Interview: David Schnapp
Remo Stoffel, warum sind Sie als Investor und Unternehmer überhaupt Hotelier geworden?
Meister Zufall hat mir geholfen: Ich hatte in der Zeitung gelesen, dass es in Vals einen Konflikt gibt zwischen der Gemeinde und dem Verwaltungsrat der Therme. Man war auf der Suche nach einem Investor, und ich habe mich gemeldet. So hat alles angefangen.
Und woher kommt Ihr ausgeprägtes Interesse für kulinarische Themen?
Ich habe immer schon gerne gegessen. Ein prägendes Erlebnis war dann der famose Lunch im Hotel Cala di Volpe in Sardinien. Es ist nicht das schönste Haus der Welt, aber der Service war unglaublich gut und das Essen einfach – nach dem Motto «das Beste, was es gibt»: die beste Wassermelone, die beste Sardine, die besten Oliven, der beste Thunfisch. Das hat mich sehr beeindruckt. Wenn man die besten Produkte hat, kann man die dem Gast auch zeigen und muss gar nicht viel damit machen.
Sie haben den Ruf eines Besitzers, der sich einmischt und auch in Küchenangelegenheiten klare Vorgaben macht. Was ist Ihr Ziel?
Einmischen ist ein unzutreffendes Attribut. Darunter verstehe ich eher, dass man alles durcheinanderbringt und überall mitredet. Was ich beobachte, ist, dass viele Leute in der Gastronomie die klassische Gastgeber- und Küchenkultur, wie ich sie verstehe, gar nicht mehr kennen. Man kann sie heutzutage auch nirgends mehr lernen. Hier sehe ich mich für unsere Leute eher als Wegweiser, der den Pfad durch den Dschungel weist.
Was heisst das konkret?
Als ich 2014 in Vals eingestiegen bin, war das Halbpensionsmenü der ganze Stolz des Hauses. Alle haben mir gesagt, wenn ich das ändere, würden Gäste und Mitarbeiter gehen und nicht zurückkommen. Aber ich habe es geändert und im «7132 RED» à la Carte statt Menü eingeführt – mit Klassikern der gehobenen Brasserie-Kultur. Mein Küchenchef damals wusste aber nicht, wie man ein Stroganoff zubereitet. Da hat uns Jacky Donatz geholfen und Nachhilfestunden gegeben.
Das Stroganoff steht heute noch auf der Karte und wird vor dem Gast am Tisch zubereitet…
Das war der Anfang unseres heutigen Konzepts: Wir konzentrieren uns auf zwei Stücke Fleisch. Das Filet vom Rind und den Rücken vom Kalb. Aus dem Filet machen wir Robespierre, Tournedos, Stroganoff, Tatar. Aus dem Rücken vom Kalb machen wir Paillard de Veau, Wiener Schnitzel und Geschnetzeltes. Die Karte beruht also auf diesen zwei Stücken, dazu gibt es Wolfsbarsch, bretonischer Hummer und schottischer Lachs, den wir konsequent im Ganzen einkaufen. Das ist vielleicht etwas teurer pro Kilo, aber am Ende einfacher für die Küche. Nachdem die Basis gelegt war, ging es um den Service. Wir haben die Zubereitung am Tisch eingeführt, um die Opulenz der Küche sichtbar zu machen.
Mittlerweile ist Vals auch eine Gourmet-Destination, Sven Wasser und Mitja Birlo wurden hier schweizweit bekannt, der junge Niederländer Marcel Koolen hat dieses Jahr übernommen. Wie wurden Sie zum Talentförderer?
Als ich eingestiegen bin, gab es einen grossen Speisesaal, aber ich wollte zusätzlich ein Gourmetrestaurant. Ein entscheidendes Kriterium in einem Hotel ist für mich, ob es ein gutes Restaurant hat. Das haben wir gebaut und eingerichtet, aber einen Koch hatte ich nicht. Also haben wir die Stelle ausgeschrieben: Sven Wassmer und Amanda Bulgin haben sich gemeldet. Das erste Gericht war Entenherz unter einer Milchhaut. Der Aufschrei im Team war gross. Aber ich halte mich an den Spruch von Apple-Gründer Steve Jobs: «Never ask the client or you will end in the middle of the road.» Ich wollte jungen Köchen eine Spielwiese bieten.
