Text: Urs Heller Fotos: Marcus Gyger, Video: Digitale Massarbeit
Eine Ravet-Filiale in Gstaad. Bernard Ravet ist der dienstälteste 19-Punktechef im Land, zelebriert in seiner romantischen «Ermitage» in Vufflens-le-Château VD zusammen mit Sohn und der ganzen Familie leidenschaftliche «Haute Cuisine». Jetzt eröffnet er im «Bernerhof» in Gstaad eine Filiale – mit einem raffinierten Brasserie-Konzept. Bernard: «Guy hat für den GaultMillau-Channel eine ganze Reihe von trendigen, unkomplizierten Gerichten entwickelt. Die stehen jetzt in Gstaad auf der Karte.» Motivation? «Gstaad ist unsere zweite Heimat. Wir sind oft im «Bernerhof». Und wir wissen, dass die Hoteliers Brigitte und Thomas Frei hohe Ansprüche an Qualität haben wie wir. Sie sind verlässliche Partner.»
Ein Fall für Reist. Im «Esprit Ravet» stehen die Ravets im Mittelpunkt. Aber da gibt es noch einen stillen Helden im Hintergrund: «Bernerhof»-Küchenchef Marcel Reist. Er setzt präzis um, was die berühmten Chefs vorgeben. Bernard Ravet: «Wir haben drei Tage lang hart gearbeitet, für jedes Gericht eine «fiche téchnique» erstellt und alles fotografiert. Nach der Hauptprobe wissen wir, dass alles klappt. Marcel Reist ist wirklich ein hervorragender Chef, und seine Brigade zieht mit.» Bereits der erste Eindruck war prima: «Eine perfekte Mise-en-place, eine Ordnung und Präzision wie in einer Apotheke.»
Ein Feuerwerk zum Start. «Déjeuner» für ein paar Freunde des Hauses vor dem offiziellen Start am Freitag, Hochbetrieb am Herd: Gleich drei Ravet-Generationen unterstützen die «Bernerhof»-Truppe: Grossvater Bernhard Ravet, Sohn Guy (neu mit gepflegtem Lifestyle-Bart), Enkel Leo. Vier Starters, die begeisterten: Eine Terrine (Kalb, Kaninchen, Perlhuhn), Swiss Shrimps mit Zitronenperlen, Brasato-Ravioli in einer unglaublich intensiven Bouillon – und natürlich die Waadtländer Kult-Wurst: «Saucisson vaudois pistaché» auf Beluga-Linsen.
Acht Haxen, 36 Stunden lang geschmort. Das eigentliche Déjeuner? Eine nur sanft erhitzte Gstaader Forelle («Truite Translucide»), mit einer unglaublich guten Pinot-Blanc Sabayon. Aus der Forelle wurde auch die kleinste Gräte mit der Pinzette sorgfältig entfernt – das ist bei den Ravets Standard. Und dann ein Vufflens-Klassiker: Acht butterzarte Kalbshaxen, 36 Stunden lang geschmort, wurden auf einem riesigen Silbertablett präsentiert, mit Mini-Eierschwämmli und Kartoffel-Mousseline serviert. Da applaudierten auch die Berufskollegen: Die Starchefs Franz Wiget (Steinen SZ) und Marcus G. Lindner (bald wieder zurück in Gstaad?). Fürs Dessert durfte Hauspâtissier Marcel Mayor ran: Choco und Himbeeren, einfach und trotzdem raffiniert.
Qualitätskontrolle. Jeden Monat. «Esprit Ravet» ist ein Projekt der ganzen Familie. Nathalie Ravet, eine der besten Sommelièren im Land, hat eine tolle Weinkarte geschrieben. Ganz diskret sind dabei auch die eigenen Weine aufgeführt. Der verblüffende «R30» etwa, das neue Top-Produkt der Kollektion. Passte prima zur Haxe! Die Familie übernimmt in corpore die Qualitätskontrolle. Bernard Ravet: «Einer von uns kommt ein Wochenende pro Monat in den «Bernerhof». So können wir Marcel Reist unterstützen, alle Fragen beantworten und allenfalls kleine Korrekturen vornehmen.» Die 19-Punktechefs überlassen dem «Bernerhof» grosszügig alle Rezepte, bis zur Anleitung zum Brotbacken. Guy Ravet: «Man muss teilen können! Früher wurden Rezepte wie ein Geheimnis gehütet. Wir jungen Köche sehen das nicht mehr so eng.»