Ihre Philosophie heisst «Radius 66», weil sie fast nur Produkte aus einem Umkreis von 66 Kilometern verwenden. Warum tun Sie sich das an?

Weil Regionalität und Saisonalität eine Frage der Haltung und Konsequenz sind. Aber auch, weil es wahnsinnig Spass macht, Leute zu entdecken, die ganz in der Nähe erstklassige Produkte mit Leidenschaft erzeugen. Auf meine Kreativität wirkt diese vermeintliche Beschränkung beflügelnd. «Radius 66» gibt es bei uns in der «Gastwirtschaft Floh» in Langenlebarn seit 2008, den Fokus auf die besten Produkte aus der nahen Umgebung seit über 30 Jahren.

Am 25. März kochen Sie zusammen mit Moritz Stiefel in «Stiefels Hopfenkranz» in Luzern. Was bringen Sie mit aus Ihrer Heimat – und kennen Sie die Stiefels persönlich?

Ich werde einen meiner grossen Klassiker servieren: das Kalbszüngerl mit Meerrettich und Kürbiskernöl. Ausserdem wird es fermentierten Spargel aus dem letzten Jahr mit eingelegtem Ei, Bärlauch und Radieschen geben. Damit die Gäste erfahren können, wie gut Eingemachtes schmeckt, bringe ich noch viele Gläser aus unserer Vorratskammer für eine Degustation mit. Die Stiefels kenne ich leider nur von einem Video Call, aber ich bin sicher: Das passt!

Knollensellerie mit Kohl, Topaz-Apfel und Meerrettich – diese Kreation heisst bei Josef Floh «Herzstück».

Knollensellerie mit Kohl, Topaz-Apfel und Meerrettich – diese Kreation heisst bei Josef Floh «Herzstück».

Im «Floh-Markt», dem kleinen Laden der «Gastwirtschaft Floh» kann man Feines für zu Hause einkaufen, darunter viel Eingemachtes.

Im «Floh-Markt», dem kleinen Laden der «Gastwirtschaft Floh», kann man Feines für zu Hause einkaufen, darunter viel Eingemachtes.

Weil es in der Umgebung seines Wirtshauses keine ambitionierten Hotels gibt, bietet Floh auch ein liebevoll zusammengestelltes Frühstück an.

Weil es in der Umgebung seines Wirtshauses keine ambitionierten Hotels gibt, bietet Floh auch ein liebevoll zusammengestelltes Frühstück an.

Als Heinz Reitbauers «Steirereck» im Januar den dritten Stern bekam, tanzten Sie an der Michelin-Gala in Salzburg vor Freude auf dem Stuhl. Sie haben ganz offensichtlich eine besondere Beziehung zu ihm.

Ich schätze ihn als Mensch und Koch ungemein. Drei Sterne und 19 Punkte sind eigentlich nicht genug, um zu würdigen, was er für Österreich geleistet hat. Er fasst die kulinarische Kultur und Geschichte unseres Landes in ehrliche, authentische, kreative und puristische Gerichte. Dass sein Sohn vor drei Jahren ein Praktikum bei uns absolviert hat, empfinde ich als grosse Ehre. Heinz und ich haben eine sehr ähnliche Philosophie, auch wenn meine Wirtshaus-Gerichte naturgemäss einfacher sind als seine Kreationen im «Steirereck». Er ist eine riesige Inspiration für mich, und es freut mich, dass ich hin und wieder auch eine kleine für ihn sein darf.

Gemüse spielt in Ihrem Restaurant seit jeher eine bedeutende Rolle. Sie haben sogar mal darüber nachgedacht, den Posten eines Gemüse-Sommeliers einzuführen.

Warum nicht einmal ein Gemüse-Sommelier? Es gibt ja heute für alles Mögliche Sommeliers, sogar für Wasser. Wir haben vor ein paar Jahren im Kreis von Kochkollegen die gleiche Karottensorte von sechs verschiedenen Standorten auf jeweils sechs Arten zubereitet und waren fasziniert von der geschmacklichen Bandbreite. Terroir und Lage gibt es längst nicht nur bei Trauben. Was mich extrem erstaunt hat: Wir waren nicht im Stande, die Geschmacksprofile in die richtigen Worte zu fassen. Uns allen fehlte das passende Vokabular.

Josef Floh mit seiner Frau Elisabeth und den gemeinsamen Kindern Luisa und Josef Ignaz.

Josef Floh mit seiner Frau Elisabeth und den gemeinsamen Kindern Luisa und Josef Ignaz.

Sie kochen grundsätzlich ohne Rezept. Haben Sie das schon einmal bereut?

Das ist ungewöhnlich, aber das Ungewöhnliche liegt uns ja. Ein Gericht schmeckt bei uns immer ein wenig anders. Das kann bedauerlich sein, wenn es beim letzten Mal besonders gelungen war, es bringt aber auch den charmanten Vorteil, dass sich die Kreationen immer ein wenig entwickeln. Unser Ansatz fördert die Kreativität und befreit von der Routine.

Was ist das Verrückteste, das Sie in der Küche angestellt haben?

Wir haben Karotten eingesalzen, so wie man das mit einem Schinken macht. Sie wurden dabei so salzig, dass wir sie anstelle von herkömmlichem Salz über die Speisen reiben konnten. Das war skurril. Dank einer Sondergenehmigung durften wir auch schon Biberfleisch zubereiten. Codename: Wasserhase.

Bodenständiger und doch raffinierter Genuss à la Floh: Saibling mit Karotte und Emmer-Risotto.

Bodenständiger und doch raffinierter Genuss à la Floh: Saibling mit Karotte und Emmer-Risotto.