Wie sollen sich die beiden Restaurants im Haus unterscheiden?
Das eine ist gutbürgerlich-klassisch, das andere innovativ-hochstehend.
Und wie erreicht man kulinarische Innovation?
Die meisten schauen darauf, wie gross der Waren- und Personaleinsatz ist. Als Hotelier sehe ich die Restaurants aber nicht als Profitcenter, sondern als Unterhaltung für den Gast. Das ist wie der Pianospieler in der Bar, der für eine gute Stimmung sorgt.
Mit Marcel Koolen steht zum dritten mal ein junger Koch neu in der Verantwortung im «7132 Silver». Wie beurteilen Sie nach den ersten Wochen seine Küche?
Wir starten wieder neu, und das braucht Zeit Ein Koch soll im 7132 Silver mit Leidenschaft kochen. Das spürt der Gast, das Resultat ist authentisch und alles Weitere folgt als Konsequenz.
Wieviel Zeit geben Sie Marcel Koolen?
Das ist die falsche Frage. Die richtige ist vielmehr, ob sich ein Koch einen langfristigen Aufenthalt in Vals vorstellen kann. Wir sind der FC Silver, wer nicht mehr hier spielen will, soll gehen. Mit allen anderen spielen wir weiter – mit Freude und Spass. Unsere Ambition ist, eines Tages auf dem höchsten Niveau anzukommen. Dafür braucht es die Bereitschaft, sich über lange Zeit im Team Silver zu engagieren.
Wie haben Sie selbst essen gelernt?
Es ist reine Intuition, ich habe sehr viele gute Restaurants besucht, mit Köchen gesprochen und immer gefragt, wie etwas gemacht wird, was mich bei diesem Besuch beeindruckt hat. Die Lehre daraus ist: Am Ende geht es immer um die Grundlagen. Wenn einer etwas kann und mit Leidenschaft umsetzt, dann spürt man das.
Und das sagen Sie dann auch Ihren Leuten im 7132 Hotel?
Ich sehe mich als Spiegel der Küche. Ich sage nicht einfach «das ist ganz toll, was Sie machen». Mir scheint es mit dem Essen relativ einfach zu sein: Entweder schmeckt es oder nicht, es ist versalzen oder nicht. Da nützt alle Theorie nichts.
Wein ist ein weiteres teures Hobby, das Sie pflegen. Haben Sie beim Sammeln und Trinken ähnliche Kriterien wie in Küchenfragen?
Ich bin überzeugt, dass ich als Besitzer die Verantwortung für den Weinkeller übernehmen muss. Sommeliers wechseln im Abstand von etwa drei Jahren. Der eine mag deutsche Rieslinge, der andere die Bündner Herrschaft. Daraus ergibt sich keine Kontinuität. Wein braucht Geduld, wir reden von Zeiträumen, die sich über zehn, zwanzig Jahre und mehr erstrecken.
Langfristigkeit ist so etwas wie Ihr Leitmotiv?
Kontinuität und Identität sind wichtig für mich. Der Gast soll wissen, bei uns gibt es Bordeaux, und das ändert sich auch nicht. Wir haben ein Lebendbecken für Hummer im Keller, wir haben eine eigene Bäckerei. Das sind alles bewusste Entscheidungen für die Qualität. Die Versuchung ist immer gross, zu vereinfachen, abzukürzen und beispielsweise Fertigprodukte einzukaufen. Die Gewürz-Nüsse zum Beispiel, die der Gast auf dem Zimmer findet, kann man fixfertig beziehen. Das kann je nach Produkt auch sinnvoll sein. Aber wenn «7132» darauf steht, dann will ich keinen Etikettenschwindel, dann müssen die Nüsse wirklich selbst zubereitet sein.