Text: David Schnapp Fotos: Nell Andris, Hervé Le Cunff, Bruno Voser

«Koch des Jahres 1993» Er war einer der ersten ganz grossen Köche Zürichs. 1993 wurde Heinz Witschi «Koch des Jahres» im GaultMillau, im dazugehörigen Testbericht gibt es «Bluttaube mit gefülltem Schenkel an einem grosszügig getrüffelten Jus und eine Crépinette mit Kaninchenrücken und Foie Gras […]» Ende Juli 2019, nach 55 Jahren als Koch, schliesst «Witschi’s Restaurant» in Unterengstringen. «Ich bin ja eigentlich schon seit elf Jahren pensioniert», sagt der sympathische Witschi am Telefon.

Donatz, Rizzi, Witschi, Ravet

Heinz Witschi (2.v.r.) als «Koch des Jahres 1993»: mit Jacky Donatz, Chefredaktor Silvio Rizzi und Bernard Ravet (v.l.n.r.).

56 Stunden pro Woche. Dabei wollte der talentierte Zeichner gar nicht Koch werden sondern an die Kunstgewerbeschule. «Aber mein Vater, ein Stadtpolizist, verlangte, dass ich zuerst eine Lehre mache. Ich suchte mir also die kürzeste Ausbildungszeit und Koch dauerte damals zweieinhalb Jahre», erzählt der 74-Jährige. Lehre hiess damals: 56 Stunden Wochenarbeitszeit, 2 Wochen Ferien pro Jahr, «und wir sind nicht gestorben dabei», sagt Heinz Witschi mit feinem Unterton.

 

«Petersilie oder Schnittlauch.» Weil er immer mehr über das Kochen gelernt habe, gefiel es ihm auch immer besser. Witschi reiste viele Jahre, arbeitete in Schweden, Mexico, Amerika oder Venezuela. Dort entdeckte er auf der Schweizer Botschaft entdeckte in einem Branchenblatt die Anzeige, mit der ein Pächter für die «Rebe» in Zürich gesucht wurde. Heinz Witschi übernahm das Lokal und machte es bald zu einem der besten der Stadt. Was gar nicht so einfach war, «es gab damals bloss Steinbutt oder Seezunge, Petersilie oder Schnittlauch». Um besser kochen zu können, flog Witschi Meeresprodukte direkt aus Frankreich ein.

Starkoch Heinz Witschi mit seinem Mosimann-Bild

Talentierter Zeichner: Heinz Witschi (2017).

Heinz Witschi

Grosse Klassik: Heinz Witschi mit einem soufflierten Fisch an Champagnersauce.

Erstaunliche Wendung. «Als sei es ein Theaterstück in mehreren Akten», schreibt Witschi zu seinem Abschied von der Küche in einem Brief an seine Stammgäste. Zum Drama gehört eine erstaunliche Wendung. Zuerst der Umzug von Zürich nach Unterengstringen und dann der Ausstieg: Trotz bester Bewertungen im GaultMillau (18 Punkte) und «Guide Michelin» (1 Stern) entschloss sich Witschi für eine Konzeptänderung: «Ich wollte ohne Druck arbeiten und bat die Guides in einem Brief, mich nicht mehr zu berücksichtigen.»

 

Fond, Essenz, Garpunkt. Witschi straffte das Angebot, verzichtete auf Sommelier und Chef de Service, und «es gab dann halt nicht mehr alles gleichzeitig auf der Karte sondern Perlhuhn, Ente oder Taube», erklärt er. Seiner Küche aber ist der humorvolle Zürcher treu geblieben, die Nouvelle Cuisine und die französische Klassik sind Witschis Basis: «Ein guter Fond oder eine intensive Essenz sowie der ideale Garpunkt ist der Kern eines guten Gerichts», sagt er.

 

Soufflierter Zander. Noch bis zum 31. Juli 2019 kocht Heinz Witschi in Unterengstringen – Gerichte, die aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen, aber ziemlich sicher grandios schmecken wie der soufflierte Zander, einer von Witschis Klassikern: «Dafür mache ich aus den Abschnitten eine Farce mit Doppelrahm, Kräutern, Eiweiss und Périgord-Trüffel. Sie wird auf dem Fisch aufgetragen, dann bäckt das Ganze im Ofen. Dazu gibt es ganz fein geschnittenen Krautstiel und einen Brunnenkresseschaum auf Geflügelfondbasis», erklärt der legendäre Zürcher. «Meine Küche soll im Moment passieren und herzhaft sein», sagt er zum Schluss – der Leitspruch eines leidenschaftlichen Kochs.

 

>> Website Witschi's Restaurant