Fotos: Olivia Pulver
Unmissverständlich. Nadine Wächter-Moreno muss zwar ab und zu noch nach dem richtigen Mundartwort suchen, aber in dem, was sie sagt, ist sie unmissverständlich. «Klarheit ist mir wichtig» – so wird sie im Laufe des Tages ihren Führungsstil auf den Punkt bringen. Die 46-jährige Luzernerin ist seit einem halben Jahr Executive Chef im Grand Resort Bad Ragaz, davor hat sie 17 Jahre lang in Asien, Nord- und Südamerika gelebt und gearbeitet. Damit hat die gelegentliche Suche nach dem passenden verbalen Ausdruck zu tun – und mit der sprachlichen Situation zu Hause. Ehemann Jonathan Moreno ist Mexikaner, mit der gemeinsamen elfjährigen Tochter spricht er Spanisch. «Ich rede Mundart mit ihr, sie antwortet in Englisch. Für Aussenstehende muss das merkwürdig anmuten», sagt Nadine Wächter-Moreno.
Der Mann bleibt zu Hause. Während ihr Mann zu Hause bleibt und mittags da ist, wenn Lucia von der Schule kommt, führt Nadine Wächter-Moreno 70 Menschen in den Küchen des Grand Resort in Bad Ragaz. Sie ist verantwortlich für das Tagesrestaurant Olive d’Or, das asiatische Restaurant Namun, die gutschweizerische «Zollstube», für Bankette und den Room Service, für den Sushi-Stand auf dem Weg zum Thermalbad und in Teilen auch für Sebastian Titz, der das 15-Punkte-Restaurant Verve by Sven leitet. Die Rückkehr in die Schweiz sei für die Familie eine riesige Umstellung gewesen, sagt die Köchin. «Mir war es wichtig, dass jemand für unsere Tochter da ist. So haben wir den Deal gemacht, dass ich mich beruflich ausleben darf», erklärt Nadine Wächter-Moreno ihr Lebens- und Arbeitsmodell. Nach der Geburt ihres Kindes sei sie zwar ein Jahr lang zu Hause geblieben – «ich wollte Mami sein» –, aber dann habe es sie wieder in die Hotelküche gezogen.
Erfolg in der Hotelwelt. Nadine Wächter-Moreno hat eine erstaunliche Karriere gemacht. Nach der Lehre im Hotel Schweizerhof in Luzern – wo ein gewisser Daniel Humm als Commis de Cuisine tätig war – zog es die neugierige junge Frau schon bald in die Welt hinaus. «Mein Weg war Zufall», sagt sie zwar, aber er ist dennoch von einem konsequenten Drang nach vorn geprägt. Nach einem Engagement im «Ritz-Carlton» in Florida kehrte die Köchin zurück in die Schweiz; im Zentrum Paul Klee in Bern wurde sie an der Seite von Werner Roten «Entdeckung des Jahres 2006» und machte die Talentsucher grosser Hotels auf sich aufmerksam. Nach zwei Jahren in Australien konnte Wächter-Moreno den Verantwortlichen der Hyatt-Gruppe in Hongkong ein Bewerbungsmenü vorkochen: Vichyssoise, Rindsfilet auf geschmorten Kartoffeln und Lauch sowie Financiers mit tropischem Eis. «Das hat sie offenbar überzeugt», sagt sie rückblickend und lächelt. Nach drei Jahren als Küchenchefin des «New York Grill» im «Park Hyatt» in Tokio kam die Beförderung zur Executive-Chefin des Hauses, und nach der Mutterschaftsauszeit folgten Stationen in Mexiko, Bali und –zuletzt – im «Andaz» in Singapur.
Comfort Food im «Olives d’Or». «Der Vibe in Asien hat mir immer gefallen, die Energie ist toll, alles ist während 24 Stunden möglich», sagt Nadine Wächter-Moreno über ihre Auslandsjahre. Trotzdem sei der Wunsch, nach Hause zu kehren, mit der Zeit immer grösser geworden. «Die Werte, mit denen ich aufgewachsen bin, wurden plötzlich wichtiger. Man steht zu dem, was man sagt, Verantwortungsbewusstsein und eine gewisse Selbständigkeit sind wichtig.»In Bad Ragaz hat die Luzernerin nun die Nachfolge von Renato Wüst angetreten, der nach 45 Jahren und einer beeindruckenden Lebensleistung pensioniert wurde. Sie hat den Auftrag angenommen, als Erstes das «Olive d’Or» zu erneuern, wo sie eine einfache italienische Küche etablieren will. «Es soll nicht kompliziert sein, es geht um Frische und Handwerk.» Erste Gerichte sind bereits entwickelt, und auch hier wird Klarheit angestrebt: Riesencrevetten an Knoblauchbuttersauce mit Chili und Pimentos oder Linguine mit Crevetten, Muscheln und Calamari an Weisswein-Chili-Sauce – Comfort Food, wie Nadine Wächter-Moreno ihn mag.
Klar und authentisch. Auch in der gutbürgerlichen «Zollstube» hat die neue Chefin schon Hand angelegt – und bleibt dabei ihrer Linie von Authentizität und Klarheit treu. Geschnetzeltes wird mit Kalbsfilet, Champignons und Rahm-Weisswein-Sauce ganz klassisch zubereitet und im hübschen Schmortopf serviert. «Dazu gibt es Rösti aus gekochten Kartoffeln, die über Nacht zum Trocknen kühl gestellt und dann in geklärter Butter schön knusprig gebraten werden.»
Führen auf Augenhöhe. Während sie den Besuch durch die weitläufige Infrastruktur ihres neuen Wirkungsortes führt, wirkt Nadine Wächter-Moreno konsequent freundlich und gut gelaunt, aber man hat gleichzeitig keinen Zweifel daran, dass sie genau weiss, was sie will. «Ich führe auf Augenhöhe und gebe nicht autoritär die Linie vor. Ans Ziel kommen will ich gemeinsam mit dem Team», sagt sie. Sie könne auch hart sein, bleibe dabei aber freundlich, fügt die Küchenchefin an. Ihr Auftrag: das kulinarische Angebot des Hauses zu erneuern und eine Auffrischung der Küche zu garantieren. «Ein Hotel mit internationalem Anspruch und Angebot entspricht mir; in der Bahnhofsbeiz wäre es mir zu langweilig», sagt Nadine Wächter-Moreno mit der überzeugenden Sicherheit einer kompetenten Frau,die weiss, was sie tut, und mit einer klaren Küchenregel: «Wenn es nicht authentisch ist, will ich es nicht.»