohnquartier die energiegeladene 70-jährige Edith Dreher. In ihrem kleinen Lager mit angeschlossener Miniküche widmet sie sich mit Leidenschaft und Ausdauer dem Thema Ingwer. Der anregend scharfe Wurzelstock ist bei Dreher Ausgangspunkt für eine erstaunliche Palette: Die Schweizer «Ingwer-Frau» stellt 150 verschiedene Produkte her – vom nicht zu süssen Ingwer-Zitronen-Sirup über ein herzförmiges Gebäck mit Biber-Füllung bis zur mit Ingwer gewürzten Salami. «Ingwer hat es mir schon vor 40 Jahren angetan,als ich anfing, damit zu kochen. Und ich fand, ich müsse das unter die Leutebringen», sagt Edith Dreher, deren Produkte bei Jelmoli und anderen Detailhändlernim Regal stehen.
Handgemacht in Schaffhausen. Ein anderer Schaffhauser Kleinproduzent mit Sinn für Qualität ist der Chocolatier Thomas Müller. Der Mann mit dem «Schoggi-Job» stellt handgerollte Truffes, lustige Osterküken und Schokotafeln her. Er mag die Kreativität, die Schokolade erlaubt. Am Ende unserer Tour steht der 52-Jährige stellvertretend für eine Genussregion, in der es viel zu entdecken gibt – von Produzenten und Köchen, die eher auf stille Qualität denn auf laute Präsenz bauen.