Text: David Schnapp | Fotos: Thomas Buchwalder
Kalter Morgen. Am Morgen um 8 Uhr Mitte November weht eine ziemlich frische Bise durch die sanften Hügel des Waadtländer Juras. Die ersten Sonnenstrahlen leuchten zwar wie ein warmes Licht zwischen den Bäumen, aber es ist trotzdem 3,5 Grad kalt. Guy Ravet hat seinen grauen Mercedes-Benz GLE 350 de 4Matic vor dem Haus parkiert, nun geht er mit den Händen in der Jackentasche hinter Roland Clivaz her, um sich dessen Produktionsanlage anzuschauen.
Wasserrecht seit 1000 Jahren. Clivaz züchtet Forellen – «in Bioqualität!» – und balanciert jetzt über zwei Bretter zu einem der Becken. Lustig rauscht das frische Wasser aus dem Bach in L’Isle in die Anlage. «Weil das früher eine Mühle war, existiert das Nutzungsrecht für das Wasser seit über 1000 Jahren», erklärt der gut gelaunte 65-Jährige. Seit 1965 züchtet die Familie hier Forellen, «und nur Forellen», wie Roland Clivaz sagt. Wenn man verschiedene Fische in derselben Anlage halten wolle, gebe es nur Probleme, so der Romand.
«Das Wasser macht den Unterschied.» Guy Ravet, der zusammen mit seinem Vater Bernard die Küche des Familienbetriebs «Ermitage des Ravet» in Vufflens-le-Château (19 Punkte) leitet, bezieht seit Jahren Fische aus L’Isle. «Die Qualität der Forellen ist aussergewöhnlich», erklärt der Koch. «Das Wasser macht den Unterschied», antwortet Monsieur Clivaz auf die Frage nach dem Grund für seine besonderen Fische. Und man lasse den Forellen, die in Natur- und nicht in Betonbecken schwimmen, Zeit zu wachsen. «So dauert es halt 17 und nicht bloss 12 Monate, bis eine Forelle 350 Gramm schwer ist», erklärt Clivaz.
Nicht zu viel Fett. Für die grossen Lachsforellen, aus denen er in der eigenen kleinen Produktion – und natürlich in Handarbeit – Graved Lachs herstellt, braucht der entspannte Fischexperte auch mal drei bis vier Jahre Geduld. «Die Tiere dürfen nicht zu viel Fett ansetzen, sonst schmeckt das Endprodukt nicht», weiss Roland Clivaz. Die Leidenschaft für seine Zucht bringt der Mann mit Mütze und Gummistiefeln mit einem einleuchtenden Satz auf den Punkt: «Es ist kalt hier draussen, wir haben viel Arbeit, aber es ist schön!»
Eigene Weinkollektion. Im warmen Mercedes fährt Guy Ravet nun hinab in Richtung Lac Léman. In Morges steigt er schliesslich in den Weinkeller des Jahres 2020. Seit 30 Jahren produzieren die Ravets in Zusammenarbeit mit dem erfahrenen Önologen Rodrigo Banto im Cave de la Côte eine eigene Weinkollektion. «Die Idee meines Vaters war ursprünglich, in der eher für Massenproduktion bekannten Region La Côte hochwertige Weine zu produzieren. Heute diskutieren wir unsere Ideen mit Rodrigo, er setzt sie dann im Keller um», so Ravet.
13 Ravet-Weine. Seit 2003 ist Banto für die breitgefächerte Produktion des Hauses verantwortlich, mit den Ravets entwickelt er 13 verschiedene Weine. Ein edler Chardonnay aus dem Barrique ist ebenso dabei wie ein Schaumwein, hergestellt nach der Prosecco-Methode in speziell druckfesten Stahltanks. Bei einem Rundgang durch die weitläufige Keller-, Herstellungs- und Abfüllanlagen des Unternehmens zeigt Rodrigo Banto, wie die letzten luftgetrockneten weissen Süssweintrauben für die Pressung bereit gemacht werden. In manchen der riesigen Stahltanks ist ein feines Summen, gewissermassen die Melodie des Jahrgangs 2021, zu hören. «Der Klang entsteht bei der Fermentation, wenn durch die Vergärung CO2 gebildet wird und entweicht», erklärt Banto.
Dill, Lattich und Trauben. Nach dem Besuch im Keller macht Mercedes-Markenbotschafter Guy Ravet einen Zwischenhalt in Villars-Sainte-Croix. Die Hallen der Firma Léguriviera liegen zwar etwas unromantisch in einem Gewerbegebiet, aber die hier ansässigen Spezialisten für hochwertiges Obst und Gemüse haben prominente Kunden: Franck Giovannini im Nachbarort Crissier gehört ebenso dazu wie Guy Ravet selbst oder sein Kollege Stéphane Décoterd. Für ihn holt Ravet jetzt eine Kiste mit Dill, Lattich und Trauben ab, und schon geht die Fahrt weiter.
Breitwand-Aussicht. Endstation der charmanten Tour de Vaud ist Glion oberhalb von Montreux. Guy Ravet steuert das Restaurant an, das seit Kurzem «Maison Décotterd» heisst. Schon auf dem Parkplatz hat man eine Breitwand-Aussicht auf den glitzernden Genfersee und die französischen Alpen. In den Räumlichkeiten der Ecole hôtelière internationale werden die künftigen Eliten der Tourismus- und Luxusindustrie ausgebildet, und Stéphane Décotterd ist neu verantwortlich für Bar, Bistro und Gourmetrestaurant im Haus. «Das war ein Angebot, das ich nicht ausschlagen konnte», sagt Décotterd, der mit seiner regionalen Romandie-Küche zuvor in Brent mit 18 Punkten und zwei Sternen ausgezeichnet wurde.
Freundschaftsbesuch. Die beiden Spitzenköche sind nicht nur Kollegen, die sich auch mal eine Kiste Gemüse vorbeibringen. Ravet ist ausserdem neuer Präsident der prestigeträchtigen Vereinigung «Les Grandes Tables de Suisse» und Décotterd schon lange engagiertes Mitglied im Zusammenschluss hervorragender Köche. «Für uns ist es wichtig, in diesem Institut, wo Leute aus rund 100 Ländern studieren, als Grandes Tables präsent zu sein», erklärt Guy Ravet. Für das Gemüse und den Freundschaftsbesuch revanchiert sich Stéphane Décotterd mit einem Lunch: Es gibt gebeizte, confierte Lachsforelle mit Verjus, Korianderöl, Lattich und Korianderbutter, Rehrücken mit Rotkraut und Safran-Rosinen-Brioche sowie eine leichte Granny-Smith-Variation vom Patissier des Jahres, Christophe Loeffel. «Das war schön», sagt Guy Ravet zum Schluss, bevor er sich in seinen Mercedes setzt und diesen gastfreundlichen Ort zur frohen Aussicht wieder verlässt.
>> Guy Ravet führt zusammen mit seinem Vater Bernard die «Ermitage des Ravet» in Vufflens-le-Château und ist Markenbotschafter von Mercedes-Benz. An freien Tagen besucht er Berufskollegen und Produzenten. In seiner Heimat Waadt war er unterwegs mit seinem Mercedes GLE 350 de 4Matic, der sparsam mit Diesel- und Elektromotor fährt.