Interview: David Schnapp
Ivo Adam, zuerst das «Seven» in Ascona, jetzt sieben Jahre im Casino Bern – reiner Zufall oder liegt in der Zahl sieben ein Geheimnis?
Das Geheimnis kann höchsten irgendwo in meinem Unterbewusstsein lege. In Ascona war ich ja immerhin zehn Jahre lang tätig.
Im Casino Bern haben Sie einen komplexen Betrieb hochgefahren und durch die Corona-Zeit gesteuert. Wie erschöpft sind Sie nach den sieben Jahren?
Mein Rucksack ist schwerer geworden, und die Erfahrungen, die ich machen durfte, möchte ich nicht missen. Diese Aufgabe war nicht alltäglich, aber erschöpft bin ich deshalb nicht, sondern vielmehr bereichert.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Dass es uns gelungen ist, diesen Betrieb mit den drei sehr verschiedenen Sparten Kulinarik, Kultur und Events mit den richtigen Leuten zu besetzen. Mit Leuten, die auch gewisse Werte vorleben. Es geht im Casino immerhin um 100 Mitarbeiter und 200 Aushilfen, die nach bestimmten Wertmassstäben geführt werden wollen.
Welche Werte sind gemeint?
Wir haben Werte definiert, zu denen klare Kommunikation, Wertschätzung untereinander oder fachliche Kompetenz gehören. Es ging immer darum, ein Ziel gemeinsam zu erreichen. Weil wir drei verschiedene Bereiche haben, mussten wir darauf achtgeben, dass nicht jeder Bereich für sich schaut, sondern dass jeder einzelne einen Blick für das Ganze hat.
Was ist Ihnen nicht gelungen?
Aus der Sicht eines Perfektionisten mit der Liebe zum Detail hätten wir vielleicht im Dienstleistungsbereich schon Standards erreichen können, die wir wegen der Pandemie noch nicht erreicht haben. Die hohen Erwartungen der Gäste jeden Tag zu erfüllen, gelingt nicht immer gleich gut.
Wenn Sie nochmals von vorne beginnen könnten: Was würden Sie im Casino anders machen?
Das Casino ist so geworden, wie wir es ursprünglich konzipiert hatten, daran würde ich nichts ändern wollen. Im Rückblick hätten wir die Bistrobar mit der regionalen, vegetarisch basierten Küche wohl nicht aufgeben dürfen. Das war ein gutes Konzept auf der Höhe der Zeit. Als ich im Herbst 2015 von der Burgergemeinde engagiert worden bin, habe ich mich wohl auch zu wenig mit den baulichen Veränderungen des Hauses in den vergangenen 110 Jahre befasst. Die Massnahmen hatten damals schon das Ziel, den Bedürfnissen eines stark frequentierten Gastronomie- und Kulturbetriebs in Bern nachzukommen. Wir haben sie aber bei der kompletten Sanierung im Jahr 2018 komplett zurückgebaut, die Substanz dieses historischen Gebäudes herausgearbeitet und dabei die Lehren der Vergangenheit nicht berücksichtigt.
Ihr guter Kollege Markus Arnold und Sie selbst sind zwei der prägenden Figuren der Berner Kulinarik-Szene der letzten Jahre. Was kann Markus besser als Sie?
Markus ist unglaublich hartnäckig und zielorientiert. Ich bin schneller bereit, Kompromisse einzugehen. Er hat sehr hohe Ansprüche an sich selbst, steht fast jeden Abend in seinem Restaurant, und es geht kein Teller raus, den er nicht gesehen hat. So jemanden als Sparring-Partner zu haben, ist sehr bereichernd. Wir kochen beide sehr ähnlich, aber er steht natürlich viel mehr in der Küche, und das merkt man auch.
Wie schätzen Sie die kulinarische Entwicklung Berns während der letzten Jahre ein?
Es gibt viele neue Konzepte – auch für einfache Gastronomie –, und was in Bern funktioniert, wird gerne kopiert oder nachgemacht. Auch die vielen Pop-ups haben frischen Wind gebracht. Wer stehen bleibt, hat es deshalb heute schwer. In Zürich übernehmen junge unternehmerisch denkende Köche mit internationaler Erfahrung die Quartierbeizen, in Bern bleiben diese wie oft wie sie sind, und sind ein sicherer Wert für Bundesräte, Politiker oder Beamte.
Sie sind gelernter Koch und Confiseur, üben aber seit Jahren letztlich Verwaltungsaufgaben aus. Fehlt Ihnen die Hitze der Küche manchmal?
