Fotos: Lukas Lienhard
Harmonie pur. Ein perfektes «Wine Pairing»? Davon sprechen Geniesser in der Regel, wenn der Tropfen im Glas und das Essen auf dem Teller ausgesprochen gut miteinander harmonieren. Man könnte von einem perfekten «Wine Pairing» auch dann sprechen, wenn ein Winzer und ein Restaurant optimal zusammenpassen: Das ist der Fall beim Zürcher Bio-Winzer Jonas Ettlin und dem Team vom Restaurant Igniv, also Gastgeberin Ines Triebenbacher und Küchenchef Daniel Zeindlhofer. Grosses Bild oben: Jonas Ettlin, Daniel Zeindlhofer, Ines Triebenbacher.
Gesucht: gelungene Paarungen. An diesem Dienstagmorgen betritt Jonas Ettlin, keck mit Schiebermütze, das Restaurant. Er hat einige seiner aktuellen Weine mitgebracht, die er seit nunmehr zwei Jahren in Uetikon am Zürichsee unter dem Label «JET» keltert. Die Idee des Treffens? Zu sehen, welche Tropfen am besten mit den derzeitigen «Igniv»-Gerichten funktionieren. Schnell bemerkt man, wie befeuert und beflügelt die Zusammenarbeit von Ettlin und GaultMillaus Gastgeberin des Jahres 2025, Ines Triebenbacher, ist: Schon beim Entkorken versinken die beiden Fachleute ins Gespräch.
Befeuert und beflügelt vom Thema Wein: Ines Triebenbacher & Jonas Ettlin.
Das passt: Wildterrine mit Apfel & Laugen-Brioche. Im Glas Räuschling.
Warten auf den Schaumwein. Sie unterhalten sich über die kalkhaltigen Böden, auf denen die Weine wachsen. Über die Beschaffenheit der Korkzapfen. Über die Umstellung aufs Demeter-Label, die derzeit auf dem Weingut ansteht. Und nicht zuletzt über den Schaumwein, der bald die Weinpalette von «JET» ergänzen soll. Ines Triebenbacher kann dessen Lancierung kaum erwarten. «Es kommt gut, er hat sich schön entwickelt», sagt Jonas Ettlin, «du musst halt wieder mal vorbeikommen und probieren.» Dann wirft der Winzer einen Blick in die Küche, wo Daniel Zeindlhofer die drei Gerichte fürs Wine and Dine im kleinen Kreise vorbereitet.
Am Anfang war das Wasser. Die Szenerie wirkt familiär, man kennt sich schon seit 2019. Kurz vor der Eröffnung des «Igniv» ging Ines Triebenbacher ans Swiss Wine Tasting im Zürcher Schiffbau, um sich einen Überblick über die lokale Weinszene zu machen. «Alle Winzer wussten, dass das ‹Igniv› das nächste grosse Ding in Zürich sein würde – sie haben Ines fast gejagt», erinnert sich Jonas Ettlin. Er habe ihr erst mal ein Glas Wasser angeboten, um ihr einen Moment der Ruhe zu gönnen. «Und dann hat er mir viel über den Weinbau rund um den Zürichsee erklärt», fährt Ines mit der Story fort. «Dank ihm weiss ich, dass es an der Goldküste zu Goethes Zeiten über 2000 Hektar Rebfläche gab.»
Fleissiger Kerl, der seine Weine sogar in Skandinavien verkauft: Jonas Ettlin.
Passt zu Sauvignon Blanc: Alpenzander mit Joghurt & Zitrone.
Der Grill brennt in der Igniv-Küche eigentlich immer, nicht nur für Spare Ribs.
Mexiko am Zürichsee! Aus der Begegnung entstand ein reger beruflicher Austausch, aber auch eine Freundschaft. Als Daniel Zeindlhofer und Ines Triebenbacher letztes Jahr im Restaurant Mammertsberg ihre Hochzeit feierten, beauftragten sie Jonas Ettlin, im Garten einen Stand mit all seinen Weinen aufzubauen. Und der letzte Betriebsausflug des «Igniv»-Teams? Der ging selbstredend nach Uetikon zu «JET». Nancy Ettlin, die Frau von Jonas, ist Mexikanerin – sie bewirtete ein gutes Dutzend Leute mitten in den Rebbergen. «Über dem Tisch hingen bunte Fahnen, es gab selbstgemachte Tortillas, Salsas und kühlen Wein bei perfekt blauem Himmel!» Braucht man angesichts dieser engen Beziehung zwischen Winzer und Gastronomen noch zu erwähnen, dass im «Igniv» alle Weine von «JET» erhältlich sind? «An der Bar gibt es den Prestige-Pinot und den Rosé sogar glasweise!»
Wildterrine mit Räuschling. Das erste Gericht an diesem Mittag? Eine Terrine aus Entenbrust, Rehfleisch und Hühnerleber mit Apfel und Laugen-Brioche. Die Zubereitung kommt geschmacklich einer Foie gras verblüffend nahe. Der Wein dazu? Der Räuschling «Vivace» aus teilweise 70-jährigen Rebstöcken, der im Holz ausgebaut und wie alle von Ettlins Weinen spontan vergoren wurde. Bemerkenswerterweise wird es an der sonst gesprächigen Tafel für einen Moment lang still – bis sich Ines Triebenbacher zu Wort meldet: «Das ist super zusammen!» Daniel Zeindlhofer nickt. Und Jonas Ettlin findet: «Ein schönes Wechselspiel!»
