Text: David Schnapp | Fotos: Joan Minder
Tanja Grandits, die gute Stimmung in Ihrem «Stucki» ist fast mit Händen greifbar. Wie machen Sie das?
Das kann man nicht bewusst erzeugen, am Ende ist die Atmosphäre hier vermutlich Ausdruck meiner eigenen unendlichen Freude an dem, was ich mache. Dazu kommt die Energie all jener Leute, die schon sehr lange hier arbeiten. Und dann gibt uns natürlich auch das Erfolgserlebnis Auftrieb. Wir sind seit Monaten ausgebucht, mittags und abends kochen wir für je 60 Gäste, das ist grossartig. Mir geht es so gut, dass ich manchmal mein eigenes Glück kaum fassen kann.
Wie wichtig ist es, eine gute Stimmung im Restaurant zu haben?
Das nimmt an Wichtigkeit zu. Mir scheint, die Atmosphäre im Haus ist fröhlicher und besser denn je. Und jeder spürt diese Magie. Am Ende eines Menüs haben wir jedem Gast ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.
Und welche Reaktionen zeigen die Gäste sonst noch?
Der Zuspruch ist enorm, diese Sehnsucht, sich nach den Lockdowns und einer für viele mühsamen Zeit etwas zu gönnen, ist immer noch gross. Ich erhalte auch nach über einem Jahr immer noch sehr viele Reaktionen auf mein vegetarisches Kochbuch. Das löst Emotionen aus, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Es gibt Gäste, die mir erzählen, dieses Buch hätte tatsächlich ihr Leben verändert.
Sie haben nie besonders Wert gelegt auf die Tatsache, dass sie als Frau erfolgreich sind. Warum eigentlich?
Ich habe die Rolle als Vorbild für andere Frauen nie gesucht, musste aber feststellen, dass ich sie einfach habe. Wir hatten schon Momente, wo 90 Prozent weibliche Gäste im Restaurant sassen, viele Köchinnen essen bei uns, und mittlerweile kann ich auch meine Rolle als Vorbild annehmen. Das ist vielleicht auch eine Frage von Alter und Erfahrung: Wenn man jung ist, kann man kaum ein gutes Vorbild sein.
Und, wie machen Sie sich als Vorbild?
Je länger ich arbeite, desto mehr merke ich, dass Frauen Beispiele wie mich brauchen. Ich habe mich in meiner Karriere nie benachteiligt oder diskriminiert gefühlt, und ich hatte immer die Stärke, das zu machen, was ich will. Aber mir wurde klar, dass das nicht für alle so ist. Natürlich habe ich gesehen, dass es Ungerechtigkeit und Benachteiligung gibt. Was ich allerdings nicht mag, ist Jammern über die Umstände. Das ist überhaupt nicht konstruktiv.
Sie strahlen Zufriedenheit aus, aber wie würden Sie die Formel für Ihren Erfolg definieren?
Das Wichtigste in meinem Leben ist die Leichtigkeit. Manchmal überlege ich, ob es Zeit ist, allmählich kürzerzutreten. Aber ich sehe kein Ende. Ich arbeite sehr viel, Gastronomie ist aufwendig und intensiv. Dabei geht es aber eigentlich nicht um Zeit- sondern um Energie-management: Um gute Energie zu haben, braucht es Klarheit über das, was man macht. Es braucht Neugierde – ich kann mich immer wieder für Neues begeistern. Das ist das Gegenteil einer festgefahrenen Meinung, die man über Jahre nicht ändert. Offenheit macht einen zufrieden. Und dann braucht man die richtigen Mitstreiter um einen herum, das ist die wichtigste Energiequelle überhaupt.
Wie führen Sie?
Ich bin viel lockerer geworden und habe mittlerweile die Sicherheit, dass das, was ich mache, funktioniert. Deshalb bin ich heute auch so gelassen, dass ich nicht mehr alles bestimmen muss.
Aber Sie müssen ja dennoch die Richtung vorgeben?
Ja, das mache ich auch. Wir haben zwar eine gute Atmosphäre im Team, aber das «Stucki» ist keine Kommune, wo jeder nach dem Lustprinzip macht, was er will. Ich führe mit Aufmerksamkeit und guter Stimmung. Das ist nicht einmal ein bewusster Prozess, ich gehe einfach voran und zeige, dass wir auch schwierige Situationen meistern können.
Woher holen Sie diese positive Energie?
Die kommt tatsächlich aus mir heraus. Ich habe ein Urvertrauen in meine eigene Stärke, das hatte ich schon immer. Meine Eltern haben zum Glück nie infrage gestellt, was ich mache. Das ist wohl eine gute Grundlage für meine Sicherheit.
In einem grossen Team und einem anspruchsvollen Gewerbe wie der Gastronomie ist nicht immer alles schön und gut. Wie bewältigen Sie Krisen?
Natürlich ist nicht alles eitel Sonnenschein. Aber viele Probleme lösen sich oft, wenn man sich um die kleinen Dinge kümmert. Ich kann die Situation um mich herum zum Besseren ändern, aber nicht alle Sorgen der Welt lindern. Sich immer zu sorgen, ist sowieso reine Energieverschwendung. Es kann immer etwas passieren. Aber ich finde mein Glück und meine Zufriedenheit lieber im Moment als in dem Gedanken an etwas, was nicht real ist.