Text: Kathia Baltisberger Fotos: Olivia Pulver
Funk von Funke. Der Pâtissier steht oft ein bisschen im Schatten des Küchenchefs. Verantwortlich für einen ganz eigenständige Produktionsbereich sorgt er jedoch für den krönenden Abschluss eines Menüs. Das muss perfekt sein. Im «Gasthaus zur Fernsicht» in Heiden AR ist Kay Baumgardt der Süsse im Team. Tobias Funke holte ihn vor drei Jahren in die Fernsicht. «Wir haben schon im Obstgarten in Freienbach zusammengearbeitet», erzählt Baumgardt. Der 37-Jährige ist aber nicht von Anfang an mit Funke in der Fernsicht, sondern legt einen Zwischenstopp in seiner Heimat Deutschland ein. «Dann rief mich Tobias an und sagte mir, er brauche mich.»
Kay Baumgardt gehört zu den besten Pâtissiers im Land und kommt an die GaultMillau Garden Party.
Friandises: Rhabarber & weisse Schokolade, Ganache aus Rosmarinasche und Zitronenverveine.
Ein kluger Schachzug: Baumgardts Kreationen sind eigenständig, innovativ und ziemlich gut. So drapiert er auf einem Pinienkernen-Financier eine falsche Erdbeere und einen falschen Stein. An letzterem beisst man sich aber nicht die Zähne aus: Der Stein ist gefüllt mit einer Creme aus Rucolapesto und angesprüht mit weisser Schokolade und Kakaobutterfarbe. Darüber streut Baumgardt noch etwas Rucolapulver und serviert noch ein Erdbeer-Rucola-Sorbet. «Das gibt dem ganzen etwas Erdiges, aber ohne zu dominant zu sein.» Als Vorreiter der «Gemüse-Pâtissiers» sieht sich Baumgardt nicht, auch wenn er schon länger mit herben Geschmäckern arbeitet. «Ich habe gerne ein Dessert, das vielleicht nicht ganz typisch ist. Beim anderen steht dann die Frucht im Zentrum.»
Gestocktes Schafsjoghurt mit Rhabarbersorbet und Zitronenverveine-Kugel.
Vom Bäcker zum Pâtissier. Gelernt hat Baumgardt das Handwerk in einer Bäckerei, in der es auch eine kleine Konditorei gab. «Ich durfte auch als Bäcker dort mitmachen und habe schnell gemerkt, dass mir das Spass macht. Das genaue Arbeiten, das Abwiegen. Aber auch das Garnieren.» Nach der Bäckerlehre absolviert Baumgardt eine Zusatzlehre als Confiseur bei Stefan Romang in Gstaad. «Dort kam ich auch in Kontakt mit der Spitzengastronomie, in Gstaad gibt es ja viele gute Restaurants. Und da wusste ich: Diesen Weg möchte ich auch gehen, ich möchte auch verrückt sein auf dem Teller.» Kay Baumgardt geht auf die MS Deutschland, arbeitet in Portugal, Italien, England und Irland. Heute ist er im beschaulichen Heiden angekommen – und gehört eindeutig zu den besten seines Fachs.
Falscher Stein und falsche Erdbeere mit Rucola-Pulver.
#fuckingperfect - das Motto im «Gasthaus zur Fernsicht».
Zuckerfrei. Seit ein paar Jahren hat Kay Baumgardt nun dem Zucker abgeschworen. Zumindest dem Kristallzucker. Das bedeutet aber nicht, dass seine Desserts nicht mehr süss sind. Natürlich kann man mit alternativen Süssungsmitteln arbeiten. Honig oder Kokosblütenzucker. Der Profi verwendet auch Inulin oder Trehalose. «Es muss natürlich geschmacklich passen. Honig passt nicht immer. Und man kann auch nicht einfach in Rezepten den Kristallzucker mit einem anderen Süssmittel ersetzen. Ich musste mich schon hineinarbeiten und ein bisschen tüfteln», sagt Baumgardt. Am Ende müsse man auch immer wissen, welche Funktion der Zucker hat: Bringt er nur Süsse? Dann kann man auch etwas anderes verwenden. Oder hat der Zucker auch einen Einfluss auf die Konsistenz wie zum Beispiel bei Macarons? Dann sei die Angelegenheit schon wieder etwas schwieriger.
Flüssige Erdbeere. Häufig arbeitet Baumgardt aber auch einfach mit dem Fruchtzucker, der schon in den Früchten ist, die er verwendet. So wartet er zum Beispiel, bis die Erdbeeren perfekt reif sind, legt sie in Salzwasser ein, lässt sie gefrieren und wieder auftauen und presst sie dann kalt. Das gibt einen perfekten Sud, wie eine flüssige Erdbeere. An Süsse reicht das vollkommen.
>> Süsses Glück für alle, die ein Ticket für die GaultMillau Garden Party 2019 haben: Kay Baumgardt sorgt am 18. August für die Desserts im Grand Resort Bad Ragaz.
