Fotos: Nik Hunger
SPARGEL-FLAMMKUCHEN ZUM CHAMPAGNER. Für den ersten Wow-Effekt sorgt im «Schlössli» in Bottighofen TG die Aussicht. Eigentlich. Beim Testlauf für die Eröffnung am 3. April herrscht draussen nämlich trübes Wetter. «Jetzt sieht es hier aus wie im Winter auf Sylt», scherzt Christian Kuchler, der das Restaurant mit der wohl schönsten Terrasse am Bodensee gepachtet hat. Die erst 27-jährige Küchenchefin Monika Huber sorgt aber ruckzuck dafür, dass sich die Gäste trotz der kalten Witterung wie im Süden fühlen. Zum Champagner-Apéro (die Hausmarke heisst Laurent-Perrier) gibts Pimientos del Padron und Flammkuchen mit grünem Spargel, Broccolini und Peperoni.
Im Bild oben: Monika Huber (l.) und Theresa Hermann, die beiden kulinarischen Taktgeberinnen der ambitionierten Bodensee-Beiz.
Ganz schön frech und ganz schön gut: Karamellisierte Silberzwiebelchen begleiten im «Schlössli» die grillierten Spargeln.
Monika Huber, zuvor Teil von Christian Kuchlers Brigade in der «Taverne zum Schäfli», führt erstmals selbst eine Küche.
Wie in Italien: Die Tortelloni sind eines der Vorzeigegerichte im «Schlössli». «Unbedingt probieren», befiehlt Pächter Kuchler.
ALLES UNTER KONTROLLE. Die Chefin, die alle nur Moni nennen, ist nicht die einzige junge Frau, die im «Schlössli» glänzt. Ums Süsse kümmert sich die frühere «Magdalena»-Patissière Theresa Hermann, eine Absolventin von Andreas Caminadas Uccelin-Programm. Moni und die ein Jahr ältere Theresa kennen sich seit 2018, waren Kolleginnen in der «Vila Joya» und bald schon Freundinnen. Jetzt wohnen sie sogar zusammen. «Als Christian mir anbot, Küchenchefin in seinem neuen Restaurant zu werden, war Theresa meine Wunschbesetzung. Sie packt als meine rechte Hand überall mit an», sagt Moni. 18-Punkte-Chef Kuchler kann sich bei der Generalprobe zurücklehnen. Er weiss: Das Power-Duo in der «Schlössli»-Küche hat alles unter Kontrolle.
Ein Prosit auf ein neues Kapitel: Christian Kuchler (l.) und Restaurantleiter Jonas Volpert, der sich auch um den exzellent bestückten «Schlössli»-Keller kümmert.
PULPO MIT ZITRUSFRÜCHTEN UND KLASSIKER À LA «SCHÄFLI». Die Speisekarte ist in die Kategorien «Frankreich», «Iberische Halbinsel» «Italien» und «Klassiker» unterteilt und bietet geradlinige, voll auf Geschmack getrimmte Gerichte. Saugut: das Duett vom Iberico-Schwein (kurz gebratenes Secreto und geschmortes Bäggli) mit Vongole und erfrischender, zitroniger Sauce. «Eine Adaption der portugiesischen Spezialität Porco à Alentejana», erklärt Moni. Die mutigste Kreation auf der Karte? Der Pulpo an schaumiger Krustentiersauce mit Orange, Pomelo, Kumquat und grünen Peperoni! Er bekommt von uns für das wunderbare Zusammenspiel von Umami, Säure und Süsse das Prädikat «Volltreffer». Die Tortelloni mit schön bissfestem Teig, Tomate, Burrata und Taggiasca-Oliven sind für die Südtiroler Küchenchefin natürlich ein Heimspiel – und Christians Favorit. «Schäfli»-Stammgäste, die sich nach Bottighofen verirren, dürfen sich auf Kuchler-Klassiker wie das unschlagbare Vitello tonnato oder Seezunge mit Beurre Blanc und Kapern freuen.
Theresa Hermann teilt mit Moni Huber die Küche und eine WG. Ihr Spezialgebiet: kreative Desserts mit zurückhaltender Süsse.
Luftige Creme im Tarteletteboden, Kaffeeglace mit Milchschaum im Tässchen: So sieht Pastel de Nata in Bottighofen aus.
«Moni und Theresa machen das grossartig»: Wolfgang und Marlies Kuchler sind beeindruckt von den beiden jungen Frauen im «Schlössli».
