Text: Urs Heller
Neue Bahn, neue GaultMillau-Restaurants. Was ist in Grindelwald los? Nach eher mageren Jahren ohne einen einzigen Eintrag haben jetzt gleich drei Hotel-Restaurants die Tester überzeugt: «Bergwelt», «Glacier» und «Belvedere». Marcus G. Lindner, Robert Steuri und Jonas Messer richten im gemütlichen Gletscherdorf eine sportliche «Battle der Chefs» aus. Neu im Guide: Das «1910 Gourmet by Hausers» im traditionsreichen «Belvedere». Das Timing passt: Neuer Eiger-Express Richtung Jungfraujoch («die modernste 3S-Bahn der Welt»), neue Gourmet-Restaurants im Dorf. Selbst der «Schweizerhof», die einzig Fünfsterne-Adresse im Dorf, erwacht und hat einen begabten «Fine Dining»-Chef engagiert. Grosses Bild oben: Sous-Chef Márton Zuber (l.) & Küchenchef Jonas Messer.
Belvedere: Kalbsfilet & Kalbszüngli. Fonduestübli war mal. Jetzt ist im traditionsreichen, familiengeführten Hotel Belvedere «Fine Dining» angesagt: «1910 Gourmet by Hausers» heisst das neue Restaurant etwas zungenbrecherisch. Apropos Zunge: Die geschmorten Kalbszungen-Würfeli, die zusammen mit einem perfekt gegarten Kalbsfilet von allerbester Qualität serviert wurden, haben die GaultMillau-Tester besonders begeistert. Applaus auch für die Vorspeisen. Für die Spargelsuppe mit Bärlauch. Für den knusprig gebratenen Zander. Für die Bisque: «Zum Ertrinken gut!», steht im Testbericht. Chef «by Hausers» ist Jonas Messer, der zuvor bereits das «Glacier» in den Guide geführt hat. 14 GaultMillau-Punkte zum Start.
Glacier: Thurgauer Apfelsäuli & Tatar vom Kalbsherz! Messers Nachfolger im «Glacier» ist Robert Steuri. Er verwöhnt seine Gäste bereits zum Zmorge mit einer perfekten Rösti, startet abends mit Pinzette und einem Amuse-bouches-Feuerwerk und hat ein paar dicke Überraschungen ins Menü integriert: Geräuchertes Kuhfleisch mit Bärlauchöl, grilliertes und geräuchertes Edelstück vom Thurgauer Apfelsäuli, Tatar vom Kalbsherz (!) mit Kalbslebercrème. Steuri hat starke Verbündete: Tina Berger (ex-Christian Bau) ist die Nummer 2 am Herd und ist auch verantwortlich für die spektakulären Desserts. Hotelier Jan Pyott wacht über den beeindruckenden Weinkeller; geplant ist auch ein spektakulärer «Glacier Flavour Event», mit Krug-Champagner. Tester-Kommentar: «Essen von hohem Unterhaltungswert, präzise und liebevoll zubereitet.» Gilt auch für das vegane Menü. Rating: 15 Punkte.
Bergwelt: Kotelett und Rückenstück vom Jungschwein. Der Vorarlberger Marcus G. Lindner ist der eigentliche Star in Grindelwald. Er hat im «Mesa» Zürich und «The Alpina» bewiesen, dass er jederzeit für 18 Punkte kochen kann – wenn man ihn denn lässt. Im cool designten Hotel Bergwelt muss er es etwas entspannter angehen lassen. «BG’s Grill» heisst sein Restaurant, und ein riesiger Grill steht auch in seiner Küche. Lindner hat sich mit dieser beeindruckend grossen Feuerstelle angefreundet, bereitet damit Elemente aus seinem Menü zu oder legt schon mal ein «grosse pièce» drauf. Die Tester rühmen vor allem den Hauptgang: «Lindner hat ein gutes Gespür für Dramaturgie und Komplexität. Das Kotelett und Rückenstück vom hiesigen Jungschwein ist das stärkste Gericht des Abends. In der Tiefe des Jungschwein-Jus ist zu schmecken, dass hier ein grosser Chef am Herd steht.» Die «Bergwelt» steigt auf: Neu 15 Punkte!
Schweizerhof: Fine Dining in der «Schmitte». Der Platzhirsch «Schweizerhof» (fünf Sterne, buchbar auch bei Aldi) scheint durch die neue Konkurrenz aufgerüttelt, steigt auch ins «Fine Dining»-Geschäft ein. Richten soll’s Chef Markus Handau (früher bei Matthias Schmidberger im «Kempinski» St. Moritz). Die ersten Menüs in seiner «Schmitte» sind vielversprechend, beispielsweise die «Triologie von der Wachtel»: Wachtelbrust, sous-vide gegart, Wachtelkeule, gefüllt mit Wachtelfarce und Pistazie. Wachtelessenz mit Kürbiskernöl. Starke Lieferanten hat er auch schon gefunden: Fredy von Escher liefert das Geflügel, Quinoa wird im Kanton Bern geerntet, Niels Rodin züchtet am Genfersee Kumquats. Chef Handau steht auf der GaultMillau-Watchlist.
Fotos: Kurt Reichenbach, Marcus Gyger, Panagiotis Kounoupas, Anja Zurbrügg, Digitale Massarbeit