Wie gut kennen Sie die kulinarische Szene in der Schweiz?

Ich war letzten Sommer zusammen mit dem Foodscout und Historiker Dominik Flammer in der Schweiz unterwegs. Wir sind unter anderem bei Stefan Wiesner und bei Markus Stöckle im «Rosi» in Zürich eingekehrt. Was der «Hexer» mitten im Nirgendwo auf die Beine gestellt hat und mit welchem Ideenreichtum er kocht, beeindruckt mich sehr. Markus ist ebenfalls ein genialer Typ! Auch Rebecca Clopaths Weg verfolge ich mit grossem Interesse. Sie war auch schon bei einer Veranstaltung des Kochcampus, der Interessengemeinschaft der österreichischen Spitzenköche, mit dabei. Und dann ist da natürlich Andreas Caminada, eine Lichtgestalt, die wie Heinz Reitbauer in Österreich das Denken einer ganzen Generation von Chefs beeinflusst hat und auch für die nächste Generation eine Inspiration ist. Meine 15-jährige Tochter Luisa hat ein dreimonatiges Praktikum in der «Casa Caminada» absolviert. Ein fantastisches Restaurant, dessen Philosophie sehr eng mit der unseres Gasthauses verwandt ist.

Letztes Jahr haben Sie das Stadion Ihres Lieblingsclubs Austria Wien gemietet und ein Fussballturnier mit kulinarischem Rahmenprogramm ausgerichtet. Sind Sie als Fussballer genauso gut wie als Koch?

Ich hoffe doch sehr, dass ich besser kochen als kicken kann. Beim Fussball war ich immer sehr passioniert, aber nicht besonders talentiert. Es hat nur zum Vorstopper gereicht. Thomas Dorfer, Chef im 18,5-Punkte-Restaurant «Landhaus Bacher» und ein enger Freund von Andreas Caminada», ist ein grossartiger Fussballer, der Maradona unter den österreichischen Köchen. An meinem Turnier, dem Kalbszüngerl-Cup, war er als Koch und Kicker im Einsatz, wie auch Heinz Reitbauer oder Andreas Döllerer. Sogar ein Team mit Legenden von Austria Wien, darunter unser Stammgast Herbert Prohaska, war dabei!

Spitzenküche in ganz und gar unkomplizierter Atmosphäre: Bei Josef Floh ist man für ein Feierabendbier ebenso willkommen wie für das grosse Menü.

Spitzenküche in ganz und gar unkomplizierter Atmosphäre: Bei Josef Floh ist man für ein Feierabendbier ebenso willkommen wie für das grosse Menü.

Sie sind nicht nur ein glühender Fan der Austria, sondern auch ein Bewunderer des 2016 verstorbenen Sängers Prince und sollen ihm sogar einmal begegnet sein.

Das stimmt! Prince war zwei Jahre vor seinem Tod bei uns zu Gast. Ich konnte es nicht fassen! Er hatte unter einem anderen Namen reserviert und sass an einem ruhigen Montagabend mehr oder weniger allein mit seinem Begleiter in der hinteren Stube. Ich wollte ihn nicht stören und sah ihn so nur an der Küche vorbeigehen. 

Bei Ihnen kann man ein grosses Menü geniessen, aber auch einfach nur ein Gulasch essen oder ein Bier trinken. Warum handhaben Sie das so?

Ich bin hier aufgewachsen, schon meine Grosseltern und Eltern führten dieses Wirtshaus. Die Wurzeln zu bewahren, ist mir unheimlich wichtig. Die Einheimischen, die einfach auf ein Bier vorbeikommen, sind deshalb immer herzlich willkommen. Sie tragen dafür zur Atmosphäre bei. Wir sind auch nicht nur für Mittag- und Abendessen geöffnet, sondern den ganzen Tag. Wirtschaftlich macht das keinen Sinn, aber es ist Teil unserer Kultur.

Ein Mann, ein Hut: Die Kopfbedeckung war viele Jahre lang Josef Flohs Markenzeichen. Heute experimentiert er  öfters mit seiner Frisur, trägt auch einmal einen Irokesenschnitt.

Ein Mann, ein Hut: Die Kopfbedeckung war viele Jahre lang Josef Flohs Markenzeichen. Heute experimentiert er öfters mit seiner Frisur, trägt auch einmal einen Irokesenschnitt.

Sie haben zwei Kinderkochbücher namens «Der kleine Floh» geschrieben. Ungewöhnlich für einen Spitzenkoch.

Ich bin ja nicht nur Koch, sondern auch Vater und habe mich natürlich immer gefragt: Was gebe ich meinen Kindern zum Essen? Wenn man die kulinarischen Gewohnheiten einer Gesellschaft verändern will, muss man bei den Kindern beginnen. Wer erst einmal 40 oder 50 Jahre alt ist, wird sich nicht mehr ändern. Es geht nicht darum, Fine Dining zu bewerben, ich möchte den Menschen die Liebe zu guten Produkten vermitteln, auch wenn sie sich nur ein Schnittlauchbrot machen. Gutes Essen als Schulfach ist mein Traum!

Letzte Frage: Wie viele Hüte besitzen Sie?

Nachdem ich zehn Jahre lang ausser beim Schlafen praktisch immer einen Hut aufhatte, laufe ich nun öfter ohne herum. So um die 25 Hüte hängen aber bestimmt an meiner Garderobe.

Am 25. März kocht Josef Floh zusammen mit Moritz Stiefel in «Stiefels Hopfenkranz» in Luzern. Zur Reservation für den Event geht es hier.

Fotos: HO Gastwirtschaft Floh, Jürgen Skarwan