KARAMELLISIERTE SILBERZWIEBELN ZU DEN SPARGELN. Knackige grüne Spargeln grilliert Moni über japanischer Holzkohle und serviert sie mit einer leicht süsslichen Vinaigrette im Escabeche-Stil, einem tüchtig gesäuerten Kräutersalat und karamellisierten Silberzwiebeln. Applaus! Die grossartigen Sardinen kommen zweimal pro Woche frisch aus Portugal. Dazu gibt es Knoblauchbrot und Aioli. «Ich habe aus Versehen viel zu viel Eigelb bestellt, ich hoffe, die Gäste essen in nächster Zeit eine Menge Aioli», witzelt die Chefin. Dass Moni auch die Garpunkte genau im Griff hat, unterstreicht sie mit Rindsfilet – begleitet von geschmorten Rüebli, Sauce verte und Kroketten – und Loup de Mer mit Fenchel, Löwenzahn und Piment d'Espelette.
Zwischendurch ein mit Champagner aufgegossenes Zitronensorbet? Auch das ist im «Schlössli» kein Problem!
ZEIT FÜRS SÜSSE. Dann kommt der Auftritt von Theresa. Die Patissière («Wir servieren als Erfrischung vor dem Hauptgang gerne ein mit Champagner aufgegossenes Sorbet») hat sich den portugiesischen Klassiker Pastel de Nata vorgeknöpft. In ihrer Version wird die Creme nicht gebacken, sondern einfach in ein Tartelette aus knusprigem Brikteig gefüllt. Als Begleitung gibt es Kaffeeglace mit Milchschaum im Tässchen. Auch Cantucci sehen bei Theresa ein wenig anders aus. Sie kommen als hauchdünne Scheiben mit Halbgefrorenem, Heidelbeeren und Mandeln auf den Tisch. «Ich liebe Süsses, aber nur, wenn es nicht zu süss ist. Theresa bekommt das perfekt hin», sagt Moni. Da können wir nur zustimmen! Wolfgang Kuchler, der Papa von Christian, will bald für einen Tarte-Tatin-Kurs vorbeischauen. Den umgekehrt gebackenen karamellisierten Apfelkuchen beherrscht kaum jemand so gut wie er. Eine Challenge für Theresa!
Die Lage direkt am Bodensee ist unschlagbar. Jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen.
ZMITTAG ZUM SCHNÄPPCHENPREIS. Neben dem A-la-Carte-Programm bietet die «Schlössli»-Küche mittags einen Dreigänger für 35 Franken an. Es kann also niemand sagen, der 18-Punkte-Koch Kuchler denke nicht an Gäste mit kleinerem Budget. Die A-la-Carte-Preise sind gehoben, aber nicht abgehoben. Für 35 Franken gibt es die exzellenten Tortelloni, für 65 Franken das Pata-Negra-Duett mit Vongole.
Der Pächter und sein Restaurantleiter: Christian Kuchler (l.) und Jonas Volpert sind Wein-Freaks, sie bieten im «Schlössli» aber auch frisch gezapftes Augustiner Bräu aus München an.
«Krachen muss es und lustig will ich's haben, sonst mach ich nicht mit»: Den Wahlspruch der Kinderbuchfigur Karlsson vom Dach hat Volpert auf die Tafel geschrieben.
VON GANTENBEIN BIS KELLER. Der Weinkeller, bei vielen neuen Lokalen das Sorgenkind, ist im «Schlössli» bestens bestückt. «Der Chef hat ein paar gute Flaschen aus Wigoltingen hierher gebracht», sagt Jonas Volpert, der als Sommelier und Restaurantleiter aus dem «Schäfli» in die neue Kuchler-Beiz gewechselt hat. Eine Untertreibung! Von Gantenbein über Château Montrose bis Klaus Peter Keller ist in den akkurat eingeräumten Regalen fast alles vertreten, was Rang und Namen hat. «Der Schwerpunkt liegt auf der Bündner Herrschaft, dem Burgund und der Champagne. Nun wollen wir den Bestand noch mit den besten Tropfen aus der Bodenseeregion aufstocken», sagt Jonas. Für alle, die lieber Bier als Wein trinken, zapft er gerne Augustiner Bräu, den Grand Cru unter den Bieren. Neben je 60 Innen- und Aussenplätzen gehört zum «Schlössli» auch die sogenannte «Lästermeile», eine Reihe von Stühlen mit Blick auf den Bootshafen und die Seepromenade. Das kulinarische Angebot dort: Tapas wie Pata-Negra-Kroketten mit Tomaten-Peperon-Kräuter-Salsa, toskanischer Brotsalat mit Burrata und Basilikum oder gemischter Aufschnitt, Käse und Pickles vom Brettli.