Fotos: Adrian Bretscher
In Erinnerung bleiben. Zusammen standen sie fast 240 Jahre hinter dem Herd, jetzt wollen sie es nochmals wissen: André Jaeger («Fischerzunft», 19 Punkte), Wolfgang Kuchler («Schäfli», 18 Punkte), Franz Wiget («Adelboden», 18 Punkte), Robert Speth («Chesery», 18 Punkte, Martin Dalsass («Talvo», 18 Punkte) und Dario Ranza («Ciani», 15 Punkte) sind alle – oder in absehbarer Zeit – im wohlverdienten Ruhestand. Sie haben die Gastronomie geprägt und sind bei ihren Gästen in bester Erinnerung. Doch nur weil sie nicht mehr jeden Tag in der Küche stehen, heisst das nicht, dass sie nicht mehr gefragt sind. Deshalb haben sie den «Buena Vista Kitchen Club» gegründet. «Der Club soll uns auch nach der Pensionierung eine gewisse Visibilität bringen», sagt André Jaeger, 77.
Graue Haare und Freude am Kochen. Der Name des Clubs ist eine Anspielung auf das Musikprojekt Buena Vista Social Club. Musiker aus Kuba fanden so im hohen Alter zu Weltruhm. Um Ruhm geht es den Köchen aber nicht. «Wir möchten nicht in Vergessenheit geraten. Ausserdem haben wir eine Passion und die nehmen wir mit ins Grab», sagt Jaeger. Denn was die sechs Köche eint, sind nicht nur ein paar graue Haare, sondern auch die Freude am Kochen.
Erster Einsatz im «The Chedi». Mitte August trafen sich die Gründungsmitglieder im Restaurant Adlisberg, um die Richtlinien des Clubs sowie das erste Menü zu besprechen. Den ersten Auftritt haben die Herren nämlich bereits am 20. Oktober im Swiss Deluxe Hotel «The Chedi» in Andermatt. Wer was kocht, darüber ist man sich schnell einig. Keiner drängt sich in den Mittelpunkt, alle denken mit und sind mit der ihr zugetragenen Rolle zufrieden. Kuchler senior bringt Foie Gras, Dario Ranzo Pulpo und Martin Dalsass Cavatelli. André Jaeger macht einen Fisch, Franz Wiget besorgt den Hauptgang und Robert Speth den Käse. Bei Amuse-bouches und Dessert wird das Kochkollektiv von den beiden «Chedi-Twins» Dominik Sato und Fabio Toffolon unterstützt.
Rooooooooobert! Für viele steht beim Buena Vista Kitchen Club noch ein anderer Punkt im Fokus: die Freundschaften. «Wir kennen uns schon so lange. Ich schätze einfach diese Freundschaften, auch wenn wir uns ständig anzünden», sagt Franz Wiget. Und tatsächlich: die Männer frotzeln sich schier ununterbrochen. Das geht dann so: Robert Speth will neben dem Käse – sein Trüffelbrie ist legendär – auch noch eine Cremeschnitte bringen. Kollege Wiget neckt: «Ja, nimm nur noch eine Cremeschnitte mit. Beim Käse hast du ja nicht viel zu tun, den lässt du ja produzieren.» Doch Wiget kassiert ebenfalls einen frechen Spruch. Der ehemalige 18-Punktechef will für den Hauptgang Geflügel aus Frankreich bestellen. «Aber was mache ich dann aus den Schenkeln?», denkt er laut vor sich hin. «Die kannst du im Fall schmoren», erklärt ihm Wolfgang Kuchler. «Tatsächlich? Das wusste ich gar nicht», entgegnet Wiget. Beim Buena Vista Social Club lernt jeder noch dazu. Der Running Gag unter den Männern ist allerdings der: Alle fünf Minuten ruft einer «Roooooooobert»! Angesprochen ist Robert Speth, das langezogene O in seinem Namen eine Anspielung auf den Kult-Millionär Robert Geiss. Der Koch nimmts gelassen. «Würde es etwas ändern, wenn ich mich beschweren würde?» Vermutlich nicht.
Richtlinien statt Regeln. Die sechs Gründungsmitglieder sind für den ersten Event gesetzt. Danach dürfen sich auch weitere Köche für den Club bewerben. Dafür gibt es ein paar wenige Regeln: Die Köche dürfen nicht mehr aktiv in einem Restaurant kochen und müssen das Pensionsalter erreicht haben. «Ou, da falle ich ja gleich wieder raus», bemerkt Wiget. Der Schwyzer ist mit seinen 63 Jahren quasi das Küken im Club. Die Regeln sind also eher Richtlinien. Denn auch bei Dario Ranza muss der Buena Vista Kitchen Club ein Auge zudrücken. Ranza hat das Pensionsalter zwar bereits überschritten (er ist 68 Jahre alt), doch er steht noch immer in einer Küche – wenn auch nicht täglich. «Ich arbeite etwa 30 Prozent. Aber das ist von den anderen Mitgliedern abgesegnet. Die arbeiten schliesslich auch noch», so der Tessiner.
Alle im Unruhestand. Auch das ist wahr. Vor allem Robert Speth ist extrem aktiv. Doch er steht nicht in einem Restaurant, sondern betreibt erfolgreich ein Catering. «Ich schaue, dass wir pro Tag nur einen Auftrag haben. Aber manchmal haben wir bis zu drei!», so der Mann aus Gstaad. «Für dieses Projekt nehme ich mir Zeit. Ich will nur noch machen, was mir Freude bereitet.» Ähnlich sieht es auch Martin Dalsass. Der ist streng genommen noch gar kein Pensionär. Seinen letzten Arbeitstag hat er am 17. Oktober 2024. Und was macht er am ersten Tag des Ruhestands? «Ich arbeite und koche beim Excellence Gourmetfestival auf dem Schiff!» Und auch Kuchler senior ist noch aktiv. «Ich helfe meinem Sohn im Schäfli, mache regelmässig Spätzli.» Langweilig wird es den alten Herren also bestimmt nie.