Interview: Kathia Baltisberger
Ivo Adam, Sie sind der Jurypräsident beim Wettbewerb «Der Goldene Koch». Das Halbfinale ist bereits über die Bühne gegangen. Wie haben Sie den Tag und die Dreharbeiten erlebt?
Es war wahnsinnig emotional und schön zu sehen, wie die Köchinnen und Köche sich vorbereitet haben. Man hat richtig gesehen, dass sie gewinnen wollen. Und gespürt, dass jeder seine Teller noch raffinierter und noch spezieller gestalten wollte. Fachkräftemangel? Ja, sicher gibts den. Aber hier hat man auch gesehen, dass es das Gegenteil gibt: Junge Menschen, die voll motiviert sind und sogar ihre Freizeit opfern, um an Tag X abzuliefern. Da ist es toll, Jury-Präsident zu sein.
Gibt es auch Teilnehmende, die sich bei so viel Motivation verzetteln?
Klar, gibt es das. Es waren sieben Kandidaten und eine Kandidatin im Halbfinale. Es gibt die, die es locker nehmen und den Teller mehr oder weniger so servieren, wie sie das auch im Restaurant machen würden. Und dann gibt es solche, die extra Formen anfertigen lassen oder die Küche nachbauen zum Trainieren. Aber egal, auf welchem Level der Teller ist, jeder Teilnehmer erfährt einen Lerneffekt. Es ist nicht die Medaille, die zählt. Ich habe auch bei gewissen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern während meiner Karriere gemerkt: Wer an so einem Wettbewerb mitgemacht hat, tickt einfach anders.
Sie sprechen auch aus eigener Erfahrung. Sie wurden 2002 mit der Kochnati in Singapur Weltmeister.
Ich habe an mehreren Wettbewerben mitgemacht. Mein Lehrmeister hat mich dazu angestiftet. Später war ich in der Regionalmannschaft Seeland. In die Nati kam ich, weil der damalige Pâtissier an der «Igeho» einen Herzinfarkt hatte. Man schaute sich nach den besten Kreationen als Ersatz um und nahm meine (Ivo Adam ist auch gelernter Konditor-Confiseur, Anm.d.Red.). Durch die Wettbewerbe habe ich sehr viel gelernt, auch wie man mit Kritik umgeht. Und konstruktive Kritik geben, das muss man auch lernen.
Genau das machen Sie beim «Goldenen Koch». Sie geben direktes Feedback. Kritisch, aber nicht böse.
Man soll ja erst etwas Positives, dann etwas Kritisches und wieder etwas Positives sagen. Ich mache das nicht nach Lehrbuch, sondern aus dem Bauch heraus. Deshalb wirkt das vielleicht ehrlicher. Ich streiche heraus, was die Person gut gemacht hat, sage ihr, was sie vielleicht bei der Textur oder dem Geschmack hätte besser machen können. Und was in die Hose gegangen ist. Ich gebe jedem einen Tipp auf den Weg. Das schätzen die Kandidaten und Kandidatinnen am meisten. Nur so kann man auch sein Team weiterbringen. Denn du bist nur so gut wie das ungeölte Zahnrad in deinem Betrieb. Man muss jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin anders nehmen. Das braucht neben fachlichen Kenntnissen auch Menschenkenntnis.
Worauf kommt es bei einem solchen Wettbewerb denn nun an: Talent oder Timing?
Talent alleine reicht nicht. An einem Wettbewerb braucht es viel mehr. Man muss gut organisiert sein, sauber schaffen, die Abläufe müssen routiniert sein und das Zeitmanagement muss stimmen. Die Degustations-Jury schaut die Teller zunächst nur an. Und bereits da sieht man, wer Erfahrung hat. Dann zählt natürlich der Geschmack. Es kommt schon vor, dass etwas filigran gearbeitet ist, aber nicht schmeckt. Oder umgekehrt. Der Garpunkt muss stimmen, die Textur. Es darf nicht zu süss, zu salzig oder zu sauer sein. Das alles kann man nicht einfach so. So viel Talent hat niemand. Man muss schon trainieren, wenn man gewinnen will.
Sie durften die Gerichte probieren. Haben Sie sofort erkannt, wer ins Final kommt?
Ja, das kann man recht schnell einschätzen. Es ist schon vorgekommen, dass jemand so gut war, dass man bereits sagen konnte, dass er auch das Finale gewinnen wird. Dieses Jahr war das nicht so. Meist gibt es drei Kandidatinnen oder Kandidaten, die ganz vorne sind. Wer nicht weiterkommt, ist oft auch klar. Dann gibt es noch das Mittelfeld. Und bei denen gab es aber auch schon Überraschungen.
