Text: Urs Heller
Kein Chefwechsel wie viele andere. Klar, die Nachfolge ist bestens geregelt. Marcus G. Lindner, ein erstklassiger Chef, der in Gstaad auch schon für 18 Punkte gekocht hat. Aber Robert Speth (grosse Bild oben, mit Ehefrau Susanne) war im Saanenland mehr als «nur» ein Koch. Er war eine Ikone, der den kulinarischen Massstab für die ganze Region, für die Konkurrenten wie für die Produzenten, sehr hoch setzte. Die Stammgäste liebten den nervenstarken Kerl: Man ging nicht in die «Chesery», man ging «zu Robert». Die Bartheke im 18-Punkte-Restaurant war so etwas wie Gstaads schönster Stammtisch.
«Speths sagen leise servus». Wie es sich für einen Grossen der Szene gehört, wurde der Abschied nach 35 Dienstjahren gehörig und gleich in vier Akten gefeiert. Der letzte: «Speths sagen leise servus». Für einen letzten Sonntagslunch war die «Chesery» bis auf den letzten Stuhl ausverkauft, folgte eine Laudatio auf die andere. Zu essen gab’s auch: Roberts berühmten Steinbutt mit Champagnersauce und Beurre Rouge. Roberts «Brie de Meaux aux Truffes» mit ersten Tartufi der Saison. Zum Hauptgang wühlte der Chef noch einmal im Archiv: «Lachs-und Kalbsfilet im Sauerrahmteig» - so ging Gourmet-Küche 1988!
«Restaurant statt Schickimicki-Laden.» Robert Speth ist der Mann der wenigen Worten. Aber zum Abschied musste eine kleine Rede schon sein: «Etwas Wehmut liegt in der Luft. 1984 haben wir diesen Schickimicki-Laden hier übernommen und versucht, daraus ein brauchbares Restaurant zu machen.» Seine wichtigsten Partner: Ehefrau Susanne, Franz Rosskogler (später «Le Grand Chalet») und sein bester Maître: Ivan Letzter (heute «Rialto»). Speth wünscht sich, dass die Erfolgsgeschichte weitergeht und sagte: «Für den neuen Touch haben wir den Herrn Lindner hier.»
«Euch wird es keinen Tag langweilig sein.» Der «Herr Lindner» durfte beim letzten Mittagsmahl der Speths schon mal ran. Mit Amuse-bouches, die auf eine leise Kurskorrektur hindeuteten. Mit einem Eismeer Saibling «mi-cuit» und Spanferkel zum Start und Topfenknödel und Schmarrn mit Heidelbeeren zum Schluss. Lindner: «Robert hat meinen ganzen Respekt. Die «Chesery» ist nicht nur ein Restaurant; sie ist Gstaads Wohnzimmer. Ich werde einige seiner Klassiker auf der Karte behalten, weil ich die auch sehr gerne koche. Aber natürlich werde ich auch ein paar moderne Punkte setzen.» Muss er auch; eine Speth-Küche lässt sich nicht kopieren. Marcus Lindner wandte sich in seiner sympathischen Ansprache auch an seine neuen Mitarbeiter am Herd: «Euch wird es keinen Tag langweilig sein. Dafür sorge ich.» Wer Lindner kennt, weiss: Das ist keine leere Drohung.
Und jetzt auf die schöne blaue Donau. Natürlich: Robert Speth hängte seinen Kochblouse nach dem letzten Gang an den Nagel und übergab seinem Nachfolger einen selbstgebackenen (!) Schlüssel aus Brot. Aber der grosse Chef bleibt dem Saanenland zumindest als VIP-Caterer erhalten («Le Grand Catering» vom Swiss Deluxe Hotel Bellevue). Und als Gastkoch tritt er auch auf: Nächste Woche schon auf dem Flussschiff «Excellence-Princess». Er weiss, was er zwischen Passau und Budapest auf dem Programm hat: «Zweimal Kochen, viel Golf spielen». Entspricht ziemlich genau seinem neuen Lebensplan.