Text: Urs Heller | Fotos: Marcus Gyger
Fritsche für Skibba. Kaltstart! Timo Fritsche hatte nur wenige Tage Zeit, um mit einer neu zusammengestellten Brigade das Restaurant «Igniv» in St. Moritz hochzufahren. Dem besonderen Reiz des «Badrutt’s Palace» erlag er schnell: «Ein wunderbarer Arbeitsplatz.» Der Start ist geglückt: Timos Crew erreichte noch vor Weihnachten die angestrebte Flughöhe; das «Igniv» ist auch diesen Winter ein Juwel im riesigen Angebot des noblen Hotels. Fritsche, im Sommer Chef im Vegi-Restaurant «Oz» in Fürstenau GR, ersetzt Marcel Skibba, der in leitender Position ins Schloss Schauenstein zurückgekehrt ist.
Szechuanpfeffer aus dem eigenen Garten. Stammgäste wissen: Zwischen dem Überraschungs-Ei bei den Häppchen (diesmal mit Sauerkraut, Kartoffelschaum und Speck) und dem Überraschungs-Ei zum Dessert (Schoko, Haselnuss, Dulce de leche) jagen sich im Sharing-Menü die Highlights. Erfreulicherweise gab’s auch ein Wiedersehen mit ein paar Klassikern im «Igniv»-Repertoire: Die wunderbaren und ziemlich verblüffenden Nuggets wurden serviert, aber auch zwei Lieblingsgemüse von Patron Caminada. Die Rande hatte zusammen mit einem zartschmelzenden Entenleber-Törtchen einen verblüffenden Auftritt, der Kopfsalat kriegte ein «Timo-Tuning»: Der Chef entschied sich für Kimchi, Harissa und Chili und sorgte für eine natürliche Säure. Noch eindrücklicher war das «Timo-Tuning» bei den Gyoza: Szechuanpfeffer, selbst gepflückt im Fürstenauer Schlossgarten, spielte die Hauptrolle. Die Nebentrollen: Schweinenacken im Teig, Hoisin in der Sauce.
Selfservice mit der grossen Kelle. «Dreigänger» ist der trügerische Begriff für das «Igniv»-Menü: 14 Plättli werden elegant serviert. Aber da sind noch ein paar «specials» im Angebot, die man sich besser nicht entgehen lässt. Beim schneeweissen Suppentopf mitten auf dem Tisch langten wir mit der grossen Kelle gleich zweimal hin: Eine unglaublich intensive Wildconsommé mit Karotten, Sellerie und schwarzem Trüffel, vor allem aber mit Reh in den kleinen, feinen Ravioli. Grosses Kino! Auch der zweite Ravioli-Special kann sich sehen lassen: Eine ganze Langustine steckt drin, dazu gibt es eine herrlich ausbalancierte Krustentier-Bisque.
Bittersalate & Ezme. Hauptgänge? Wir zelebrieren das «Jahr der Ente»: Entenbrust, dünn aufgeschnitten, mit Bittersalaten, die nicht nur cool aussehen, sondern auch geschmacklich gut kontrastieren. Zum Short Rib gibt’s Ezme. Ezme? Richtig, das ist eine türkische Marinade, die man am ehesten vom letzten Döner her kennt. Die Brigade, die vor den Augen der staunenden Gäste hinter Glas kocht, widmet sich auch den unscheinbaren Gerichten sehr konzentriert: Die Bramata etwa, zubereitet nach einem Caminada-Ur-Rezept, war grossartig; den Käse dafür hat Andreas’ Vater in Valendas beschafft. Challenge bei den vielen wunderschönen Desserts: Soufflé für alle. Keine Sorge: Das Quarksoufflé ging zuverlässig auf im Ofen.
Donatsch-Pinot aus der Sechsliter-Flasche. Das Sharing-Konzept ist eine Challenge für alle. Für die Köche, die ein riesiges Pensum in hoher Qualität und in nützlicher Frist erfüllen müssen. Und für den Service, der Dutzende von Tellerchen und Plättchen zum Tisch jonglieren muss. No problem für Gastgeber Giuseppe Lo Vasco und für Anne Tessmann, den heimlichen Star im Serviceteam. Giuseppe entkorkte vorwiegend Bündner Weine: Christian Hermann (Chardonnay), von Tscharner (Completer!), Gantenbein (Riesling) – und zur Ente einen Pinot Noir von Martin Donatsch aus der beeindruckenden Imperiale-Flasche (sechs Liter!).