Text: David Schnapp | Fotos: Nik Hunger
Lichtshow der Aromen. Es ist ein eher seltenes Bild aus der Küche von «The Restaurant», das am zweiten Abend von The Epicure zu sehen ist. Zum siebten Mal richtet 19-Punkte-Chef Heiko Nieder sein Gourmetfestival aus und jetzt stehen in der Küche zwei ganz in schwarz gekleidete junge Inderinnen und ein Mann in Jeans und bunten Nike-Turnschuhen und richten in verschiedenen Schalen und Schälchen kleine Gerichte an: Der letzte Test für den Hauptgang von Prateek Sadhu, dem Gastkoch des zweiten Festival-Abends. Die wenigsten Feinschmecker in Europa haben wohl schon von dem Mann gehört, trotzdem wird er gleich ein ausverkauftes Restaurant mit einer bunten Lichtshow der Aromen überraschen.
Champagner in Indien. Heiko Nieder und Prateek Sadhu haben sich bei einer Indien-Reise des Champagner-Hauses Krug kennengelernt, zu den acht Gängen des Abends gibt es denn auch vier verschiedene Editionen der famosen Grande Cuvée, zwei Ausgaben Krug Rosé sowie den Jahrgang 2008. Sadhu gilt als bester Koch Indiens, hat in Amerika und im Kopenhagener «Noma» gearbeitet. Das vielfach ausgezeichnete Restaurant Masque in Mumbai hat er kürzlich verlassen, «ich habe grosse Pläne für ein Lokal in Delhi, das kürzlich eröffnet wird, mehr möchte ich aber noch nicht verraten», erzählt der sympathische 36-Jährige, während er in einem Topf rührt: «Die Basis für diese Sauce ist eine geräucherte indische Wurst, ausserdem hat es fermentierte Bohnen darin.»
«Eine Goldmine.» «Die indische Küche gibt es nicht», sagt er wenig später auf die Frage, was seine Handschrift ausmache. In zwei Boxen habe er 20 verschiedene Gewürze, gepickelte Mango und andere Zutaten mit in die Schweiz gebracht. Sein Stil vereine die kulinarischen Traditionen aus den 28 Staaten Indiens. «Ich bin seit 2012 intensiv gereist, habe zu Hause bei vielen meiner Landsleute gegessen und versucht, Indien mit meinen eigenen Augen zu sehen. Die Küchen Indiens sind eine Goldmine, ich versuche daraus, etwas Eigenständiges zu machen, indem ich Erinnerungen, Regionen und Traditionen kombiniere», sagt Prateek Sadhu seinen faszinierenden Stil von intensiv-farbigen, aber sorgfältig komponierten Aromen.
Tiefe und Intensität. Für Gastgeber Heiko Nieder ist das gar keine so einfache Ausgangslage bei einem 4-Hands-Dinner: «Ich koche ja schon aromatisch, aber was Prateek macht, liegt nochmals eine Stufe höher», gibt er neidlos zu. Nieder beginnt den Abend mit einem feinsinnigen Macaron mit Kokosnuss, Meerforellen-Rogen, Passionsfrucht und Lakritze. Sadhu legt ein Patande dazu, ein traditionelles Frühstücksgebäck, das hier wie eine Art knusprige Tostada zubereitet ist. Darauf liegt geschmortes Wagyu, Seeigel und ein Chutney aus grünem Knoblauch – drei, vier Bissen voller Tiefe und Intensität, fein dosierter Schärfe und süsser Fruchtigkeit.
Neues Fundament. Eine indische Haute Cuisine gebe es erst seit den neunziger Jahren, sagt Prateek Sadhu, der mit seinem eklektischen Stil wohl eine wichtige Rolle in der Entwicklung des indischen Fine Dinings spielt. «Um etwas Neues zu errichten, muss man erst ein tragkräftiges Fundament bauen. Deshalb reise ich so viel durch Indien, um Zutaten, Techniken und Geschmäcker zu entdecken», sagt er. Hamachi wird mit «Kanji», einer Marinade aus Pfirsich, Karotten, Ingwer und Chili, serviert und eröffnet wieder ein breites Spektrum von Süsse, Säure und Schärfe.
Berührend schön. Für den Hauptgang musste Heiko Nieder kurzfristig einen Smoker aus dem Geräte-Lager holen, darin hat Prateek Sadhu dann Schweinebauch langsam geräuchert: «Wir haben das Fleisch erst flüssig gebeizt, dann mit Gewürzen eingerieben und schliesslich gegart», so der Koch. Serviert wird es dann mit der Wurst-Bohnen-Sauce, dazu gibt es Reis mit in Soja-Koji mariniertem Eigelb, Bambussprossensalat und Tomaten-Chutney. Und Sadhu erklärt auch gleich, wie das zu essen ist: «Den Reis mit dem Salat und dem Chutney mischen, und alles zusammen probieren!» Und alles zusammen, so lässt sich dieser Abend ganz gut auf den Punkt bringen, ist eine berührend-schöne und geschmacksintensive Küche, wie sie am Gourmetfestival The Epicure noch selten serviert wurde.