Text: David Schnapp | Fotos: Thomas Buchwalder
Heiko Nieder, ganz allgemein gefragt: Was sollte man im Flugzeug auf keinen Fall bestellen?
Das ist natürlich individuell, aber ich würde keine Pasta und kein Fleisch bestellen, das rosa gebraten sein sollte. Die Pasta wird logischerweise vorgekocht und quellt dann weiter, bis sie sehr weich ist. Und beim Fleisch sind die Temperaturvorgaben aus Hygienegründen so, dass der Garpunkt gar nicht der sein kann, den ich mir vorstelle.
Sie entwerfen seit einem Jahr Gerichte für die Singapore Airlines, was haben Sie in dieser Zeit gelernt?
Grosse Fehler sind uns glücklicherweise nicht unterlaufen, aber ich musste die Grösse der Portionen etwas nach oben anpassen. Wer zwölf Stunden im Flieger sitzt, viel Zeit hat und Fernsehen schaut, isst offenbar gerne etwas mehr.
Wie sind Sie eigentlich vorgegangen: Haben Sie neue Gerichte kreiert oder bestehende für die Bordküche angepasst?
Es ging darum, unsere Gerichte so umzubauen, dass sie den gleichen Geschmack wiedergeben, den man aus «The Restaurant» kennt, auch wenn sie nicht genau so aussehen und mit weniger oder anderen Komponenten auskommen müssen. Fleisch ist dabei immer geschmort, so kann man es problemlos wieder erwärmen. Und ich habe grundsätzlich darauf geachtet, dass die Aromen kräftig sind, weil sich die Wahrnehmung in 10'000 Metern verändert.
Wieso hat man eigentlich im Flugzeug ein anderes Geschmacksempfinden?
Genau weiss ich das auch nicht, aber es hat offenbar mit dem Kabinendruck zu tun. Bei neueren Fliegern soll dieses Problem aber gelöst worden sein, wurde mir gesagt.
Wenn wir schon dabei sind: Gehören Sie auch zu den Tomatensaft-Trinkern im Flugzeug?
Ja, das gebe ich gerne zu. Und dann komme ich nach einer Reise zurück, kaufe mir Tomatensaft und Tabasco, und die Flaschen stehen dann einen Monat lang unbenutzt im Kühlschrank. Darauf habe ich wirklich nur in der Luft Lust. Offenbar gibt es da ein körperliches Bedürfnis nach Tomatensaft.
Wie ist das Feedback der Gäste auf ihr Flugzeug-Menü?
Wir werden letztlich an den Rückmeldungen der Fluggäste gemessen. Im weltweiten Ranking von Singapore Airlines sind wir relativ weit oben, das macht mich natürlich sehr zufrieden. Die einzige negative Rückmeldung war bisher eben, dass die Portionen grösser sein könnten. Aber das ist ja letztlich auch wieder eine positive Meldung.
Welches ist Ihr bestes Gericht über den Wolken?
Die Garnelen mit grünem Curry und Melone finde ich gelungen, und bei den Hauptgängen ist es das geschmorte Kalbsbäckchen mit Pfifferlingen und Emmentaler, das neu auf dem Menü ist. Davor war es Rind mit Kräutern und Bohnen.
Wie lange dauert es, bis etwas aus Ihrer Küche in der First und Business Class einer Boeing 777 serviert werden kann?
Es gibt drei bis vier Tests, bis die Gerichte im Flieger serviert werden können. Für mich ist durchaus auch interessant zu sehen, wie unsere Rezepte dann in der Produktion von Gate Gourmet umgesetzt werden. Das Probekochen beginnt etwa einen Monat, bevor etwas zum ersten Mal serviert wird. Dazwischen kriege ich immer Bilder aus der Produktionsküche, so bin ich immer auf dem Laufenden. Es sind dort auch Leute beschäftigt, die schon bei mir gearbeitet haben, das gibt mir natürlich ein Gefühl der Sicherheit.
Gelangen die Gerichte fertig angerichtet in die Bordküche, oder kommt da noch viel Arbeit auf das Kabinenpersonal zu?
Unsere Gerichte werden wie ein kleiner Bausatz ins Flugzeug geliefert. Dazu kriegt das Personal Fotos und eine Anleitung. Für den Hauptgang mit Kalb und Pfifferlingen gibt es zum Beispiel Sauce, Fleisch, Kartoffelpüree und Pilze, die separat warm gemacht werden müssen. Dazu gibt es ausserdem Salat und Kräuter, der mit einem Dill-Dressing mariniert wird. Zuerst werden dann die warmen Komponenten schrittweise in den Teller gegeben und obendrauf kommt der Salat. Es ist erstaunlich, was in einer kleinen Bordküche alles möglich ist, das hat mich selbst überrascht.