Text: Urs Heller I Fotos: Marcus Gyger
Die WG der Köche. Was kommt vor dem Kochen? Schaufeln! Über Nacht ist heftig Schnee gefallen. Die Teams von «The Japanese by the Chedi Andermatt» und von «Gütsch by Markus Neff» fahren mit der ersten Gondel hoch auf 2340 Meter. Mittags sind die Sonnenterrassen der beiden Restaurants gut gebucht. Bis dann muss der Schnee geräumt sein. An der Schleuder und an der Schaufel alle, auch die beiden berühmten GaultMillau-Chefs. Fürs Mitarbeiter-Frühstück ist Markus Neff das zuständig: Spiegeleier mit Speck, kalter Schweinsbraten, Salami, kiloweise Brot. «Schaufeln macht hungrig», lacht Neff. Die beiden Brigaden sitzen gemeinsam am Tisch, Sushimaster inklusive. WG der Köche auf dem Gourmet-Berg. Grosses Bild oben: Markus Neff (l.) und Dietmar Sawyere.
Zwei Spitzenrestaurants unter einem Dach. Das gibt es so nur einmal in den Alpen und geht nur, weil die beiden Chefs Dietmar Sawyere und Markus Neff gut miteinander harmonieren. Und austauschen, was fehlt: Markus kriegt aus dem japanischen Restaurant unkompliziert Nachschub beim Lachs, Dietmar dafür eine Ladung «Bolo», wenn die Kids seiner Gäste Spaghetti lieber haben als Sushi und Sashimi aus der Bento-Box. «Wir sind Freunde geworden», sagt Sawyere. «Ein feiner Kerl», lobt Neff. So viel alpine Harmonie ist nicht selbstverständlich im Hochsaison-Alltag.
Steinbutt und Königstauben auf 2340 Metern. «Wo geht’s ins normale Restaurant?», fragen die Gäste auf dem «Gütsch». Mit «normal» meinen sie die 16 Punkte-Küche von Markus Neff. Der Chef kocht klassisch-französisch, war 2007 im «Fletschhorn» Saas Fee GaultMillaus «Koch des Jahres». «Das ist abgehakt», sagt Neff, «ich war 30 Jahre im «Fletschhorn», aber jetzt schlage ich in Andermatt ein neues Kapitel auf.» Abgehackt? Geht so. Gourmet-Chef bleibt Gourmet-Chef. Also liefert Bianchi täglich Steinbutt und Königstauben in grösseren Mengen auf den Berg. Die Zubereitung zeigt die Handschrift des Meisters. Den Steinbutt gibt es sanft gegart, auf Spitzkohl und mit Weisswein in der Beurre blanc. Die Taubenbrust wird seignant gebraten, die Schenkel stecken geschmort in einer Selleriemousseline. Andermatter Lamm gibt es auch: Die Tiere weiden im Sommer auf einer nahen Alp und kämpfen gegen die Verbuschung an, im Winter landen sie auf dem Teller. «Gute Qualität, muss noch etwas länger abhängen», sagt Neff nach einem ersten «Versucherli».
Andermatter Wagyu & Swiss Shrimps. Markus Neff setzt bei den Amuses bouches wenn immer möglich auf Andermatter Produkte: Roulade vom lokalen Wagyu, Tarte Savièse und Süppchen mit feinem Bergkäse von seinem Nachbarn. Suppen sind eh sein Ding: Die Bisque ist ein Highlight auf der Karte. Zarte Swiss Shrimps aus Rheinfelden werden verarbeitet, mit Bergen von Karkassen. «Früher habe ich meine Bisque mit Hummer gemacht», sagt Neff, «dann habe ich auf dem GaultMillau-Channel die Swiss Shrimps entdeckt. Ich probierte und war begeistert. Feiner als Hummer!» Auch den gold-schimmernden den Zander kauft er in der Region ein, genauer in Erstfeld: Gotthard-Zander, aufgewachsen im Quellwasser der Urner Alpen. Die Pasta stellt der Chef täglich auf dem Berg her, «nur mit flüssigem Eigelb». Natürlich hat er auch eine Ravioli-Alternative für Vegetarier griffbereit: Sbrinz, Spinat, Frischkäse. Auch Neffs langjährige Weggefährten sind mit ihm umgezogen nach Andermatt. Maren Müller ist mittlerweile für alle Restaurants von Swiss Alps zuständig. Charly Neumüller wacht über die Finanzen. David Guss entkorkt ziemlich wortgewandt die Weine, vorzugsweise aus dem Wallis.
