Fotos: Claudia Link

Wildbeeren, Wurzeln, Wildkümmel. Die Landschaft auf den Teller bringen – keiner bekommt das zurzeit so überzeugend hin wie Nicolas Darnauguilhem. Seine Küche in der «Pinte des Mossettes» in Cerniat FR, das engagierte Team und der Küchenchef selbst sind tief in der Region verwurzelt, die Küche ist dennoch zeitgemäss: Tatar vom Weiderind mit Wildbeeren und Rande, Bouillon von der Wurzel des Meisterwurzes, kalte Buchweizennudeln mit grillierter Gurke und Wildkümmel-Jus. Das Dessert? Ein zurückhaltend süsser Traum aus dreierlei Shizo, gleich neben dem Restaurant geerntet. Weil der Starchef in seinem Garten und bei der Wahl seiner Produzenten konsequent auf Nachhaltigkeit setzt, wird er von Bio Suisse und GaultMillau zum «Green Chef of the Year 2025» gekürt! Den 17. Punkt gibt es als Zugabe obendrauf.

Signature Dish, der täglich neu erfunden wird. Das Gericht, das die Ausrichtung des Restaurants in der traumhaften Berglandschaft am treffendsten charakterisiert? Der «Blattsalat» von Nicolas Darnauguilhem. Es ist quasi der «Signature Dish» des Hauses und wird – wie früher bei ihm daheim – nach dem Hauptgang aufgetischt, zusammen mit einer Auswahl regionaler Käse. Zurzeit handelt es sich beim Salat um einen Streifzug durch den Garten: Tagetes, Shizo, Kopfsalat, Feigenblattöl & Kirschenpüree, um nur einige Komponenten zu nennen. Jedes Blatt wird einzeln mit Dressing eingesprüht, etwa mit Fenchelblüten-Apfelschnaps. Dieser Gang, so der Chef, «reinigt den Gaumen» und wird saisonal stetig neu erfunden: Im Winter prägend sind eingelegtes Gemüse und Bittersalate, die schon mehrere Fröste überstanden haben. Im Frühling sammelt die Brigade Wildkräuter: Im April am Ufer des Greyerzersees, später am Hang. «Die Kräuter bleiben die gleichen, aber sie verändern sich geschmacklich je nach Höhenlage.» Ziel für die Gäste: ein Esserlebnis zu schaffen, das nur schon 100 Kilometer weiter undenkbar wäre. Dafür steht auch das Brot mit aufgeschlagener Butter, das der grüne Chef mit Heu von einer Wiese auf 1800 Metern über Meer aromatisiert. 

Pinte des Mossettes, Nicolas Darnauguilhem, Route des Echelettes 8, 1654 CerniatGericht:Herbier vivant de notre jardinLebendes Herbarium aus unserem Garten

Sagt mehr als tausend Worte: Signature Dish mit Kräutern und Saisonsalat.

Pinte des Mossettes, Nicolas Darnauguilhem, Route des Echelettes 8, 1654 Cerniat

Der Garten gibt der «Pinte des Mossettes» ihre DNA, findet Nicolas Darnauguilhem.

Pinte des Mossettes, Nicolas Darnauguilhem, Route des Echelettes 8, 1654 CerniatGericht: Brot auf Heu unf Butter

Heu von einer Alp auf 1800 Metern über Meer gibt diesem Brot das spezielle Aroma.

Ein Gärtner in der Brigade. Nicolas Darnauguilhem, der die Vorgaben von «Bio Cuisine» erfüllt (mindestens 30 Prozent Bio-Produkte) ist kein Einzelgänger. Viel mehr zieht er die vielen Fäden für das unvergleichliche Erlebnis in der «Pinte des Mossettes»: Zum Team gehört etwa Sommelier Olivier Dopke, der zur Erntezeit Gamay- und Petite-Arvine-Trauben aus Vétroz VS in den Kanton Fribourg transportiert, um in der «Pinte» daraus quasi regionalen Wein zu machen – dieser lagert nach der Vinifizierung im Keller der nahen Kartause La Valsainte. Und: Anfangs des Jahres stand Chef Darnauguilhem vor der Frage, ob er nun einen weiteren Koch oder einen Gärtner anstellen sollte? Er entschied sich für Zweiteres. Nun kümmert sich Thomas Philippe ums Gemüse, die Kräuter, Hühner und Beeren, steht aber oft und gern auch in der Küche. Nicht zu vergessen ist das Netz all der Bio-Produzenten von Darnauguilhem: Von der «Ferme Le Sapalet» kommt etwa das aromatische, aber niemals böckelnde Lammfleisch. Vom Hof «De la Chenaux», eine Viertelstunde vom Restaurant entfernt, das Rind. Gekauft werden für die «Pinte des Mossettes» selbstredend nur ganze Tiere. 