Mag Schaumweine – und wartet auf denjenigen von Ettlin: Ines Triebenbacher.
Seine liebste Rotweinsorte ist Pinot Noir: Daniel Zeindlhofer.
War zuvor in der Tourismusbranche tätig: Jonas Ettlin.
Voll des gegenseitigen Lobes. Die «Igniv»-Crew und der Zürichseewinzer sind voll des gegenseitigen Lobs. Ettlin sei einer ihrer Lieblingswinzer, geben Ines Triebenbacher und Daniel Zeindlhofer einhellig zu Protokoll. Er sei ein fleissiger Kerl, sogar in Skandinavien würden seine Weine in den Top-Restaurants ausgeschenkt. Ettlin kontert da kokett: «Aber gäll, ich bin der Weinbauer, der am häufigsten hier ist!» Und fährt fort, dass es seiner Meinung nach, Fachleute wie Ines Triebenbacher ganz dringend brauche, die am Tisch seine Weine auch erklären könnten. «Ambiente und die richtigen Gläser sind auch nicht unwichtig!» Und Ettlin betont, dass das Restaurant im Zürcher Niederdorf bei jedem seiner Besuche noch besser werde: «Sogar meine neunjährige Tochter will ständig hierhin!» Die bloss 3 Hektar Rebland in Uetikon bewirtschaftet Ettlin übrigens nicht alleine: Er wird dabei unterstützt von Brian Serr, ebenfalls Önologe. «Wir haben in unserem Betrieb eigentlich mehr Knowhow als Fläche!»
Zander mit Sauvignon Blanc. Das zweite Gericht – ein Alpenzander mit Fenchel, Joghurt, Estragon und Zitrone – kombiniert die muntere Degustationsrunde erst mit einem Chardonnay. «Geht gar nicht», äussert sich Jonas Ettlin nach wenigen Augenblicken. Und so wechselt man zum Sauvignon Blanc, der deutlich überzeugender mit dem Fischgericht zu harmonieren scheint. Auch wenn Daniel Zeindlhofer zu bedenken gibt: «Für den Gast ist auch das noch ziemlich fordernd.» Er spricht wohl auf die Grapefruit- und Yuzu-Noten im sehr lebendigen, aber zugleich eleganten Wein an, die mit den zitrischen Aromen im Essen konkurrieren.
Ettlin ist Quereinsteiger. Ja, Jonas Ettlins Weine zeugen sowohl von Eleganz als auch von Lebendigkeit – oft Gegensätze, die hier aber nebeneinander Platz haben. Umso bemerkenswerter, dass der Bio-Winzer sein Handwerk als Quereinsteiger erlernt hat: Lange Jahre arbeitete er in der Tourismusbranche; in Russland leitete er unter anderem eine Heliski-Unternehmung und eine über 20000 Hektar grosse Jagd-Farm. «Erst mit 30 besuchte ich die Fachhochschule in Changins.» Danach kelterte er eine Zeitlang die Abfüllungen von «Schipf», ebenfalls am Zürichsee. Und produzierte erste eigene Weine, damals noch ohne eigene Reben.
Hauptgang: Spare Ribs mit pikantem Kimchi, Kürbis und fermentiertem Buchweizen.
Zeindlhofer ist Pinot-Fan. Schliesslich macht sich die Runde ans dritte Gericht: gegrillte Spare Ribs mit pikantem Kimchi, Kürbis und fermentiertem, knusprigen Buchweizen. Der Pinot Noir «Prestige 2018» ist der Wein der Wahl: «Bei mir kommt, wenn es Roter sein soll, ja eh kaum eine andere Sorte ins Glas», verrät Zeindlhofer. Auch wenn alle drei interessehalber noch prüfen, ob vielleicht einer der zuvor eingeschenkten Weissweine funktioniert, werden sie sich schnell einig, dass der muntere Pinot und die rauchigen BBQ-Rippchen die schönste Kombi sind.
Wine and Dine ist nicht gleich Wine and Dine. Weniger Einigkeit, so merkt die Runde plötzlich mit schelmischem Vergnügen, herrscht bezüglich der Verkostung von Wein und Essen: Während Küchenchef Daniel Zeindlhofer jeweils erst einen Bissen isst und sich erst dann dem Wein widmet («idealerweise klingt das Essen am Gaumen noch nach»), nehmen Ines Triebenbacher und Jonas Ettlin immer beides zusammen in den Mund: «Auch wenn das Weinglas so unschöne Flecken bekommt.» Nun gut, auch die grösste Harmonie hat irgendwo ihre Grenzen.
>> Serie: Schweizer Top-Winzer und ihre Lieblingsköche. Profis am Tisch, beim Schlemmen und beim Fachsimpeln. Fortsetzung folgt.