Sie sind nicht nur Jury-Präsident, sondern auch Moderator. Wie viel Show ist der Goldene Koch durch die Aufzeichnung?
Ich habe schon andere TV-Sendungen gemacht. Da kann man oft Abläufe wiederholen, wenn etwas nicht geklappt hat. Aber hier nicht. Wenn die Uhr läuft, dann läuft sie. Das macht den Wettbewerb echt. Nichts ist gestellt, die Teilnehmenden sind nicht gecastet. Ich mache alles aus dem Bauch heraus. Ich bin ein bisschen wie ein Chamäleon: Ich fühle mit den Kandidatinnen und Kandidaten mit, kann mich der Situation anpassen. Wenn ich weiss, dass jemand ein enges Verhältnis zur Mutter hat, dann hol ich sie spontan dazu. Ich wäre ja blöd, wenn ich das nicht machen würde. Das sorgt für Emotionen. Aber das ist live, das kann man nicht planen.
Sie sind gelernter Koch, Confiseur, dipl. Hotelier, Unternehmer und Familienvater. Gehen wir von einem 100-Prozent-Job aus: Wie wären die Prozente aktuell verteilt?
Aktuell bin ich in einer Findungsphase. Und wenn ich so auf die vergangenen Jahre zurückschaue, kann ich sagen, wie ich es mir in Zukunft vorstelle. Ich wäre gerne 20 Prozent Gastgeber. Geselligkeit, Emotionen, Wissen vermitteln, das gibt mir enorm viel und kam in den letzten Jahren sicher zu kurz. 60 Prozent möchte ich der Innovation widmen. Ich möchte etwas Kreatives machen, neue Projekte und Konzepte entwickeln, Lösungen für Probleme finden oder einfach neuzeitliche Dienstleistungen und Angebote kreieren. In den letzten 20 Prozent möchte ich flexibel bleiben. Ich möchte Sachen machen, die Zeit brauchen. Sei es als Testimonial, als Dozent, für kulinarische Events, Projekte im Ausland oder einfach Family-Time. Aber zum Glück ist mein Engagement immer mehr als nur ein 100 Prozent-Job, da bleibt vielleicht auch noch ein bisschen Zeit für mich.
Sie drücken seit jüngstem wieder die Schulbank, studieren an der HSG. Wo soll Ihr Studium hinführen?
Ich mache ein Intensivstudium in Betriebswirtschaft, das aus zehn Blockwochen besteht. Nach jeder Woche hat man eine Prüfung und am Ende muss ich eine Diplomarbeit schreiben. Das gibt mir eine neue Sicht auf die Dinge. Viele Fähigkeiten, die man als Unternehmerin oder Unternehmer braucht, habe ich mir in den letzten Jahren selbst angeeignet. Aber ich habe nie hinterfragt, wieso man etwas macht und wie man etwas positv beeinflussen kann. Das hole ich jetzt nach.
Haben Sie schon Pläne für danach?
Ich denke in mehrere Richtungen. Ich will mir aber Zeit lassen. Gut Ding will Weile haben.
Sie sind im Vorstand der Grandes Tables de Suisse. Wie geht es da für Sie weiter?
Die GTS waren ursprünglich selbständige Gastronominnen und Gastronomen mit Restaurant. Ich habe das etwas aufgebrochen, weil ich Partner und Investoren hinter meinen Betrieben hatte. Wenn es sinnvoll ist und ich im Vorstand eine Aufgabe wahrnehmen kann, die etwas bringt, dann würde ich gerne bleiben. Ich möchte in Zukunft weiterhin kulinarisch unterwegs sein.
Die Vereinigung zieht immer mehr gute Chefs an. Wie kommts?
Früher wurden Neumtiglieder sehr zurückhaltend gesucht, es war ein elitärer Club. Heute ist der Vostand sehr jung, man geht auf die Leute zu. Präsident Guy Ravet hat das sehr stark gemacht. Aber wir müssen den Chefs auch etwas bieten. Deshalb organisieren wir Treffen, an denen sich Gleichgesinnte unkompliziert austauschen können. Wir wollen die Kochkunst der Schweiz aufrechterhalten, aber eben auch die Freundschaften.
>> Das Halbfinale von «Der Goldene Koch» läuft ab dem 20. April 2023 in zehn Episoden auf Blick TV. Die Finalisten werden in der Folge vom 22. Mai bekanntgegeben.
Fotos: Jonas Weibel, Olivia Pulver, Caspar Martig