Pinte des Mossettes, Nicolas Darnauguilhem, Route des Echelettes 8, 1654 Cerniat

Green Chef Nicolas Darnauguilhem (r.) mit Ehefrau, Tochter und dem ganzen Team.

Pinte des Mossettes, Nicolas Darnauguilhem, Route des Echelettes 8, 1654 Cerniat

Der Küchenchef will seinen Gästen Gerichte anbieten, die es so anderswo nicht gibt.

Vinyl, Ölbilder & emotionales Essen. Und so sieht das ganzheitliche Erlebnis für die maximal 24 Gäste aus: Entweder sitzt man in der Gaststube im Erdgeschoss, wo auf dem alten Plattenspieler Jazz im Stile von Chet Baker läuft. Oder man nimmt Platz im oberen Stock, wo ein Cheminée knistert, der Boden knarrt und an der Wand Ölbilder mit Bauernmotiven hängen. Mittags wie abends gibt es einen Mehrgänger, der aus sieben Gängen besteht. «Drei Komponenten prägen bei mir in der Regel ein Gericht», sagt Nicolas Darnauguilhem. Das kann dann beispielsweise ein Tomatensalat mit lakto-fermentierten Beeren und Rosenessig-Gelee sein. Oder Felchenfilet aus dem Genfersee mit süssem Zwiebelherz und knallgrünem Petersilienpüree, ergänzt mit einer «Sauce Vierge». Hochgradig emotionales Essen ist das, bei dem garantiert jeder Gast gehörig «runterkommt». 

Pinte des Mossettes, Nicolas Darnauguilhem, Route des Echelettes 8, 1654 Cerniat

Thomas Philippe heisst der Gärtner, der auch gern in der Küche mithilft.

Pinte des Mossettes, Nicolas Darnauguilhem, Route des Echelettes 8, 1654 Cerniat

Vor dem Haus werden Auberginen für den Abend grilliert.

Pinte des Mossettes, Nicolas Darnauguilhem, Route des Echelettes 8, 1654 Cerniat

Bringt Gamay-Trauben aus dem Wallis, die er in «Pinte» vinifiziert: Sommelier Olivier Dopke.

Idyllische Erinnerungen an die Kindheit. Fisch aus dem Genfersee? «So weit weg ist der Lac Léman nicht», sagt der 43-jährige Familienvater. «Ich will ja nicht noch sturer sein, als ich es schon bin!» Und so hat er jüngst auch seinem Patissier Romain Caschera erlaubt, künftig Schokolade zu verwenden, weil sie «in der Region Tradition hat.» Allerdings heisse das keinesfalls, dass es in der «Pinte des Mossettes» bald auch Vanille oder Meeresfrüchte geben werde. Warum ist Nicolas Darnauguilhem, geboren in Genf und lange Zeit in Belgien tätig, eigentlich Koch geworden? Vielleicht, weil er der Idylle nachhängt, die er auf dem Hof der Familie seines Vaters im Südwesten Frankreichs erlebt hat: Vieh, Gemüsekulturen und Obstbäume habe es dort gegeben. «Und in meinen Erinnerungen wirkt es, als habe der ganze Tagesablauf einzig auf den magischen Moment des gemeinsamen Essens abgezielt!» Noch etwas treibt ihn an: «Ich koche, um die Welt besser zu machen!» Tatsächlich erfüllt er sogar diesen hohen Anspruch: Denn als Gast ist man nach der Auszeit in der «Pinte» einen ziemlichen Zacken glücklicher als zuvor!