Nigiri, Uramaki, Shidaschi Bento Box. Gleiche Sonnenterrasse, gleicher DJ (nur im Winter, nur am Wochenende), ein völlig anderes Konzept: Dietmar Sawyere führt auf Wunsch von Besitzer Samih Sawiris das höchstgelegene japanische Restaurant in den Alpen. Ziemlich erfolgreich: 15 Punkte bei GaultMillau, ein Stern bei Michelin. Das Angebot ist vielfältig: Eilige Skifahrer ordern Sushi: Vier Lachs-Nigiri. Vier Avocado Maki. Vier Spicy Shrimps Uramaki. Wer etwas mehr Zeit mitbringt, freut sich auf die «Shidashi Bento Box»: Sechs elegante Gerichte, in zwei Services aufgetragen. Highlights: Tempura Hummer mit Kanzuri Mayo. Mit Ingwer gedämpfter Wolfsbarsch. Teppanyaki Kagoshima Wagyu mit Ponzu und Oscietra Kaviar. Und für den grossen Hunger? Dietmar Sawyeres «Omakase Kaiseki Menü» gibt’s mittags auch auf dem Berg. Omakase bedeutet, «dem Koch vertrauen». Das sollte man tun.
Risotto bei Bernhard Russi. Im «Wachthuus», früher eine Wetterstation der Armee, wirtet ein Olympiasieger: Bernhard Russi hat die Pistenbeiz am Gütsch zusammen mit seinem Kumpel und Hedgefond-Manager Al Breach übernommen. Auf der Karte «Ryys ond Boor» (Lauch mit Reis, eine Urner Spezialität), «Spatz» wie einst im WK und natürlich Bernhards Lieblingsgericht: Risotto!
Die Pizza heisst hier Alpenfladen. Auch die «Alp-Hittä» am Nätschen (mit Sonnenterrasse) ist eine ausgezeichnete Adresse. Der frühere FDP-Präsident Franz Steinegger («Katastrophen-Franz») ist Fan und Stammgast, hat der «Hittä» zu nationalem Ruhm verholfen: Sieg in der TV-Vorabendsendung «Mini Beiz – Dini Beiz». Beizer sind Marcel Waser und Corinne Keiser. Auf der Karte Alpen-Suppentopf mit Siedfleisch, Bratwurst vom Napfschwein mit Rösti, Ossobucco mit Safranrisotto. Die Pizza, vorbildlich hergestellt aus einem 72 Stunden lang ruhenden Hefeteig, heisst hier «Alpenfladen». Neu ist die «Sunset Lounge». Empfehlung der jungen Gastgeber: «Getränke und Snacks mit dem Smartphone bestellen, liegen bleiben, bis die Bestellung kommt.» Chillen hoch über dem Urserntal (auf 1840 Metern über Meer).
Viel Vegi bei den Schneehüenern. Alternative zu Suppentopf mit Siedfleisch und Bratwurst: Der «Schneehüenerstock» auf 2600 Metern, mit dem «Schneehüenerstock-Express» bequem zu erreichen. Sonnenterrasse, Sicht auf Surselva, Urserntal und 100 Berggipfel, nebst den Berg-Klassikern auch viel Gemüse und alternative Proteine auf der Karte. Der Zeitgeist hat auch die Andermatt Bergbeizen erfasst.
>> Lesen Sie nächste Woche den zweiten Teil des GaultMillau-Andermatt-Reports: Im Dorf surft «The Chedi» auf Erfolgskurs und ist der (schwarze) Bär los.