Interview: Urs Heller Fotos: Marcus Gyger, Olivia Pulver, Anysia Pillet, HO
Marcel Reist, auf den Karten der «Bernerhof»-Restaurants entdecke ich nur Gerichte mit Schweizer Fleisch.
«Früher haben wir in den grossem Hotels US-Beef und Lamm aus Neuseeland eingekauft. Ich habe dann mal versucht, ganz auf Schweizer Fleisch zu setzen, aber da war die Qualität gerade etwa beim Entrecôte noch nicht so gut; ich hatte nur «Lämpe». Jetzt kriege ich Schweizer Fleisch in Top-Qualität, und seit vier Jahren verwenden wir im «Bernerhof» nichts anderes mehr.»
Sie arbeiten im Saanenland, sind also an der Quelle.
«Richtig. Ich kaufe bei drei Bauern aus der Region ganze und halbe Rinder ein. Was fehlt, bestelle ich bei der «Buure Metzg» in Gstaad; Robert Bratschi beschafft sein Fleisch wenn immer möglich im Saanenland und im Emmental.»
Wer ganze Rinder einkauft, setzt nicht nur das Filet auf die Karte.
«Mir macht es Spass, alles zu verwenden. Gerade in unserem Restaurant La Gare haben wir sehr viel Erfolg mit Klassikern wie Siedfleisch, Ragout und Geschnetzeltem. Und natürlich mit dem «Bernerhof Burger». Da ist alles hausgemacht, auch das Brot und das Ketchup. Dass wir einheimische Tiere verwerten, gefällt unseren Gästen. Sie wollen heutzutage wissen, wo wir unsere Produkte beziehen.»
Der «Bernerhof» ist berühmt für seine Würste. Wo kaufen Sie Ihre Schweine ein?
«Bei Bauern im Turbach bei Gstaad und in Bulle. Im August kaufen wir immer ein paar Alpsäue aus der Gegend. Ich habe riesig Spass daran, hausgemachte Würste und feinen «Hamme» herzustellen. Schweizer Schweinefleisch wird immer besser. Wer aus früheren Jahren ein Vorurteil hat, sollte es wieder mal versuchen. Gut abgehangen schmeckt Schweinefleisch hervorragend. Auch das Kalbfleisch fürs Wienerschnitzel und Cordon bleu beziehen wir aus dem Saanenland und aus dem Emmental.»
Wir haben im «La Gare» die «Kayserbratwurst» probiert. Hervorragend!
In einer internationalen Destination wie Gstaad gibt es viele Gäste, die aus religiösen Gründen kein Schweinfleisch essen. Für sie lassen wir in der «Buure Metzg» die Kayserbratwurst herstellen, nach einem Rezept von André Jaeger: 100 Prozent Kalbfleisch, ohne Nitrate, Pökelsalz und Konservierungsmittel. Herr Jaeger, ein Freund des «Bernerhofs», hat uns auch das Rezept für den Wasabi-Senf verraten; normalen Senf finde ich etwas langweilig.
Sie haben viel Erfolg und auch einen GaultMillau-Eintrag mit Ihrem chinesischen Restaurant «Blun-Chi». Hand aufs Herz: wo kaufen Sie die Poulets für China-Köche ein?
«Ausschliesslich in der Schweiz! Die Firma Bianchi ist unser Lieferant, meine chinesischen Kollegen sind von der Qualität begeistert. Mit ihrem crispy Pouletbrüstchen mit Limonensauce oder mit «Chicken sweet & sour» haben sie grossen Erfolg. Nur die für die China-Küche geeigneten Enten haben wir in der Schweiz noch nicht gefunden. Die kaufen wir in Deutschland ein.»
Im Sommer gibt es im «Bernerhof» ein neues Restaurant: «Esprit Ravet», in Zusammenarbeit mit dem berühmten 19-Punkte-Restaurant in Vufflens-le-Château.
«Ich freue mich drauf. Auch die Ravets sind immer auf der Suche nach den besten Produkten. Ich verlasse mich drauf, dass Guy den besten «Papet vaudois» nach Gstaad bringt.»
Fleisch aus der Region, Gemüse aus der Region?
«Wir haben Glück, mit Daniel von Siebenthal einen hervorragenden Gemüsebauer im Dorf zu haben. Wir telefonieren täglich miteinander, und ich kaufe alles ein, was hier wächst. Am liebsten hätte ich bei ihm ein eigenes Feld!»
Eigene Kartoffeln haben Sie schon.
«Wir eröffnen im Sommer einen Schwesterbetrieb in Abländschen. Bereits letztes Jahr haben wir unsere eigenen Kartoffeln angepflanzt und die ersten drei Tonnen geerntet. Wir haben zwei verschiedene Sorten, Annabelle und Désirée; seither muss ich für Raclette, Gratin und Pommes Frites keine Kartoffeln mehr einkaufen.»
>> Marcel Reist (grosses Bild oben, mit Sous-Chef Tomo Kentera, links) hat in Fünfsterne-Häusern wie Palace Gstaad, Bellevue Gstaad und Widder Zürich gearbeitet. Seit vier Jahren führt er die zwölfköpfige Brigade im Wander- und Gourmethotel «Bernerhof»; «Blun-Chi» und «La Gare» punkten im GaultMillau (je 13).