Ich habe ja auch noch die Hotelfachschule absolviert und mache jetzt ein Betriebswirtschaftstudium an der HSG in St. Gallen. Man braucht im Leben das Know-how, aber auch das Do-how. Ich habe mittlerweile viel über Leadership gelernt. Kochen hingegen war für mich nie ein Beruf, sondern eine Berufung. Die Rolle als Dirigent, der gemeinsam mit einem Ensemble etwas auf den Teller bringt, lege ich nicht ab. Nachdem ich den Betrieb die letzten Jahre vor allem von oben aus der Perspektive meines Büros gesehen habe, vermisse ich tatsächlich die Emotionen, die man erlebt, wenn man das Glück der Gäste sieht und direktes Feedback erhält.
Ist Kochen eigentlich wie das berühmte Velofahren, oder kann man es verlernen?
Kochen kann man nicht verlernen, aber mit der Kreativität und der Innovation, der ständige Suche nach neuen Kombinationen muss man sich regelmässig befassen. Es geht um Routine beim Kochen, aber auch im Denken. Dafür brauche ich heute länger, aber es ist dafür vielleicht auch überlegter und reifer.
Nehmen wir an, Sie befinden sich in der Halbzeit Ihrer Karriere. Was sollte in Hälfte zwei passieren?
Ich will in der zweiten Halbzeit so weiterspielen wie in der ersten. Ich möchte gesund bleiben, und so weitermachen können wie bisher. Wenn ich mit meinem Sohn Trampolin springe, schaffe ich immerhin noch einen Salto. Das kann ich hoffentlich noch ein paar Jahre halten. Beruflich ist Selbstständigkeit ein grosses Thema, die ich aber auf verschiedene Standbeine abstützen möchte.
Welches Gericht müssen Sie für Ihren Sohn immer wieder zubereiten?
Hörnli mit Butter und schön gereiftem Schweizer Käse. Und Omeletten mag er sehr gern. Meine Frau nimmt dafür das Rezept aus dem «Tiptopf», ich mache es «Handgelenk mal Pi» – manchmal gelingt es sehr gut, manchmal weniger. Dann isst er nur vier statt sechs Stück, und ich weiss, dass der Teig nicht optimal war.
Können Ihre Frau und Sie gemeinsam in der Küche hantieren?
Ich kenne keinen Profi-Koch, der konfliktfrei mit seiner Frau zu Hause kochen kann. Es braucht nur ein falsches Wort, und es ist gelaufen. Aber Gnocchi oder andere Fleissarbeiten wie Weihnachtsguetsli machen wir gerne gemeinsam als Familie.
Als junger Koch haben Sie Rezepte gerappt, aber auch einen Konkurs bewältigen müssen. Später wurden Sie als Coop-Botschafter schweizweit populär und haben in Ascona eine innovative Küche und eine ganze Restaurant-Gruppe etabliert. Was treibt Sie an?
Mein inneres Feuer, immer etwas Neues entdecken wollen. Meine Neugier ist längst nicht erloschen und geht im Wortsinn über den Tellerrand hinaus. Wenn ich überlege, was ich als nächstes machen soll, habe ich noch keine definitive Antwort. Manchmal verzettle ich mich natürlich auch bei der Ideenfindung. Dann muss ich halt alles in Ruhe aufschreiben und anfangen, auszusortieren. Ich bin nicht müder geworden, aber überlegter.
Gibt es etwas – beruflich oder privat –, was Sie noch nicht getan haben, aber gerne tun würden?
Ich habe nie länger im Ausland oder habe bei einem Top-Chef gearbeitet. Das würde ich heute machen, wenn ich jünger wäre. Was ich noch machen will, sind Sprachen besser zu lernen. Und ich möchte mir mehr Zeit nehmen für Leute, die gerne Geniessen: Bei einer Tavolata im kleinen Rahmen, als Gastkoch bei einem Kollegen oder bei einem Vier- oder Sechs-Hände-Diner an einem Event beispielsweise.
>> Die Channel-Serie zum Jahresende: Sechs begabte Chefs ziehen Bilanz. Heute: Ivo Adam, 45, gelernter Koch und Konditor-Confiseur sowie diplomierter Hotelier. Adam war zuletzt Direktor des Casino Bern und hat im Auftrag der Burgergemeinde die Neueröffnung als Gastronomie-, Kultur- und Eventbetrieb geleitet. Zuvor war er zuständig für die Seven-Gruppe in Ascona, das von ihm konzipierte «After Seven» in Zermatt hatte auf dem Höhepunkt zwei Sterne und 17 Punkte..
Fotos: Ellin Anderegg, Caspar Martig, Yoshiko Kusano, HO